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Flüchtlinge: Grenzschützer fühlen sich machtlos

Flüchtlinge

Grenzschützer fühlen sich machtlos

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    Ein Polizist an der deutsch-österreichischen Grenze zwischen Simbach am Inn und dem österreichischen Braunau: Die Grenzschützer fühlen sich machtlos.
    Ein Polizist an der deutsch-österreichischen Grenze zwischen Simbach am Inn und dem österreichischen Braunau: Die Grenzschützer fühlen sich machtlos. Foto: Armin Weigel

    Der Brief ist schon knapp drei Wochen alt, aber er hat deshalb nichts von seiner Brisanz verloren. Auf etwas mehr als drei Seiten erklärt die Gewerkschaft der Polizei darin der „sehr geehrten Frau Dr. Merkel“ ausführlich, wie machtlos sich die Grenzschützer der Bundespolizei mittlerweile fühlen, dass bestenfalls 30 Prozent der Flüchtlinge, die über Österreich nach Deutschland einreisen, ihre Papiere dabei haben und dass im politischen Management der Krise die Sicherheit des Landes offenbar völlig außer acht gelassen wird. Jörg Radek, der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, hat dafür auch schon ein aufrüttelndes Adjektiv gefunden: „Staatsgefährdend.“

    Bundespolizei kontrolliert nur zehn Prozent aller Flüchtlinge

    Geantwortet hat die Kanzlerin ihm bislang nicht. „Uns treibt die Sorge um“, sagt Radek im Gespräch mit unserer Zeitung, „dass wir nicht ausreichend kontrollieren.“ Zwar habe sich die Lage in den vergangenen Tagen etwas entspannt, weil wegen der schweren See zwischen Griechenland und der Türkei weniger Flüchtlinge gekommen seien – in dem Moment jedoch, in dem die Zahlen wieder steigen, werde Deutschland die gleichen Probleme bekommen wie zuletzt: In hunderttausenden von Fällen erfahre die zuständige Grenzpolizei nicht, „wer unter welchem Namen und aus welchem Grund einreist“. Nach Schätzungen der Gewerkschaft hat sie lediglich zehn Prozent der Flüchtlinge kontrolliert, die bisher gekommen sind. Dabei müsse das eine das andere nicht ausschließen, findet Radek: „Offene Grenzen und gleichzeitige Kontrollen sind kein Widerspruch.“ Nur so könnten die Beamten Schleusern, Terroristen oder Delikten aus der Organisierten Kriminalität auf die Spur kommen.

    „Die Bundespolizei ist gegenwärtig nicht in der Lage, den ihr obliegenden Auftrag der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an der deutsch-österreichischen Grenze in der gesetzlich gebotenen Weise wahrzunehmen“, warnt der 55-Jährige in seinem Brief an Angela Merkel, der unserer Redaktion vorliegt. Oftmals seien die Identitäten von Flüchtlingen überdies „falsch oder frei erfunden“. In dieses Bild passen auch Informationen der Welt am Sonntag, nach denen der Islamische Staat in Syrien, im Irak und in Libyen ganze Gemeindeämter „übernommen“ und dabei Zehntausende von Passdokumenten erbeutet hat, darunter offenbar jede Menge Blanko-Pässe und Maschinen zur Herstellung von Ausweisen. Die Innenpolitiker der Koalition und die Grenzschützer der EU-Behörde Frontex befürchten nun, dass der IS Kämpfer mit diesen Pässen nach Deutschland einschleusen könnte. Mindestens zwei der Attentäter von Paris hatten sich in Griechenland als Flüchtlinge registrieren lassen – mit Pässen, die eine IS-Miliz im syrischen Rakka gestohlen hatte.

    Syrer sollen wieder genauer kontrolliert werden

    Gefälschte Personalpapiere könne man mit etwas Glück und Geschick erkennen, sagt auch der Polizist Radek. Bei einem gestohlenen und professionell „nachbearbeiteten“ Blanko-Pass aber werde das schon „sehr, sehr schwierig“. Umso wichtiger wäre seiner Auffassung nach ein bilaterales Abkommen, das Österreich verpflichtet, nur noch die Flüchtlinge nach Deutschland weiterreisen zu lassen, deren Identität auch zweifelsfrei geklärt ist. Im Moment mache die Bundespolizei von ihrem Recht, jemandem die Einreise zu verweigern oder ihn wieder zurückzuschicken nur „aus politischen Gründen“, keinen Gebrauch.

    Innenminister Thomas de Maizière und seine Kollegen aus den Bundesländern haben zwar bereits Anfang Dezember angekündigt, dass sie auch die Flüchtlinge aus Syrien wieder genauer überprüfen wollen – und zwar „unverzüglich“. Wann das zuständige Bundesamt jedoch die gegenwärtige Praxis der vereinfachten Anerkennung stoppt und sich wieder Einzelfall für Einzelfall vornimmt, ist allerdings noch immer unklar.

    „Zeitnah“ werde das erfolgen, beteuert ein Ministeriumssprecher, und dass natürlich niemand ausschließen könne, dass unter den Flüchtlingen auch Terroristen mit gefälschten oder gestohlenen Papieren nach Deutschland kämen. Andererseits hätten 70 Prozent der Zugewanderten überhaupt keine Dokumente dabeigehabt, rechnet Gewerkschafter Radek vor. „Da macht sich der, der einen Pass hat, schon fast verdächtig.“

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