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Interview mit Eckart Lohse: Guttenberg-Biograf: Minister wäre auch ohne Affäre gescheitert

Interview mit Eckart Lohse

Guttenberg-Biograf: Minister wäre auch ohne Affäre gescheitert

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    Karl-Theodor zu Guttenberg
    Karl-Theodor zu Guttenberg Foto: dpa

    Eckart Lohse leitet das Berliner Büro der Politikredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Zusammen mit seinem Kollegen Markus Wehner hat er die Biografie „Guttenberg“ verfasst. Unsere Zeitung hat sich mit ihm über den Aufstieg und den Fall des Politikers unterhalten.

    Am letzten Februartag hatten Sie die Biografie über Guttenberg vorgestellt. Einen Tag danach hat dieser alle Ämter niedergelegt. Ärgert Sie das?

    Lohse: Nein, da es dem Buch genutzt hat und nicht geschadet, müssen wir uns als Buchautoren nicht ärgern. Wir stehen in den Verkaufslisten sehr gut da. Aber zugegeben: Etwas nervös waren wir doch, als die Plagiatsaffäre begann.

    Lassen Sie uns über das Phänomen Guttenberg reden. Wie konnte es sein, dass ein eher junger Mann in kürzester Zeit so erfolgreich und beliebt wurde?

    Lohse: Ich denke, es war ein Moment, wo viel zusammenkam. Für die Öffentlichkeit und die Medien ist nach den bewegten rot-grünen Jahren mit der Großen Koalition eine große Ruhephase eingetreten; auf die impulsiven Charaktere Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Otto Schily folgte eine gewisse Langeweile. Das Bedürfnis nach mehr Leben in der politischen Landschaft war groß. In genau dem Moment kam mit Guttenberg und seiner Frau ein Paar, das dieses Bedürfnis bedient hat: mit ihrer Herkunft, ihrer Optik, mit einem Schloss. Dazu kommt, dass Guttenberg den Eindruck erweckte, man könne durchregieren.

    Durchregieren?

    Lohse: Denken Sie an die Bundeswehrreform: Zwischen den ersten Gedanken über eine Abschaffung der Wehrpflicht und dem Einzug der letzten Wehrpflichtigen sind lediglich sieben Monate vergangen. Und das in einer Zeit, in der das Land seit zehn Jahren über Hartz IV redet.

    Viele sehen die Bundeswehrreform als seinen großen Erfolg an.

    Lohse: Die Bundeswehrreform ist sicher eine weitreichende Grundsatzentscheidung. Aber es gibt ein Problem: Wir wissen bis heute nicht, ob die Reform funktioniert.

    Wie sieht Ihre Bilanz von ihm aus?

    Lohse: Es gibt sicher viele Politiker, die in vier oder acht Ministerjahren weniger hinbekommen. Aber Guttenbergs Handeln hatte auch einen Preis. Ein Beispiel: Zwar hat er als Erster gesagt, dass in Afghanistan „Krieg“ herrsche. Damit hat er aber auch seinen Vorgängern und der Kanzlerin gezeigt, dass sie nicht mutig genug waren, dies auszusprechen. Sein Handeln ging auf Kosten anderer. Auch wie er mit seinen Leuten im Ministerium umging, war teils grenzwertig. Man denke an die Kundus-Affäre: Erst hat er sich hinter seine Mitarbeiter gestellt, dann diese sehr schnell fallen gelassen.

    Großer Ehrgeiz, persönliche Schwächen – ist er daran gescheitert?

    Lohse: Zumindest hat er immer auf Effekte gesetzt. Alles musste spektakulär sein. Im Unspektakulären – beispielsweise in der Durchsetzung der Bundeswehrreform – haben wir ihn nie erlebt. Ich denke, dieses Blitzschnelle, dieses Steigenlassen von Raketen, ohne zu wissen, wo diese hingehen, hätte auf Dauer nicht getragen. Die Plagiatsaffäre war am Ende nur ein letzter Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die Idee, alles an ihm wäre großartig gewesen, wenn er nur den Fehler mit der Dissertation nicht gemacht hätte, greift zu kurz.

    Ein großer Teil Ihres Buches handelt von Guttenbergs adeliger Herkunft. Warum ist diese so wichtig?

