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Holocaust: Fahnder wollen 50 ehemalige KZ-Aufseher vor Gericht bringen

Holocaust

Fahnder wollen 50 ehemalige KZ-Aufseher vor Gericht bringen

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    Das ehemalige KZ Auschwitz-Birkenau.
    Das ehemalige KZ Auschwitz-Birkenau. Foto: Leszek Szymanski, dpa

    Auch rund 68 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind viele Wunden noch nicht verheilt. Nun wollen deutsche Fahnder Dutzende mutmaßliche NS-Täter doch noch vor Gericht bringen. Gegen 50 frühere KZ-Aufseher des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau sollen in den kommenden Wochen Vorermittlungen eingeleitet werden, wie die Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Samstag) berichteten. Der Vorwurf der Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen gegen die etwa 90-Jährigen lautet auf Beihilfe zum Mord.

    Kurt Schrimm sieht sich durch Demjanjuk-Urteil bekräftigt

    Der Leiter der in Ludwigsburg bei Stuttgart ansässigen Behörde, Kurt Schrimm, hält Prozesse gegen die Verdächtigen für aussichtreich - auch wenn in einigen Fällen beispielsweise Zeugen fehlten, um eine direkte Tatbeteiligung nachzuweisen. Dem Bericht zufolge bestärkt ihn das Urteil gegen John Demjanjuk, der Wachmann im Lager Sobibor war und 2011 wegen Beihilfe zum Mord in 20 000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Das Landgericht München bezeichnete ihn damals als "Teil der Vernichtungsmaschinerie".

    Schrimm bezeichne das Urteil als eine Wende in der Rechtsprechung. Seitdem reiche "jede Tätigkeit in einem Konzentrationslager aus, um wegen der Beihilfe zum Mord zu verurteilen". Den Ermittlern lägen Namen und Angaben zu den über ganz Deutschland verteilten Wohnorten der Tatverdächtigen vor, sagte Schrimm, der die von allen Bundesländern finanzierte Behörde seit 2000 leitet.

    Auschwitz-Komitee: "Später, aber nicht zu spät"

    Der geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees ehemaliger Häftlinge, Christoph Heubner, schrieb in einer in Berlin verbreiteten Erklärung: "Jetzt erreicht sie hoffentlich doch noch eine Spur der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Es ist spät, aber noch nicht zu spät." Für die Überlebenden sei dies eine wichtige Nachricht. In dem Konzentrations- und Vernichtungslager waren mehr als eine Million Menschen ermordet worden.

    Der israelische Nazi-Jäger Efraim Zuroff sagte: "Wir sind hocherfreut, dass diese Fahndungen jetzt begonnen haben." Er sei allerdings Realist und erwarte nicht, dass alle 50 mutmaßlichen KZ-Aufseher aus Auschwitz wirklich vor Gericht gestellt werden, sagte der Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Israel der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag. "Wenn fünf bis zehn angeklagt werden, werde ich mich mitten in Berlin hinstellen und laut Hallelujah schreien."

    Fahndungsstelle darf selbst keine Anklage erheben

    Bei der 1958 gegründeten Fahndungsstelle war am Wochenende zunächst niemand für Nachfragen zu erreichen. Sie darf im Unterschied zu Staatsanwaltschaften keine Anklage erheben, sondern liefert das Material dazu. Laut dem Bericht hat sie bislang insgesamt 7485 Vorermittlungsverfahren geführt. Zuletzt hatte Schrimm im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa erklärt, dass die Behörde nach wie vor gut ausgelastet sei und eine Schließung aus seiner Sicht in den nächsten Jahren nicht in Betracht komme.

    Die Staatsanwälte durchforsten laut dem Bericht derzeit brasilianische Einwanderungsakten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, als zahlreiche Nazi-Schergen nach Südamerika geflohen waren. "In Brasilien stehen die Dinge nicht schlecht, noch weitere lebende Tatverdächtige zu entdecken", sagte Schrimm. dpa/AZ

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