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USA: Ein Jahr Trump: Warum sich Amerika in einem kalten Bürgerkrieg befindet

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Ein Jahr Trump: Warum sich Amerika in einem kalten Bürgerkrieg befindet

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    Vor einem Jahr, am 20. Januar 2017, wurde Donald Trump als Präsident vereidigt. Heute ist sein Land tief gespalten.
    Vor einem Jahr, am 20. Januar 2017, wurde Donald Trump als Präsident vereidigt. Heute ist sein Land tief gespalten. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa

    Kenneth Nail, 54, ist mit sich und der Welt zufrieden. Pünktlich um neun in der Früh wartet der Bürgermeister des 3000-Seelen-Nests Hanceville in seinem Silverado-Pick-up-Truck vor dem roten Klinkerbau an der Hauptstraße. „Es ist immer ein guter Morgen, wenn Sie Birmingham verlassen können“, heißt der aufgedrehte Südstaatler seine Besucher aus der 40 Meilen entfernten Metropole in Alabama willkommen. Weil Birmingham geht gar nicht.

    Mit breitem Grinsen auf dem Gesicht sperrt Nail das Rathaus auf und bittet freundlich in sein Büro. Stolz zeigt er an der Wand zwei Puzzlebilder, die Motive aus dem Krieg zwischen den konföderierten Südstaaten und der Union des Nordens darstellen. „Das Hobby meiner Frau“, erläutert der im Herbst wiedergewählte Bürgermeister die Dekoration seines Arbeitszimmers, das er wie ein kleines Heimatmuseum eingerichtet hat. Der Bürgerkrieg, der vor 150 Jahren zu Ende ging, fasziniere auch ihn, „weil er der tödlichste in der amerikanischen Geschichte war, in dem Brüder gegen Brüder gekämpft haben“. Zum Beispiel sein Urururgroßvater, ein bettelarmer irischer Einwanderer, der aufseiten der Südstaaten stritt. „Glauben Sie, dass es dem um die Sklaverei ging?“, fragt Nail, während er irgendein altes Schwarz-Weiß-Foto hervorkramt.

    Womit der Mann im klein karierten Hemd und mit Bürstenschnitt dann auch schon bei dem Thema ist, mit dem er nach seiner Wahl Schlagzeilen machte. Als er hörte, dass New Orleans nach den Fackelmärschen von Rechtsextremisten in Charlottesville seine Konföderierten-Denkmäler entfernen wollte, bot er dem Bürgermeister dort an, den Monumenten ein neues Zuhause zu geben.

    Und nicht nur diesem. Nail lud alle Kommunen dazu ein, die ihre Denkmäler loswerden wollten, diese nach Hanceville zu schicken. Von ein paar Ausnahmen aus dem Nachbarort abgesehen, fänden die Bürger des Südstaaten-Nests, das Donald Trump vor gut einem Jahr mit 87,1 Prozent eines der besten Wahlergebnisse in den USA bescherte, seine Initiative großartig. Er habe Fan-Post aus allen Teilen des Landes bekommen. „Heißt das, dass wir die Sklaverei gutheißen? Keinesfalls. Da sind schlimme Sachen passiert“, rechtfertigt er seinen Vorstoß. „Aber wir dürfen unsere Geschichte nicht vergessen.“ Es sei eine Schande, was in den großen Städten des Südens vor sich gehe. „Traurig, fürchterlich, traurig“ sei das angesichts der Gewalt, die Schwarze gegen Schwarze dort jeden Tag aneinander verübten, sagt er. „Stattdessen diskutieren wir über ein paar Steinstatuen, die wirklich niemandem etwas getan haben.“

    Kenneth Nail zieht aus der Schublade einen Magnum-Revolver

    Bürgermeister Nail spricht in Superlativen und Ausrufesätzen wie Donald Trump, der sich auf eine Koalition aus Landbevölkerung, weißen Evangelikalen, Nationalisten und Globalisierungsgegnern stützt. Von der Abtreibung über die Steuerreform bis zum Waffenrecht ist Nail hochzufrieden mit dem ersten Amtsjahr des Präsidenten. Natürlich trage auch er eine Waffe, verrät Nail, und zieht aus der Schublade eine verschlossene Flasche Whiskey und einen Magnum-Revolver. „Die Flasche bitte nicht auf das Foto“, sagt der Baptist, der Wähler nicht verschrecken will. Wenn er einen Rat an Trump habe, dann diesen: Twittern einstellen und nicht alles rechtfertigen.