    Lohse: Guttenberg hat mit seiner Herkunft und seinem Reichtum eine Sehnsucht nach Überparteilichkeit bedient. „Der müsste doch gar nicht Politik machen!“, haben sich viele gesagt. Dazu kommt etwas Banales: Unsere Politiker taugen normalerweise nicht für Star-und-Sternchen-Magazine. Ein Politik-Paar, das ständig in der Yellow Press erschien, hatte es vorher nicht gegeben. Über die Guttenbergs dagegen konnte man sagen: „Ja, die wollen wir sehen, die sehen auch noch gut aus!“

    Sie schreiben, Guttenberg sei der Vertreter eines neuen Typs an Politikern.

    Lohse: Kennzeichnend ist die Methode, sich auf Kosten der eigenen Reihen zu profilieren, auch wenn diese nicht ganz neu ist: Gerhard Schröder hat sich während seines Aufstiegs mehrfach gegen die eigene Partei profiliert, Norbert Röttgen mit seinem Atomkurs gegen die Regierung. Ursula von der Leyen hat Teile ihres Kabinetts mit ihrer Familienpolitik gehörig geschockt.

    Haben Sie denn Guttenberg persönlich kennengelernt?

    Lohse: Ja, im Berliner Politikbetrieb hatte ich als Journalist mit ihm als Verteidigungs- und Unionspolitiker zwangsläufig zu tun. Wir haben ihn auch mehrfach persönlich gesprochen und begleitet.

    Im neuen Vorwort sagen Sie, die Plagiatsaffäre hat gezeigt, dass der Verdacht, dass es hier einen „begabten Blender“, ja „Betrüger“ gibt, begründet war. Ist das nicht hart?

    Lohse: Sicher, aber kritische Punkte an seinem Charakter waren uns schon aufgefallen, als wir das Buch schrieben. Jetzt, da herauskam, dass er seine Doktorarbeit über Jahre abgeschrieben und kopiert hat, ist unser Urteil härter geworden, auch angesichts seines Umgangs mit den Plagiatsvorwürfen. Er hat ja zuerst abgewiegelt und gesagt, das sei abstrus, um dies im Laufe weniger Tage ins Gegenteil zu kehren.

    Die Plagiatsaffäre hat das Land hoch emotionalisiert und tief gespalten. Die Leute lehnen Guttenberg scharf ab oder sie lieben ihn. Warum?

    Lohse: Guttenberg hatte eine außergewöhnliche Beliebtheit. Das heißt, es muss eine sehr starke emotionale Bindung vieler Leute an ihn gegebenen haben. Mit der Plagiatsaffäre erschien Guttenberg schlagartig in einem anderen Licht. Aber Menschen lösen sich in der Regel nicht so schnell von ihrer Zuneigung. Dies erklärt die Heftigkeit, mit der diese Debatte geführt wurde.

    Wird dem Land das eines Tages peinlich sein?

    Lohse: Ich denke, dass viele Leute mit zeitlichem Abstand merken werden, dass hier mehr passiert ist, als dass lediglich jemand seine Doktorarbeit zusammenkopiert hat. Es handelt sich eben nicht nur um eine Jugendsünde: Guttenberg war zur Zeit der Promotion Bundestagsabgeordneter und hat über Gesetze bestimmt, er war ein erwachsener Mann. Es geht also nicht nur um Abschreiben, sondern auch um charakterliche Dispositionen.

    War der Umgang der Medien mit dem Phänomen Guttenberg sachgerecht?

    Lohse: Viele Medien haben den Hype lange mitgemacht. Führend war sicherlich Bild; die Zeitung hat aber nie einen Hehl daraus gemacht. Ich hoffe, dass Journalisten bei Phänomenen dieser Art in Zukunft genauer hinsehen.

    Eine letzte Frage: Kommt Guttenberg denn in die Politik zurück?

    Lohse: Offen gesagt: Ich weiß es nicht. Er braucht sicher Zeit, um sich selbst zu sortieren. Dann müsste er sich auch etwas ändern und den Fuß vom Gas herunternehmen. Er ist aber von Beruf Politiker. Ich kann mir vorstellen, dass es für ihn verlockend ist zurückzukehren. Letztlich stellt sich aber die Frage, ob seine Partei weiter auf ihn baut.

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