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Kommentar zur Burka-Debatte: Gesicht zeigen!

Kommentar zur Burka-Debatte

Gesicht zeigen!

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    Mit ihrem Vorschlag, das Tragen einer Burka zu verbieten, hat Julia Klöckner in ein politisches Wespennest gestochen. Obwohl die Zahl der Frauen, die sich vom Kopf bis zu den Zehen verhüllen, in Deutschland bisher verschwindend gering ist, surrt es im Schwarm der politisch Korrekten nur so vor Entrüstung und falsch verstandener Toleranz. Einer von ihnen, der grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, verteidigt die Burka gar als Garantin einer bescheidenen Freiheit in einem unfreien Milieu: Mit ihr, argumentiert er, könnten einige Frauen das Haus wenigstens noch verlassen. Bei einem Burka-Verbot würden sie von ihren Männern vermutlich ganz weggesperrt.

    Was für eine zynische Logik! Natürlich ist die Burka nicht nur ein Kleidungsstück wie jedes andere, sondern auch ein Symbol. Sie symbolisiert ein mittelalterliches Rollenverständnis, in dem die Frau weitgehend entrechtet ist, anstatt gleichberechtigt zu sein, und wie ihr arabisches Pendant, der Nikab, ist auch sie in den aufgeklärten Ländern des Westens zu einem Synonym für Abschottung und fehlende Integrationsbereitschaft geworden. In einer offenen Gesellschaft zu leben, heißt ja auch, Gesicht zu zeigen – buchstäblich.

    Burka: textiles Bekenntnis zum Islam?

    Im Islam sind viele gläubige Frauen mit Schleiern verhüllt. Die Burka ist nur die bekannteste Form der Verschleierung. Es gibt auch Nikab, Hidschab und Tschador. Ein Überblick.
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    Im Islam sind viele gläubige Frauen mit Schleiern verhüllt. Die Burka ist nur die bekannteste Form der Verschleierung. Es gibt auch Nikab, Hidschab und Tschador. Ein Überblick.

    Das immer wieder bemühte Argument, Burka und Nikab seien eine Art textiles Bekenntnis zum Islam und schon deshalb durch die im Grundgesetz verbriefte Religionsfreiheit geschützt, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Juli eindrucksvoll entkräftet, als er das französische Burka-Verbot aus dem Jahr 2011 für rechtens erklärte. Tatsächlich verlangt der Koran von den Frauen ja nicht, ihr Gesicht vollständig zu verschleiern, er fordert sie nach der gängigen Auslegung lediglich dazu auf, ihr Haar zu bedecken und sich so zu kleiden, dass ihre Körperformen nicht betont werden.

    Der Nikab, zum Beispiel, wurde in vorislamischer Zeit von Männern wie Frauen getragen, um ihr Gesicht vor Sonne und Sand zu schützen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde er im Osmanischen Reich von Sultan Abdülhamid II zweckentfremdet – als Ausdruck eines neuen politisch-religiösen Selbstbewusstseins, das sich jedem westlichen Einfluss entzieht. Auch in Afghanistan waren es erst die Taliban, die alle Frauen zum Tragen einer Burka zwangen.

    Frauen tragen die Burka meist nicht freiwillig

    Das ist ein Burkini

    Ein Burkini ist ein Badeanzug für muslimische Frauen. Bis auf Gesicht, Hände und Füße sind alle Körperpartien bedeckt.

    Das Kunstwort setzt sich aus den Begriffen Burka und Bikini zusammen.

    Jeder Burkini hat auch eine integrierte Kopfbedeckung, an der ein Kopftuch angenäht ist. Sie erinnert an die Haube der Eisschnellläufer.

    Burkinis ähneln Taucheranzügen. Sie sind aber nicht einteilig, sondern bestehen aus mehreren wassertauglichen Kleidungsstücken.

    Die meisten Burkinis sind weit geschnitten.

    Selbst wenn die Schwimmerin aus dem Wasser steigt, klebt der Stoff nicht am Körper. So werden keine weiblichen Rundungen sichtbar.

    Dafür sorgt das Material. Weite, mehrteilige Burkinis bestehen meist aus Polyester. Es saugt sich nicht mit Wasser voll.

    Es gibt aber auch eng anliegende Burkinis, die wie herkömmliche Bademode aus Elastan bestehen und Wasser aufnehmen.

    Sehr bekannt ist der Burkini, den die libanesischstämmige Australierin Aheda Zanetti 2003 erfunden hat, in Deutschland noch nicht.

    In Schaufenstern von Sportgeschäften ist er kaum zu finden. Wer einen Burkini kaufen möchte, muss im Internet auf die Suche gehen.

    Dass es in Deutschland anders als in Frankreich, in Belgien oder im Schweizer Kanton Tessin auf absehbare Zeit kein Verhüllungsverbot geben wird, weiß auch Julia Klöckner – dazu ist die öffentliche Betroffenheit viel zu gering und der Widerstand in der Politik viel zu groß. Doch selbst wenn die stellvertretende CDU-Vorsitzende bei ihrem Vorstoß auch ein wenig an ihr Wahlergebnis beim Parteitag in der nächsten Woche in Köln gedacht haben mag: Nur weil islamische Fundamentalisten aus einigen Stellen im Koran eine gottgewollte Verschleierungspflicht herauslesen wollen, muss ein freiheitlich verfasstes Land wie die Bundesrepublik diese Demonstration der Ungleichheit noch lange nicht tolerieren.

    In den wenigsten Fällen, darf man annehmen, tragen muslimische Frauen in Deutschland heute eine Burka, weil sie es wollen. In den allermeisten werden sie es müssen, weil ihre Männer es ihnen befehlen oder ein Imam es ihnen predigt.

    Diskussion über den Umgang mit dem fanatischen Islam in Deutschland

    So gesehen ist die Diskussion über die Burka auch eine Diskussion über den Umgang mit dem fanatischen Islam in Deutschland. Dass vollverschleierte Frauen häufig dort anzutreffen sind, wo Salafisten wie der rheinische Konvertit Pierre Vogel auftreten, ist vermutlich kein Zufall. Hier sammelt sich eine radikalisierte Minderheit, die Integration nicht als Bringschuld versteht und sich in einer Parallelwelt eingerichtet hat, in der junge Muslime wie selbstverständlich für den Islamischen Staat in den Krieg ziehen und selbst ernannte Scharia-Polizisten durch einige Ruhrgebietsstädte patrouillieren, als seien sie in Saudi-Arabien oder im Jemen.

    Verglichen damit sind ein paar hundert Frauen, die eine Burka tragen, sicherlich nicht das größte Problem der deutschen Innenpolitik. Jener Islamismus jedoch, für den sie beziehungsweise ihre Männer stehen, ist es sehr wohl. Er nutzt die Toleranz anderer, um die eigene Intoleranz zu manifestieren.

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