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Wahlkampf: Die Stunde der Gummistiefel-Politiker

Wahlkampf

Die Stunde der Gummistiefel-Politiker

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    Gerhard Schröder entschied sich 2002 für die Gummistiefel, doch in Wahljahren ist jede Hochwasserkatastrophe für Politiker ein Balanceakt. Wer in Gummistiefeln posiert, handelt sich schnell den Vorwurf ein, die Fluten für den Wahlkampf zu nutzen. Wer nicht in Gummistiefeln posiert, riskiert den Vorwurf der Untätigkeit.
    Gerhard Schröder entschied sich 2002 für die Gummistiefel, doch in Wahljahren ist jede Hochwasserkatastrophe für Politiker ein Balanceakt. Wer in Gummistiefeln posiert, handelt sich schnell den Vorwurf ein, die Fluten für den Wahlkampf zu nutzen. Wer nicht in Gummistiefeln posiert, riskiert den Vorwurf der Untätigkeit. Foto: Waltraud Grubitzsch, dpa/lsn

    Passau leidet unter dem schlimmsten Hochwasser seit 500 Jahren - und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt in Begleitung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Beide wollen sich in der schwer getroffenen Stadt an der Donau ein Bild der katastrophalen Lage machen. Es schlägt wieder einmal die Stunde der Gummistiefel-Politiker. Faktisch sind Spitzenpolitiker bei Hochwasserbesuchen als Touristen vor Ort. Die Einsätze werden von den örtlichen Behörden geleitet, die Politiker entscheiden nichts, sondern lassen sich lediglich informieren. Doch können die Besuche reale politische Bedeutung entfalten.

    "Feuer unter den Gummistiefeln machen"

    In der CSU erinnern sich manche heute noch mit Schrecken an das Elbe-Hochwasser 2002, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in der Schlussphase des Bundestagswahlkampfs dem Unionskandidaten Edmund Stoiber die Show auf den Deichen stahl. Schröder wurde damals von der Union prompt beschuldigt, er wolle die Not der Flutopfer ausnutzen. Kanzlerin Merkel ließ schon am Montag in Berlin wissen, dass sie Geld geben will: "Der Bund wird auch schauen, was wir helfen können, genauso wie die Länder." Die Staatsregierung plant ein Hilfsprogramm von 150 Millionen Euro, für das der Bund mitzahlen soll.

    Chronologie: Rekord-Hochwasser in Deutschland

    Juni 2013 - Dauerregen verursacht Überschwemmungen in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Mehrere Menschen sterben. Die Pegel waren von der Donau bis an die Elbe so hoch wie seit 500 Jahren nicht mehr.

    Januar 2011 - Im nördlichen Abschnitt der Elbe erreicht das Hochwasser vielerorts Rekordhöhen. Doch die Deiche halten.

    August 2010 - Extreme Regenfälle führen im Dreiländereck von Deutschland, Tschechien und Polen zu heftigem Hochwasser und Überschwemmungen.

    März/April 2006 - Wegen des Elbehochwassers wird in Teilen Sachsens Katastrophenalarm ausgerufen. Auch in anderen ostdeutschen Ländern gilt die höchste Alarmstufe.

    August 2005 - Das von Italien kommende Tief «Norbert» führt zu heftigen Regenfällen im Süden Bayerns, in Österreich und der Schweiz. In mehreren besonders vom Hochwasser betroffenen Landkreisen und Städten in Bayern wird Katastrophenalarm ausgelöst.

    August 2002 - Nach sintflutartigen Regenfällen rollt eine verheerende Elbeflutwelle von Tschechien nach Norddeutschland. In Dresden erreicht das Jahrhunderthochwasser einen Rekordhöchststand.

    Mai 1999 - Hochwasser setzt an Pfingsten Augsburg, aber auch Teile des Allgäus und anderer Städte in Schwaben unter Wasser. Der Schaden liegt im dreistelligen Millionenbereich.

    Juli 1997 - Nach starken Regenfällen hält das Jahrhunderthochwasser der Oder die Menschen in Brandenburg, Tschechien und Polen in Atem und verursacht Schäden in Milliardenhöhe.

    Für Regierungschefs ist jedoch kaum vorstellbar, sich nicht persönlich um ein Hochwassergebiet zu kümmern - sonst würden sie den Vorwurf der Herzlosigkeit und Untätigkeit riskieren. "Das ist die Aufgabe der Exekutive", sagt Bayerns Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause. "Wenn sie's nicht täten, müsste man ihnen Feuer unter den Gummistiefeln machen." Ob das Hochwasser eine Auswirkung auf Bundes- und Landtagswahlen haben wird, ist ungewiss - bis zu den Wahl sind es noch dreieinhalb Monate.

    Seehofer und Zeil wollen tätig werden

    Bayerns Ministerpräsident Seehofer machte das Hochwasser dann auch am Sonntag zur Angelegenheit von höchster Wichtigkeit - er berief eine Krisensitzung seines halben Kabinetts ein, rief einen Krisenstab unter seiner Leitung ins Leben, mehrere Minister schwärmten in die am stärksten überschwemmten Gebiete aus. "Es darf keinen Tourismus geben", versicherten Seehofer ebenso wie sein Martin Zeil (FDP). Beide besichtigten die südbayerischen Hochwassergebiete dann am Montag gemeinsam.

    Für Seehofer und Zeil ist das Hochwasser eine Gelegenheit, Tatkraft und kompetentes Krisenmanagement zu demonstrieren. Doch ein Blick auf Naturkatastrophen in aller Welt zeigt, dass das für Spitzenpolitiker gefährlich sein kann. Denn machen die örtlichen Behörden bei der Katastrophenhilfe Fehler, wird dafür auch die Regierung verantwortlich gemacht. Bekanntestes Beispiel sind die Pannen in New Orleans nach dem verheerenden Hurrikan Katrina 2005, die der damaligen Bush-Regierung angelastet wurden.

    Hochwasser immer politisch schwierig

    Politisch schwierig sind Hochwasser auch für Oppositionspolitiker - denn sie können überhaupt keinen Ruhm ernten, wie der unglückliche Stoiber 2002 erleben musste. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude sagte am Montag sogar eine Bierzeltkundgebung in Niederbayern ab, um nicht in den Ruch des Stimmenfangs zu geraten. "In solchen Notzeiten macht man keinen Wahlkampf", sagte Ude nach Angaben eines Sprechers. In seiner Eigenschaft als Münchner Oberbürgermeister bot Ude mehreren betroffenen Kommunen die Hilfe seiner städtischen Feuerwehr an. dpa/lby

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