    Wie sein Vorbild im Weißen Haus argumentiert der Bürgermeister gerne mit Anekdoten. Kürzlich, erzählt er, sei er in eben diesem traurigen, fürchterlichen Birmingham gewesen und habe dort das mit einem schwarzen Bretterkasten eingehüllte Konföderierten-Denkmal auf dem Linn Place gesehen. „Und wissen Sie was?“, fragt Nail empört. Da habe eine Gruppe Obdachloser herumgelungert, die nicht den Eindruck machten, als ob ihnen das Denkmal sonderlich wehtäte. „Ich würde morgen einen Lkw schicken und es abholen.“ Randall Woodfin, 36, wäre damit einverstanden. „Kein Problem, das können wir gerne so machen“, sagt der afroamerikanische Bürgermeister der Südstaaten-Metropole, die im Großraum knapp 1,2 Millionen Einwohner hat. Gerade erst ist er gewählt worden. Das Denkmal-Problem hat der Linkspolitiker von seinem Amtsvorgänger geerbt, einem eher traditionellen Demokraten, den er überraschend geschlagen hatte.

    Kenneth Nail ist 54, Bürgermeister der Kleinstadt Hanceville in Alabama und begeisterter Anhänger von Donald Trump.
    Kenneth Nail ist 54, Bürgermeister der Kleinstadt Hanceville in Alabama und begeisterter Anhänger von Donald Trump. Foto: Thomas Spang

    „Wir warten jetzt erst einmal ab, was der Richter sagt“, meint Woodfin zu dem emotional aufgeladenen Thema, das der Stadt einen Prozess eingebracht hat. Wenn dieses Denkmal Probleme wie in Charlottesville verursache, werde er es entfernen lassen. Trotz eines neuen Gesetzes des republikanisch regierten Bundesstaats Alabama, das Kommunen verbietet, Konföderierten-Monumente abzumontieren. „Wir dürfen keine Angst haben, das Richtige zu tun“, sagt der am Morehouse College ausgebildete Jurist. Das ist dieselbe schwarze Eliteschule in Atlanta, die einst Martin Luther King besucht hat.

    Fünfzig Jahre nach dessen Tod sei es nicht mehr akzeptabel, „so etwas direkt vor der Nase zu haben“, sagt Woodfin, dessen Büro nur einen Steinwurf von dem Denkmal entfernt liegt. Er weiß, dass die meisten dieser Monumente erst Jahrzehnte nach dem Bürgerkrieg während der Zeit der Restauration errichtet wurden. Als klares Signal an die schwarze Bevölkerung, das mit der Verschärfung der Rassentrennung einherging. Was Diskriminierung bedeutet, versteht der junge Hoffnungsträger aus eigener Erfahrung. Der Bürgermeister wuchs im armen Teil Birminghams in einer Arbeiterfamilie mit acht Personen aus vier Generationen auf.

    Randall Woodfin zieht andere Lehren aus der Geschichte

    Woodfin zieht andere Lehren aus der Geschichte wie der Trump-nahe Kollege im ländlichen Hanceville. Als Bürgermeister der Stadt, die in den 60er Jahren zu einem nationalen Symbol im Kampf gegen die Rassentrennung geworden ist, sieht er sich in der Tradition der Bürgerrechtsbewegung. Das Schüren ethnischer Konflikte sei keine Korrektur von zu viel politischer Korrektheit, sondern zynisches Kalkül.

    „Wir stehen an der Spitze des Widerstands gegen Trump“, sagt das junge Stadtoberhaupt, das einen Mangel an Anstand beklagt und politische Führung vermisst. Dies habe sich in Alabama bei der Unterstützung des Präsidenten für den Rechtsaußen-Kandidaten Roy Moore gezeigt.

    Der Senats-Bewerber stand nicht nur in dringendem Verdacht, als 30-jähriger Staatsanwalt mehrere minderjährige Mädchen sexuell belästigt oder missbraucht zu haben. Kurz vor den Wahlen äußerte der Republikaner die Ansicht, die letzte große Periode in der Geschichte der USA sei in der Zeit der Sklaverei gewesen. Das sei „eine großartige Zeit“ für Familien gewesen, in der das Land „eine Richtung“ hatte.

