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Kommentar: Guttenberg ist raus, für immer

Kommentar

Guttenberg ist raus, für immer

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    Karl-Theodor zu Guttenberg steht nicht nur im politischen Abseits. Sein Lavieren warf auch einen Schatten auf das, was sich in diesem Land bürgerlich und konservativ nennt.
    Karl-Theodor zu Guttenberg steht nicht nur im politischen Abseits. Sein Lavieren warf auch einen Schatten auf das, was sich in diesem Land bürgerlich und konservativ nennt. Foto: dpa

    "Wenn Du unten liegst, steh auf! Es wird schon irgendwie weiter gehn!" Als am Nockherberg das Double von Karl-Theodor zu Guttenberg sein Singspiel mit diesen Sätzen beendet hatte, bebte der Festsaal. Zu diesem Zeitpunkt waren sich viele sicher: Der ehemalige Hoffnungsträger wird eines Tages wieder auf die Politbühne zurückkehren. Doch dazu wird es nicht mehr kommen. Guttenbergs politische Laufbahn muss für immer beendet sein. Der jetzt veröffentlichte Abschlussbericht der Uni Bayreuth ist dabei nicht entscheidend. Das Aus als Politiker steht schon lange fest.

    Und daran ist der Baron selbst schuld. Nicht, weil er abgeschrieben hat, sondern weil er gewartet hatte, dies zuzugeben und die volle Schuld noch immer von sich weist. Damit beging Guttenberg den Kardinalfehler der Krisenkommunikation: Er sprach nicht die Wahrheit. Hätte er von Anfang an alles zugegeben, sich entschuldigt und seinen Platz so schnell geräumt wie den des Kommandanten der Gorch Fock, so wäre Guttenberg wohl ein bis zwei Jahre später strahlend und noch glänzender auf die politische Bühne zurückgekehrt. Als Geläuterter. Denn nichts lieben die Menschen mehr, als zu vergeben. Eine zweite Chance bekommt in diesem Land fast jeder.

    Der Lack ist ab

    Dazu nötig ist jedoch die öffentliche Entschuldigung; und zwar eine glaubhafte und umfassende. Doch genau das Gegenteil passierte. Guttenberg nannte die Vorwürfe in der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit zuerst "abstrus", dann ließ er in gönnerhafter Gutsherrenmentalität seinen Titel "vorerst ruhen", bevor er deutlich gezeichnet "schwere Fehler" einräumte. Und selbst danach beteuerte er immer und immer wieder, nicht mit Absicht betrogen oder getäuscht zu haben. Schadensbegrenzung sieht anders aus. Den traurigen Höhepunkt bildete Guttenbergs selbstgerechte Abschiedsrede. Ein solches Lavieren, nach einem solchen Skandal, werden wohl selbst seine Fans ihm kaum noch verzeihen.

    Dabei hatte alles so glanzvoll begonnen. Der Freiherr zu Guttenberg mit der gegelten Frisur und den perfekt sitzenden Anzügen schien der ansonsten spröden und blassen deutschen Politik endlich wieder Glanz zu verleihen. Er befeuerte monarchische wie bürgerliche Sehnsüchte, wandte sich energisch gegen eine staatliche Rettung des Opel-Konzerns und enttabuisierte in der deutschen Sprache die Begriffe "Krieg" und "Gefallener". Nicht zuletzt damit schürte er eine romantisch verklärte Sehnsucht nach Anständigkeit, Adel und Bestand. Eine Sehnsucht, die angesichts des Hypes um die Hochzeit von Kate Middleton und Prinz William durchaus besteht. Karl-Theodor und seine Stephanie. Es war zu schön, um wahr zu sein.

    Guttenberg ist adelig und nicht bürgerlich

    Doch nicht nur Guttenberg ist gescheitert. Sein Fehlverhalten warf einen Schatten auf das, was sich bürgerlich-konservativ in diesem Land nennt. Und so tönte es während Guttenbergs Fall aus den Feuilletons und Kommentaren vieler Redaktionen, dass ein Bürgerlicher seine bürgerlichen Werte verraten hätte. Dies war nicht der Fall. Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg ist Adeliger. Das Gegenteil eines Bürgerlichen. Einige Teile des Adels nahmen es seit jeher nicht so ganz genau mit den Regeln, die sie ihren Bürgern gaben. Daran weckt der Fall Guttenberg Erinnerungen. Und so verhöhnte der Baron das Leistungsprinzip und missachtete als Adeliger die Werte des Bildungsbürgertums, als dessen Hoffnungsträger er angetreten war.

    Politisches Trümmerfeld hinterlassen

    Karl-Theodor zu Guttenberg ist für seinen kometenhaften Abstieg selbst verantwortlich. Er hat es verpasst, mit erhobenem Haupte die Bühne zu verlassen und sich für immer ins Abseits gestellt. Doch damit nicht genug. Der fränkische Baron hinterlässt ein politisches Trümmerfeld: Die CSU ist ihres Superstars beraubt und steht angesichts ihrer wochenlang aufrechterhaltenen Nibelungentreue blamiert da.

    Chronologie zum Fall Guttenberg(s)

    16. Februar 2011 - Die «Süddeutsche Zeitung» veröffentlicht einen Bericht, in dem der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano Stellen in Guttenbergs Doktorarbeit als «dreistes Plagiat» und «Täuschung» bezeichnet. Guttenberg schließt einzelne Fehler beim Zitieren nicht aus, erklärt aber: «Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus.» Die Universität Bayreuth will die Vorwürfe überprüfen.

