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Augsburg: Die schmutzigen Geschäfte der Pflegemafia

Augsburg

Die schmutzigen Geschäfte der Pflegemafia

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    Pflege hat viel mit Vertrauen zu tun. Doch nicht immer scheint das Vertrauen gerechtfertigt zu sein. Auch in Augsburg soll es Fälle von Drohungen und Betrug durch Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten gegeben haben.
    Pflege hat viel mit Vertrauen zu tun. Doch nicht immer scheint das Vertrauen gerechtfertigt zu sein. Auch in Augsburg soll es Fälle von Drohungen und Betrug durch Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten gegeben haben. Foto: imago

    Auch in Augsburg gibt es offenbar ein Netzwerk organisierten Betrugs bei russischen Pflegediensten. Branchenkenner sprechen von einem „riesigen grauen Markt in einem abgeschotteten System“. Es werde mit voller Absicht in großem Rahmen getäuscht. Wie funktioniert das? Die Möglichkeiten sind offenbar vielfältig. Dienste kreuzen – teilweise in Absprache mit Pflegebedürftigen bzw. deren Angehörigen – Leistungen auf den Abrechnungsbögen an, die nie erbracht wurden. Menschen werden instruiert, sich gegenüber dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen, der die Pflegestufe vergibt, hinfälliger zu stellen, als sie sind. Hilfskräfte übernehmen Aufgaben von Fachkräften. Überschüsse aus dem Betrugsgeschäft teilt man sich, macht Gegengeschäfte oder stellt Angehörige pro forma als Pfleger an – ohne dass sie einen Finger rühren.

    Ermittlungen auch in Augsburg

    Die Masche ist bundesweit üblich, geht aus internen Dokumenten des Bundeskriminalamtes hervor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch in Augsburg gegen einen Pflegedienst. Dieser soll in über 600 Fällen betrügerische Abrechnungen erstellt und so in vier Jahren über 200000 Euro ergaunert haben. Warum aber fliegt nicht öfter auf, was offenbar gang und gäbe ist und wovon jeder in der Branche weiß?

    Eckard Rasehorn, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Augsburg-Stadt, sagt: „Kassen und Sozialhilfeträger können nichts beweisen.“ Was passiert, ist offensichtlich hochprofessionell organisiert und spielt sich hinter verschlossenen Türen ab. Und das in einer regelrechten Parallelgesellschaft, die gegen „den Staat“ zusammenhält. Klaus Kneißl, Sozialplaner beim Augsburger Sozialreferat, sagt: „Der Nachweis ist wahnsinnig schwer zu führen.“ Möglich sei es nur bei besonders dreisten Fällen. Wenn zum Beispiel das Sozialamt, das für Patienten ohne Versicherung die Kosten übernimmt, eine Rechnung aus dem Krakenhaus erhält – und parallel die Forderung eines Dienstes, der den Menschen angeblich zur selben Zeit zu Hause gepflegt hat.

    Russische Parallelgesellschaft ist in Augsburg immer wieder Thema

    Die russische Parallelgesellschaft ist in Augsburg immer wieder Thema. 25000 der 284000 Bürger haben Wurzeln in postsowjetischen Staaten. Es gibt ein ganzes System von Geschäften, Dienstleistungsunternehmen, Pflegediensten und Ärzten. Kneißl schätzt, dass mindestens zehn der 50 Augsburger Sozialstationen in russischer Hand sind. Teilweise sind sie erkennbar an typischen Namen aus dem Sprachraum, gerne Frauenvornamen oder mythologische Figuren. Großteils sind sie auf russischsprachige Klienten spezialisiert, das Personal ist oft schlecht bezahlt und spricht teilweise kaum Deutsch.

    Experten glauben, dass auch russischstämmige Ärzte in dem System mitmischen. Manche überweisen angeblich bevorzugt an russische Pflegedienste. Will ein Patient wechseln, weigern einige sich dem Vernehmen nach, die Überweisung für einen deutschen Dienst auszustellen. Angeblich wurden aber auch schon Ärzte unter Druck gesetzt mit der Drohung, dass ihnen sonst bald Patienten wegbleiben würden... Denn vor Drohungen schrecken manche Dienste wohl nicht zurück.

    Kneißl versucht, sich in das psychologische System hinter dem Betrugsnetzwerk einzufühlen. Die alten Menschen, in einem kommunistischen Staat sozialisiert, wüssten oft nicht, dass sie in Deutschland Wahlfreiheit haben. „In ihrer alten Heimat mussten sie den Staat betrügen, um zu überleben.“ Sie und auch die Dienste seien dieses System gewöhnt und übertragen es ohne Gewissensbisse nach Deutschland.

    Kranker Mann offenbar mit Messer bedroht

    Die Arbeiterwohlfahrt Augsburg hat schon versucht, Pflegebedürftigen gegen muttersprachliche Dienste beizustehen. Vergebens. In einem Fall wurde offenbar ein kranker Mann, der sich beschwert hatte, von zwei Männern auf der Straße angesprochen – mit entsprechenden Hinweisen und einem vorgehaltenen Messer. Die Idee einer Strafanzeige fällt da schnell in sich zusammen. Kneißl sagt: „Deutsche lassen sich so ein System nicht lange gefallen. Aber wenn sie etwas bemerken, sind auch sie einfach froh, da schnell wieder raus zu sein.“ Wer sich trotzdem hinstellt, bekomme ein geharnischtes Schreiben eines Anwalts wegen übler Nachrede.

    Kommt ein Fall doch vor Gericht, reden sich die Beteiligten angesichts falsch ausgefüllter Leistungsnachweise auch mal mit Sprachproblemen heraus. So geschehen vor einigen Jahren in Augsburg. Damals ging es um 10000 Euro. Einem anderen Dienst wurde die Arbeitserlaubnis entzogen. Er eröffnete später unter neuem Namen.

    Betätigungsfeld sind laut Rasehorn der ambulante und teilstationäre Bereich sowie Pflege-WGs, die nicht unter die Zuständigkeit der Heimaufsicht fallen. Auch Krankenkassen können die Überprüfung der Abrechnungen nicht leisten, so die Experten.

    Rasehorn sieht nur einen Weg: „Man muss die Kriminalpolizei mit allen Mitteln drauf ansetzen.“ Pfleger überwachen, verdeckte Ermittler einschleusen, Telefone abhören. Methoden, wie man sie gegen die Mafia anwendet.

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