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Kommentar: Flüchtlingskrise: Die Lage hat sich entspannt – aber gelöst ist nichts

Kommentar

Flüchtlingskrise: Die Lage hat sich entspannt – aber gelöst ist nichts

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    Im Jahr 2016 sind rund 155.000 Asylbewerber in Bayern angekommen - nach 759.000 im Jahr zuvor.
    Im Jahr 2016 sind rund 155.000 Asylbewerber in Bayern angekommen - nach 759.000 im Jahr zuvor. Foto: Uli Deck (dpa)

    Die jüngere Geschichte der Republik kennt eine Vielzahl großer, leidenschaftlich ausgetragener politischer Kontroversen. Doch kein Thema hat die Menschen so sehr bewegt und die Gesellschaft so sehr polarisiert wie die Flüchtlingskrise. Die Völkerwanderung in Richtung Europa wird uns auch im Wahljahr 2017 in Atem halten, das Land auf Jahrzehnte hinaus umtreiben und auch verändern – sei es zum Guten (wenn die Integration gelingt); sei es zum Schlechten, wenn viele der Einwanderer aus einem islamisch geprägten Kulturkreis Fremde bleiben sollten und die Spaltung der Gesellschaft zum Dauerzustand wird.

    Das historische Experiment einer den Deutschen von oben herab verordneten Massenzuwanderung birgt sowohl langfristige Chancen als auch eminente, bereits akute Risiken. Wie das alles eines Tages endet, ist ungewiss. Es hängt in hohem Maße davon ab, ob die Regierenden zu jener Weitsicht und jenem Realitätssinn fähig sind, die sie 2015 im Überschwang der „Willkommenskultur“ vermissen ließen.

    Probleme der Flüchtlingskrise sind nicht gelöst

    Deutschlands Behörden haben es mit Hilfe vieler ehrenamtlicher Helfer geschafft, eine Million Menschen binnen kurzem unterzubringen und zu versorgen. Das ist eine famose, weltweit bewunderte Leistung, die von großer Hilfsbereitschaft zeugt und – nebenbei gesagt – sehr viel Geld erfordert, das an anderer Stelle fehlt. Und weil der Zustrom dank der Schließung der „Balkanroute“ und der Bestellung Erdogans zum EU-Grenzwächter stark nachgelassen hat und heuer wohl „nur“ noch mit rund 300 000 Neuankömmlingen zu rechnen ist, hat sich die Lage entspannt. Der Staat bekommt die Dinge langsam in den Griff.

    Doch gelöst ist damit nichts. Mehr als ein erster kleiner Schritt ist nicht getan, um diese immense Herausforderung zu meistern. Die Probleme, die von einer sehr großen Koalition lange verniedlicht wurden, kommen jetzt in voller Schärfe zum Vorschein. Die Integration in den Arbeitsmarkt geht trotz boomender Konjunktur nur schleppend voran – die meisten Flüchtlinge werden erst einmal von Sozialhilfe leben. Deutschland ist unsicherer geworden, weil über die offenen Grenzen auch Islamisten und Kriminelle gekommen sind und die Identität Zehntausender unbekannt ist.

    Der Massenmörder von Berlin war schon da. Aber sein Fall zeigt auch, wie das liberale, nur für Verfolgte gedachte Asylrecht missbraucht wird und wie schwer sich der Staat tut, straffällige oder nach viel zu langen Verfahren abgelehnte Asylbewerber aus dem Land zu befördern. Und wie steht es überhaupt, um nur ein weiteres Problem zu nennen, um die Bereitschaft dieser Gesellschaft, ihre Regeln durchzusetzen und die Verfestigung von Parallelgesellschaften zu verhindern? Ein Gesamtkonzept, das solche Fragen beantworten und Wege für eine legale Einwanderung aufzeigen müsste, gibt es bis heute nicht.

    Der hohe Preis für Merkels Entscheidung

    Angela Merkel hat die Grenzen aus humanitären Motiven öffnen lassen und dann, das war ihr entscheidender Fehler, die Dinge zu lange laufen lassen – um den hohen doppelten Preis einer gesellschaftspolitischen Spaltung des Landes und des Aufstiegs rechtspopulistischer Kräfte. Sie wird dafür bei der Wahl 2017 geradestehen und bis dahin versuchen, das Vertrauen vieler Bürger mit einer gründlich korrigierten, härteren Asyl- und Sicherheitspolitik zurückzugewinnen. Es ist ja nicht so, dass wir es nicht „schaffen“ könnten. Aber dazu bedarf es einer Politik, die Einwanderung steuert und begrenzt, die Grenzen unter Kontrolle hat und neben der humanitären Verpflichtung die Integrationskraft des Landes im Auge behält. Das ist auch die zwingende Voraussetzung dafür, um die Gesellschaft wieder mehr zusammenführen zu können.

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