    17. Februar - Die Kritik wird immer massiver: Der Minister soll in seiner Doktorarbeit noch mehr Textstellen abgeschrieben haben als bislang bekannt - unter anderem von der Webseite der US-Botschaft und aus einem Aufsatz des ehemaligen Verteidigungsministers Rupert Scholz (CDU). Die Uni Bayreuth fordert Guttenberg auf, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen. Am Abend trifft sich Guttenberg mit Merkel im Kanzleramt. Dabei bekundet die Kanzlerin "volles Vertrauen" in ihren Minister.

    18. Februar - Guttenberg kündigt an, dass er bis zur Klärung der Vorwürfe durch die Uni vorübergehend auf seinen Doktortitel verzichtet. Er entschuldigt sich, räumt Fehler ein, versichert aber, die Dissertation sei kein Plagiat. Die ersten Strafanzeigen gegen Guttenberg werden gestellt - wegen möglicher Verstöße gegen das Urheberrecht und falscher eidesstattliche Versicherung.

    19./20. Februar - Die Opposition verdächtigt den Minister, für seine Dissertation den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages missbraucht zu haben. Im Internet haben Hunderte von Plagiatsjägern nach eigenen Angaben auf mehr als 260 Seiten der Doktorarbeit abgeschriebene Textstellen gefunden.

    21. Februar - Der Minister hält an seinem Amt fest. Er gehe im Sturm nicht von Deck, sagt Guttenberg auf einer CDU-Veranstaltung in Kelkheim bei Frankfurt/Main. Auf seinen Doktortitel will er aber dauerhaft verzichten und bittet die Uni, den Titel zurückzunehmen. In Berlin betont Kanzlerin Angela Merkel (CDU): «Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten oder einen Promovierenden oder einen Inhaber einer Doktorarbeit berufen». Ihr gehe es um die Arbeit als Bundesverteidungsminister. «Die erfüllt er hervorragend, und das ist das, was für mich zählt.»

    22. Februar - Merkel gibt dem Minister erneut Rückendeckung. Auch die Unionsfraktion stellt sich hinter Guttenberg.

    23. Februar - Guttenberg räumt im Bundestag ein, er habe eine «offensichtlich sehr fehlerhafte Doktorarbeit geschrieben». Minister wolle er bleiben. Die Opposition wirft ihm vor, er habe «getäuscht, betrogen, gelogen» - und müsse gehen. Die Uni Bayreuth erkennt Guttenberg den Titel ab.

    24. Februar - Der Deutsche Hochschulverband (DHV) kritisiert das Verhalten von Teilen der Politik in der Plagiats-Affäre als «empörend». DHV-Präsident Bernhard Kempen erklärt: «Es ist unerträglich, wie die Bedeutung der Wissenschaft und ihrer ehernen Gesetze politisch kleingeredet wird.»

    26. Februar: Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften, Jörg Hacker, wirft Guttenberg vor, ein schlechtes Vorbild zu sein: «Unredliches Vorgehen bei der Abfassung wissenschaftlicher Arbeiten stellt eine Handlung dar, die den Respekt vor der Wissenschaft und ihren elementaren Prinzipien vermissen lässt.» Mehrere Juristen gehen davon aus, dass Guttenberg mit Vorsatz fremde Texte verwendet hat.

    28. Februar: 30 000 Bürger protestieren im Internet mit einem Brief an Merkel gegen den Umgang mit der «Causa Guttenberg». In Reihen des Koalitionspartners FDP wird sein Rückzug ins Spiel gebracht. Der FDP-Forschungspolitiker Martin Neumann gibt ihm noch «maximal zwei Wochen Zeit», die Vorwürfe auszuräumen: «Wenn er die Umstände seiner Promotion weiter so im Unklaren lässt, halte ich ihn als Minister und obersten Dienstherren von zwei Bundeswehruniversitäten nicht mehr für tragbar.» Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) hat großes Verständnis für Unmut in der Wissenschaft: «Raubkopien sind kein Kavaliersdelikt. Und der Schutz des geistigen Eigentums ist ein hohes Gut.»

    1. März: Guttenberg erklärt seinen Rücktritt: Er habe die Grenzen seiner Kräfte erreicht. Merkel nimmt den Rücktritt an, zeigt sich aber betrübt über die Entscheidung, die sie überrascht habe.

    19. März: Nach seinem Ministeramt und seinem Bundestagsmandat hat Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg auch den Vorsitz des CSU-Bezirksverbands Oberfranken niedergelegt. Nachfolger wird Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich.

    13. April: Der Präsident des Bundestags Norbert Lammert wird in der Plagiatsaffäre um die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg keinen Strafantrag stellen.

    15. April: Der Ex-Verteidigungsminister und CSU-Politiker legte sein Mandat im Kulmbacher Kreistag nieder. Guttenberg gehörte dem Kreistag seit 2002 an.

    1. Mai: Zu Guttenberg hat eine schriftliche Stellungnahme zu den Plagiatsvorwürfen an die Uni Bayreuth gefaxt. Darin spricht er laut einem Medienbericht von einem "Missverständnis".

    6. Mai: Karl-Theodor zu Guttenberg hat laut der Universität Bayreuth bei seiner Doktorarbeit vorsätzlich getäuscht. Damit setzt sich der Niedergang des einstigen Politstars fort.

    Der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière muss die offenen Baustellen nun sanieren. Er übernimmt eben kein "bestelltes Haus", wie es Guttenberg noch behauptet hatte. Den Schaden, den der Ex-Verteidigungsminister in der Bevölkerung angerichtet hat, kann noch nicht beziffert werden. Sein Verhalten dürfte die Politikverdrossenheit hierzulande jedoch weiter gesteigert haben.

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