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Unruhen von Baltimore: Die offene Wunde der amerikanischen Gesellschaft

Unruhen von Baltimore

Die offene Wunde der amerikanischen Gesellschaft

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    In Baltimore hat der Tod des Afroamerikaners Freddie Gray gewaltsame Proteste ausgelöst.
    In Baltimore hat der Tod des Afroamerikaners Freddie Gray gewaltsame Proteste ausgelöst. Foto: John Taggart, dpa

    War es nur Krawall? Oder sollte damit etwas erreicht werden? Die Unruhen in der amerikanischen Großstadt Baltimore haben erschreckt und verstört. Auslöser war die Beerdigung des jungen Schwarzen Freddie Gray, der im Polizeigewahrsam tödlich verletzt worden war. Oft behandeln in den USA weiße Polizisten dunkelhäutige Verdächtige mit unverhältnismäßig großer Härte. Immer wieder mit tödlichem Ausgang. Nicht nur Afroamerikaner empfinden dies als rassistisch und nicht hinnehmbar. Aber Straßenschlachten, Plünderungen und Brandstiftungen können nicht die richtige Antwort darauf sein.

    Soziale Spaltung in Amerika besteht bis heute

    Erschüttert über den Gewaltexzess junger Schwarzer, bei denen auch kriminelle Banden eine Rolle gespielt haben sollen, ist auch die schwarze Mittelschicht. Bürgermeisterin Stephanie Rawlings-Blake sagte, man habe sich zu viel aufgebaut, um es jetzt kaputt machen zu lassen. Denn Baltimore, eine Stadt mit überwiegend schwarzer Bevölkerung, hat eine schwarze Bürgermeisterin und sogar einen schwarzen Polizeichef. Sie haben die schonungslose Aufklärung des Falles zugesagt. Die Familie des Opfers vertraute darauf. Es gab eine Großdemonstration, die friedlich blieb. Es gab eine bewegende Trauerfeier. Doch dann geriet die Lage doch noch außer Kontrolle.

    Die Rassenbeziehungen in den USA sind an der Schnittstelle von Schwarz und Weiß besonders angespannt. Als historische Belastung wirkt die Sklaverei nach, die vor 150 Jahren abgeschafft wurde. Gleiche Rechte für Afroamerikaner gibt es zwar seit den Verfassungsänderungen vor 50 Jahren. Aber sozial besteht die Spaltung bis heute fort: Schwarze verdienen im Durchschnitt weniger als Weiße, die Arbeitslosigkeit in dieser Bevölkerungsgruppe ist höher, die Kinder haben geringere Aufstiegschancen. Daran hat auch nichts geändert, dass mit Barack Obama erstmals ein Afroamerikaner US-Präsident wurde.

    Polizei greift immer wieder gegen Schwarze durch

    Mit den sozialen Problemen haben auch die Probleme zwischen Schwarzen und der Polizei zu tun. Die Beamten wissen, dass sich unter jungen schwarzen Männern mehr Straftäter befinden als bei anderen Bevölkerungsgruppen. Und sie fühlen sich teilweise bedroht. Dies kann allerdings nicht rechtfertigen, dass Polizisten ohne Not auf unbewaffnete Menschen schießen.

    So wie kürzlich im US-Bundesstaat South Carolina, als ein weißer Polizist einen weglaufenden Schwarzen mit acht Schüssen in den Rücken tötete, was ein Passant auf einem Handyvideo festhalten konnte. Oder wie im August vergangenen Jahres in Ferguson (Missouri), als ein weißer Polizist den unbewaffneten schwarzen Jugendlichen Michael Brown erschoss. Auch dort kam es, wie jetzt in Baltimore, zu gewalttätigen Protesten.

    Es sind vor allem Übergriffe der Polizei, die den Konflikt Schwarz gegen Weiß weiter anfeuern. Nicht immer, aber im Einzelfall steckt rassistische Gesinnung dahinter. Daher ist auch 50 Jahre nach der von Martin Luther King angeführten Bürgerrechtsbewegung „der Marsch noch nicht vorbei“, wie Präsident Obama vor kurzem am 50. Jahrestag des „Blutigen Sonntags“ in Selma (Alabama) sagte. Die gegen ihre Rechtlosigkeit marschierenden Schwarzen, die damals mit Polizeigewalt aufgehalten wurden, haben sich am Ende politisch durchgesetzt. Aber Chancengleichheit zwischen Schwarz und Weiß besteht bis heute nicht.

    Den USA ist zugutezuhalten, dass die Benachteiligung nicht mehr systematisch erfolgt, dass sie „nicht mehr typisch oder sanktioniert von Gesetzen und Gewohnheit“ ist, wie Obama sagt. Aber sie muss auch aus den Köpfen der Polizisten vertrieben werden.

    In den Köpfen von Polizisten muss sich etwas ändern.

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