Die Stunde der Gummistiefel-Politiker
Wer als Politiker in Gummistiefeln posiert, handelt sich schnell den Vorwurf ein, die Fluten für den Wahlkampf zu nutzen. Wer es nicht tut, riskiert den Vorwurf der Untätigkeit.
Passau leidet unter dem schlimmsten Hochwasser seit 500 Jahren - und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt in Begleitung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Beide wollen sich in der schwer getroffenen Stadt an der Donau ein Bild der katastrophalen Lage machen. Es schlägt wieder einmal die Stunde der Gummistiefel-Politiker. Faktisch sind Spitzenpolitiker bei Hochwasserbesuchen als Touristen vor Ort. Die Einsätze werden von den örtlichen Behörden geleitet, die Politiker entscheiden nichts, sondern lassen sich lediglich informieren. Doch können die Besuche reale politische Bedeutung entfalten.
"Feuer unter den Gummistiefeln machen"
In der CSU erinnern sich manche heute noch mit Schrecken an das Elbe-Hochwasser 2002, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in der Schlussphase des Bundestagswahlkampfs dem Unionskandidaten Edmund Stoiber die Show auf den Deichen stahl. Schröder wurde damals von der Union prompt beschuldigt, er wolle die Not der Flutopfer ausnutzen. Kanzlerin Merkel ließ schon am Montag in Berlin wissen, dass sie Geld geben will: "Der Bund wird auch schauen, was wir helfen können, genauso wie die Länder." Die Staatsregierung plant ein Hilfsprogramm von 150 Millionen Euro, für das der Bund mitzahlen soll.
Für Regierungschefs ist jedoch kaum vorstellbar, sich nicht persönlich um ein Hochwassergebiet zu kümmern - sonst würden sie den Vorwurf der Herzlosigkeit und Untätigkeit riskieren. "Das ist die Aufgabe der Exekutive", sagt Bayerns Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause. "Wenn sie's nicht täten, müsste man ihnen Feuer unter den Gummistiefeln machen." Ob das Hochwasser eine Auswirkung auf Bundes- und Landtagswahlen haben wird, ist ungewiss - bis zu den Wahl sind es noch dreieinhalb Monate.
Seehofer und Zeil wollen tätig werden
Bayerns Ministerpräsident Seehofer machte das Hochwasser dann auch am Sonntag zur Angelegenheit von höchster Wichtigkeit - er berief eine Krisensitzung seines halben Kabinetts ein, rief einen Krisenstab unter seiner Leitung ins Leben, mehrere Minister schwärmten in die am stärksten überschwemmten Gebiete aus. "Es darf keinen Tourismus geben", versicherten Seehofer ebenso wie sein Martin Zeil (FDP). Beide besichtigten die südbayerischen Hochwassergebiete dann am Montag gemeinsam.
Für Seehofer und Zeil ist das Hochwasser eine Gelegenheit, Tatkraft und kompetentes Krisenmanagement zu demonstrieren. Doch ein Blick auf Naturkatastrophen in aller Welt zeigt, dass das für Spitzenpolitiker gefährlich sein kann. Denn machen die örtlichen Behörden bei der Katastrophenhilfe Fehler, wird dafür auch die Regierung verantwortlich gemacht. Bekanntestes Beispiel sind die Pannen in New Orleans nach dem verheerenden Hurrikan Katrina 2005, die der damaligen Bush-Regierung angelastet wurden.
Hochwasser immer politisch schwierig
Politisch schwierig sind Hochwasser auch für Oppositionspolitiker - denn sie können überhaupt keinen Ruhm ernten, wie der unglückliche Stoiber 2002 erleben musste. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude sagte am Montag sogar eine Bierzeltkundgebung in Niederbayern ab, um nicht in den Ruch des Stimmenfangs zu geraten. "In solchen Notzeiten macht man keinen Wahlkampf", sagte Ude nach Angaben eines Sprechers. In seiner Eigenschaft als Münchner Oberbürgermeister bot Ude mehreren betroffenen Kommunen die Hilfe seiner städtischen Feuerwehr an. dpa/lby
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