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Energiewende: Gutachter rügen schwere Mängel bei der Energiewende

Energiewende

Gutachter rügen schwere Mängel bei der Energiewende

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    Auch wenn der Ausbau von Windkraft gut vorankommt: Bei der Energiewende muss von der Bundesregierung noch einiges getan werden.
    Auch wenn der Ausbau von Windkraft gut vorankommt: Bei der Energiewende muss von der Bundesregierung noch einiges getan werden. Foto: Roland Weihrauch/Symbol dpa

    Die Energiewende kommt nur schleppend voran. Vor allem in puncto Versorgungssicherheit und Energieeffizienz haben die Berater der Bundesregierung großen Nachholbedarf festgestellt. Heute präsentieren die Experten ihr erstes Zwischenzeugnis. Es wird eher mäßig ausfallen.

    „In einigen Kategorien steht die Ampel schon auf Grün, in anderen ist sie aber noch tiefrot“, sagte Georg Erdmann im Gespräch mit unserer Zeitung. Er ist Professor an der Technischen Universität Berlin und einer der vier Wissenschaftler, die das Projekt für die Bundesregierung überwachen.

    Erneuerbare Energien werden ausgebaut, aber es muss noch mehr Energie gespart werden

    Der Ausbau erneuerbarer Energien wie Photovoltaik oder Windkraft läuft zwar besser als erwartet. Zudem werden immer weniger klimaschädliche Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen. Hier hat sich die schwarz-gelbe Koalition nach Ansicht der Fachleute gute Noten verdient.

    Nachsitzen müssen die zuständigen Minister Philipp Rösler (Wirtschaft), Peter Altmaier (Umwelt) und Peter Ramsauer (Bau) allerdings in den Fächern Energiesparen und Sichere Stromversorgung.

    Ausbau der Stromnetze muss vorangetrieben werden

    „Es ist kein gutes Zeichen, wenn im Süden der Republik viele Menschen Blackouts fürchten und darüber nachdenken, ihren Strom selbst zu erzeugen“, sagte Erdmann. Hintergrund: Der dringend nötige Ausbau der Stromnetze, die beispielsweise Windstrom von der Küste im Norden nach Bayern bringen sollen, ist ins Stocken geraten.

    Große Stromausfälle in Deutschland

    Juli 2011 - Ganz Hannover und mehrere Gemeinden im Umland liegen nach Ausfällen in einem Kohlekraftwerk und in einem Umspannwerk komplett im Dunkeln. Fast 600 000 Menschen und etliche Industriebetriebe sind von dem Stromausfall betroffen. Nach rund zwei Stunden ist die Versorgung wieder hergestellt.

    Januar 2007 - Der Orkan "Kyrill" reißt zahllose Stromleitungen ab und verursacht dadurch auch in einigen Regionen Deutschlands tagelange Stromausfälle.

    November 2006 - Mehrere Pannen im deutschen Stromnetz sorgen dafür, dass in Millionen Haushalten in Westeuropa die Lichter ausgehen. In Deutschland sitzen weit über eine Million Menschen in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen im Dunkeln.

    November 2005 - Nach einem heftigen Wintereinbruch knicken mehr als 80 Strommasten im Münsterland um. Zeitweise sind mehr als 250 000 Menschen von der Versorgung abgeschnitten, Tausende sitzen tagelang im Dunkeln.

    November 2004 - Nach einer Explosion in einem Frankfurter Umspannwerk sind rund 45 000 Menschen bis zu zehn Stunden lang ohne Strom, auch der Frankfurter Flughafen ist betroffen.

    September 2004 - In Rheinland-Pfalz sind rund 540 000 Menschen betroffen. Die Stromversorgung fällt in manchen Gebieten mehr als drei Stunden aus. Der «Blackout» wirkt sich auch in Luxemburg aus.

    Dezember 2003 - In Gütersloh verursacht ein Sabotageakt einen Stromausfall, der sich auf rund 300 000 Menschen auswirkt.

    Februar 2019 - Im Berliner Stadtgebiet kommt es 2019 zum größten Stromausfall in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg. Bei Bauarbeiten werden zwei 110-Kilovolt-Stromkabel durchtrennt, wodurch es zu einem großflächigen Stromausfall in Köpenick. Erst etwa 31 Stunden später, ist der Strom wieder verfügbar.

    Doch das ist nicht die einzige offene Baustelle. Noch immer werde auch zu viel Energie verschwendet, sagt Erdmann. Dafür macht er allerdings nicht allein die Bundesregierung, sondern auch die Opposition verantwortlich.

    Ein Bonus für Gebäudesanierung scheiterte im Bundesrat

    Schwarz-Gelb wollte Bürger, die ältere Gebäude energetisch sanieren, mit einem Steuerbonus belohnen. Nach einem Streit um die Finanzierung scheiterten die Pläne allerdings in der vergangenen Woche an den rot-grün regierten Ländern im Bundesrat. Umweltpolitiker wie der  Augsburger CSU-Abgeordnete Christian Ruck sprachen von „parteipolitischen Machtspielchen“.

    Grundsätzlich hat nämlich auch die Opposition erkannt, dass die Ziele ohne eine effizientere Stromnutzung nicht zu erreichen sind. Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Hans-Josef Fell, fordert deshalb einen Effizienzfonds, um Gebäudesanierungen finanziell fördern zu können.

    Vor allem Philipp Rösler in der Kritik

    „Derzeit liegt die Sanierungsquote von Altbauten bei gerade mal 0,8 Prozent jährlich. Das ist viel zu wenig“, sagte Fell unserer Zeitung. Der Staat müsse mehr Anreize schaffen. Das Geld dafür würde der Grünen-Politiker an anderer Stelle einsparen: zum Beispiel durch den Abbau von Subventionen für Kohlekraftwerke.

    Dass der Umbau der Energieversorgung in Deutschland zum Teil eher zögerlich vorangetrieben wird, hat für Fell einen einfachen Grund: „Große Teile der Bundesregierung wollen diese Energiewende einfach nicht.“ Seine Kritik zielt vor allem auf Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP) ab. Dessen Haus wollte sich gestern auf Anfrage nicht zum Gutachten der Regierungsberater äußern.

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