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Türkei: Erdogan lässt Chefredakteur einer regierungskritischen Zeitung einsperren

Türkei

Erdogan lässt Chefredakteur einer regierungskritischen Zeitung einsperren

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    „Cumhuriyet“-Chef Can Dündar: Vom Präsidenten persönlich angezeigt.
    „Cumhuriyet“-Chef Can Dündar: Vom Präsidenten persönlich angezeigt. Foto: Vedat Arik/afp

    Nach der Verhaftung von zwei türkischen Journalisten kurz vor dem EU-Türkei-Gipfel an diesem Sonntag wird die Forderung nach mehr Druck aus Brüssel auf Ankara laut. Die EU müsse die Türkei zur Respektierung der Pressefreiheit drängen, verlangte der europäische Journalistenverband. Ob dies geschieht, ist aber unsicher: Die EU braucht die Türkei zur Senkung der Flüchtlingszahlen.

    Eine Kommissionssprecherin in Brüssel sagte am Freitag, die EU verfolge die „besorgniserregende Entwicklung“ der Journalisten-Verhaftungen in der Türkei sehr genau. Can Dündar, Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet, sowie der Hauptstadtkorrespondent Erdem Gül waren am Donnerstagabend wegen angeblichen Geheimnisverrats in Untersuchungshaft gesteckt worden.

    Präsident Erdogan hatte persönlich Strafanzeige gestellt

    Cumhuriyet hatte Fotos mutmaßlicher Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes MIT an syrische Rebellen veröffentlicht. Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich hatte daraufhin Strafanzeige gestellt. Inzwischen hat Erdogan angedeutet, dass es sich bei der MIT-Lieferung tatsächlich um Waffen gehandelt haben könnte. Die Kurdenpartei HDP warf der Regierung vor, sie wolle mit dem Vorgehen gegen die Journalisten eine Diskussion über die militärische Hilfe für Rebellen verhindern.

    Erdogan und die Behörden gehen seit dem vergangenen Jahr immer häufiger mit Strafanzeigen und Beleidigungsklagen gegen unliebsame Berichterstatter vor. Zudem wurden regierungskritische Medien unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt. Der kurdische Parlamentsabgeordnete Ertugrul Kürkcü sagte unserer Zeitung, die EU solle beim Gipfel auf die Durchsetzung ihrer eigenen Werte drängen. In der Türkei gebe es keine unabhängige Justiz mehr; vielmehr führten Richter und Staatsanwälte die Befehle von Regierung und Präsident aus.

    Ob das Vorgehen gegen die Medien die EU tatsächlich veranlassen wird, den türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu beim Gipfel am Sonntag ins Gebet zu nehmen, ist offen. Auf Wunsch der EU soll die Türkei ihre Grenzkontrollen und den Flüchtlingsstrom bremsen. Im Gegenzug könnte die EU den Visumszwang für Türken bei Reisen nach Europa abschaffen.

    Am Freitag starben vor der türkischen Küste sechs Kinder

    Die Zahl der Flüchtlinge, die über die Türkei nach Griechenland gelangen, war in den vergangenen Tagen stark gesunken. In türkischen Regierungskreisen hieß es dazu, neben dem schlechten Wetter könnte das Vorgehen gegen Schleuser auf türkischer Seite ein Grund sein. Die türkische Polizei hat demnach mehr als hundert Chefs von Schlepperbanden gefasst. Die Festnahmen hätten eine abschreckende Wirkung entfaltet.

    Trotzdem wagen auch weiterhin verzweifelte Flüchtlinge die gefährliche Überfahrt. Beim Untergang von zwei Flüchtlingsbooten vor der türkischen Ägäis-Küste starben am Freitag sechs Kinder.

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