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Sachsen: Dresdner Demo-Affäre: FDP kritisiert Horst Seehofer

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Dresdner Demo-Affäre: FDP kritisiert Horst Seehofer

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    Seit der Flüchtlingskrise von 2015 gleichen sich die Bilder. Wenn die Bundeskanzlerin sächsischen Boden betritt, sind Demonstranten der Pegida meistens bereits vor Ort. 
    Seit der Flüchtlingskrise von 2015 gleichen sich die Bilder. Wenn die Bundeskanzlerin sächsischen Boden betritt, sind Demonstranten der Pegida meistens bereits vor Ort.  Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Die Bundeskanzlerin dürfte sich bereits daran gewöhnt haben, dass es ungemütlich wird, wenn sie in Sachsen auftritt. Seit der Flüchtlingskrise wird Angela Merkel zuverlässig von hasserfüllten Pegida-Demonstranten auf oft übelste Weise angepöbelt. Doch nach dem letzten Auftritt von Angela Merkel am Donnerstag vergangener Woche in Dresden sehen sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und die Polizei heftiger Kritik ausgesetzt.

    Anlass ist der zornige Auftritt eines Mannes mit schwarz-rot-goldenem Schlapphut. Ein Auftritt der letztlich dazu führte, dass ein ZDF-Kamerateam von der Polizei für eine Dreiviertelstunde von der Arbeit abgehalten wurde. Und ein Auftritt, der seine politische Dimension dadurch erhielt, dass der Hauptdarsteller ausgerechnet Mitarbeiter des Dezernats Wirtschaftskriminalität im sächsischen Landeskriminalamt (LKA) ist. Als Buchprüfer schreibt er nach Erkenntnissen der Welt Gutachten und Prüfberichte und tritt für das LKA auch in Gerichtsprozessen auf. Grundlage für diese Tätigkeit, so möchte man meinen, müsste eigentlich Seriosität sein.

    ZDF-Team wurde 45 Minuten an der Arbeit gehindert 

    Doch der LKA-Mann setzt in seiner Freizeit offensichtlich andere Akzente. Er löste sich bei der rechtspopulistischen Demonstration gegen die Kanzlerin aus der Menge und forderte den ZDF-Kameramann, der für die Sendung Frontal21im schönen Dresden drehte, dazu auf, die Filmaufnahmen sofort einzustellen. Andernfalls, so drohte er, werde er den Kameramann eigenhändig „festsetzen“ oder die Polizei holen. Letztere traf bald darauf ein. Doch anstatt den Demonstranten in die Schranken zu weisen, kontrollierten die Beamten das ZDF-Team, das auf diese Weise die Berichterstattung rund 45 Minuten einstellen musste. Das brachte der Polizei den Vorwurf ein, die Presse bei ihrer Arbeit behindert zu haben. Für ZDF-Chefredakteur Peter Frey ist der Fall klar. Das Vorgehen der Polizei sei eine „klare Einschränkung der freien Berichterstattung“.

    Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) reagierte auf den Vorfall mit der Forderung, die „wirklich besorgniserregenden Vorgänge dringend und umfassend“ aufzuklären. Genau dies hatte Ministerpräsident Kretschmer bereits am Wochenende zugesagt, um dann per Twitter mit Blick auf das im Internet kursierende Video von dem Zwischenfall hinzuzufügen: „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.“

    Scharfe Kritik am sächsischen Ministerpräsidenten  

    Für diese Bemerkung erntete er heftige Kritik. „Kretschmer hat sich völlig einseitig hinter das Vorgehen der Polizei gestellt“, monierte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Konstantin Kuhle, im Gespräch mit unserer Redaktion. Der niedersächsische Politiker sieht Kretschmer als Getriebenen: „Angesichts der aktuellen Umfragen, die für die AfD sehr gut aussehen, sind seine Äußerungen ein Akt der Hilflosigkeit.“ Vor allem wenn man wisse, „dass Kretschmer die klare Ansage gemacht hat, Stimmen von der AfD zurückzuholen“. Der Fall ist für Kuhle auch symptomatisch für eine Entwicklung, die er mit großer Sorge verfolgt: „Ich registriere eine gewisse Entfremdung von Sicherheitsbehörden zum staatlichen Handeln, wenn zum Beispiel der Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen die AfD berät, wie sie ihre eigene Überwachung vermeiden kann.“ Alles andere als Zufall ist in diesem Zusammenhang für den 29-Jährigen, dass die Justizministerin Barley klar Stellung bezieht, der eigentlich zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) aber zu dem Vorfall schweigt: „Seehofer selber trägt zu dieser Entfremdung bei, wenn er mit Blick auf die Flüchtlingspolitik pauschal von der ,Herrschaft des Unrechts‘ spricht.“

    Für den LKA-Mitarbeiter könnte es eng werden

    Für den LKA-Mitarbeiter wird die Sache nun doch ein unerfreuliches Nachspiel haben. Er soll, wie der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU) am Donnerstag erklärte, für eine Befragung seinen Urlaub unterbrechen.

    Wird sein Verhalten Konsequenzen haben? „Grundsätzlich hängen die Arbeitsgerichte den Satz ,privat ist privat‘ sehr hoch“, sagt der Freiburger Anwalt für Arbeitsrecht, Thomas Muschiol, unserer Redaktion. Die Mitgliedschaft in einer zugelassenen Partei oder die Teilnahme an einer angemeldeten Pegida-Demonstration sei nicht zu beanstanden. Allerdings gebe es auch eine „funktionsbezogene, besondere Treuepflicht“ für staatliche Angestellte. Das bedeute, dass der Dienstherr oder – falls es zu einem Prozess kommt – der Richter prüfen müsste, inwieweit aus der beruflichen Funktion des LKA-Mitarbeiters Grenzen für sein Agieren in der Öffentlichkeit erwachsen. Und: „Man wird sich ganz genau anschauen, ob er in der konkreten Situation gegenüber dem ZDF-Team überzogen hat.“ (mit dpa)

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