    Moore verlor im November knapp gegen einen Demokraten, der als Außenseiter angetreten war. „Wenn wir jemanden wie Doug Jones hier wählen können“, sagt Woodfin zu dem ersten Sieg eines Demokraten in Alabama seit Ende der Rassentrennung, „dann geht es überall in den USA.“ Erfolgreiche Opposition gegen Trump fange unten an. „Alle Politik ist lokal.“

    Randall Woodfin ist 36, Bürgermeister der Metropole Birmingham in Alabama und Trump-Gegner.
    Randall Woodfin ist 36, Bürgermeister der Metropole Birmingham in Alabama und Trump-Gegner. Foto: Thomas Spang

    Die Großstädte im Süden spielten dabei eine Schlüsselrolle. „Von Jackson, Mississippi über New Orleans, Louisiana bis hin zu Atlanta, Georgia haben wir überall neue progressive Bürgermeister, die sich als Repräsentanten ihrer Wähler verstehen.“ Sie könnten dort, wo sie direkte Kontrolle haben, für soziale Gerechtigkeit arbeiten.

    Das Geheimnis seines eigenen Erfolgs teilt Woodfin mit Trump und Barack Obama. In einem polarisierten Land, in dem oft nicht einmal die Hälfte der Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch macht, gewinnt, wer ein paar Prozent Nichtwähler motivieren kann. „Obama und Trump stehen für die zwei Amerikas“, sagt Woodfin. „Auf der einen Seite findet sich Hoffnung, auf der anderen Angst. Und egal, wo Sie stehen, können Sie damit Leute motivieren, wählen zu gehen, die normalerweise nicht auftauchen.“

    Den Demokraten fehlt ein charismatischer Kandidat

    Trump hat es im ersten Amtsjahr geschafft, seine Basis zusammenzuschweißen. Den Demokraten fehlt dagegen auf nationaler Ebene das charismatische Gegenstück. Woodfin lacht auf die Frage, ob er sich mal im Weißen Haus vorstellen könne. „Ich freue mich auf meine Aufgabe als Bürgermeister von Birmingham“, antwortet er ausweichend.

    So etwas Ähnliches sagt auch der Gemeindevorsteher von Hanceville. Als dem stolzen Mitglied der „Söhne der Konföderierten“ jemand die Idee antrug, für das Staatsparlament von Alabama zu kandidieren, betete der fromme Nail zu Gott. „Ich habe das Gefühl, an der richtigen Stelle zu sein“, sagt er jetzt bei einem Rundgang durch den Veteranenpark.

    Vor einem Jahr, am 20. Januar 2017, wurde Donald Trump als Präsident vereidigt. Heute ist sein Land tief gespalten.
    Vor einem Jahr, am 20. Januar 2017, wurde Donald Trump als Präsident vereidigt. Heute ist sein Land tief gespalten. Foto: Carolyn Kaster/AP/dpa

    Neben dem Denkmal aus dem Linn Park in Birmingham, mit einer Inschrift für den Präsidenten der Südstaaten, Jefferson Davis, kann er sich entlang des Ententeichs von Hanceville auch eine Statue für den schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King vorstellen. Von dem Kollegen in New Orleans habe er bis heute nichts gehört, schimpft Nail. „Ich finde das ziemlich respektlos.“ Wie er auch von den Bedenken schwarzer Bürgerrechtler und Politiker nicht viel hält, die in Frage stellen, welcher Geschichte mit den Konföderierten-Denkmälern eigentlich gedacht werden soll. „Die sollten nicht so vernagelt sein.“

    Zum Abschied drückt der Bürgermeister aus Hanceville seinen Besuchern einen Anstecker in die Hand. „Eine positive und progressive Gemeinde“ steht darauf. Nicht weniger als das verspricht Randall Woodfin für Birmingham. Doch beide meinen etwas anderes damit.

    Zwischen der Metropole und dem Dorf liegen nur ein paar Meilen, doch kulturell trennen Welten die beiden Amerikas. Nach einem Jahr Trump im Weißen Haus fühlt sich das Land so zerrissen an wie auf dem Höhepunkt der Vietnam- und Rassenunruhen Ende der 60er Jahre. Schwarz gegen Weiß, Arm gegen Reich, Religiöse gegen Säkulare, Protektionisten gegen Globalisierer, Nord gegen Süd. Wie ein Bürgerkrieg, in dem nicht geschossen wird.

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