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Hintergrund: Kann die deutsche Polizei auch in Zukunft Anschläge verhindern?

Hintergrund

Kann die deutsche Polizei auch in Zukunft Anschläge verhindern?

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    Überbleibsel eines dramatischen Abends in Hannover: In der Nähe des Fußballstadions liegt ein Absperrband der Polizei.
    Überbleibsel eines dramatischen Abends in Hannover: In der Nähe des Fußballstadions liegt ein Absperrband der Polizei. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Deutschlands Sicherheit wird nicht nur in Fußballstadien und auf Weihnachtsmärkten verteidigt. Im Oktober sind es zwei Wohnungen in Leipzig, die Elitepolizisten der GSG9 stürmen, weil sich die Hinweise verdichten, dass zwei Deutsch-Tunesier einen Anschlag planen. Wenige Tage zuvor wird in Offenbach der 20-jährige Aria L. verhaftet, der in Syrien gekämpft hat und anschließend ein Bild von sich ins Internet stellt, auf dem er vor abgetrennten Köpfen posiert. In beiden Fällen wissen die Behörden zwar bis heute nicht, welche Gefahr von den Verdächtigen für ihre Mitmenschen ausging – für die Terrorfahnder aber zählt vor allem eines: Sie hatten alle drei auf ihrem Radar.

    Ob sie auch ein Kommando des Islamischen Staates rechtzeitig enttarnt hätten, ist damit nicht gesagt. Bisher hätten es Polizei und Geheimdienste in Deutschland vor allem mit radikalisierten Einzelpersonen oder kleinen, autonomen Gruppen zu tun gehabt, sagt der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka. Umso wichtiger sei es, sich nun auch auf generalstabsmäßig geplante Attentate wie in Paris einzustellen. Sicherheitsexperten sprechen hier vom Mumbai-Szenario – einer Serie von zehn Anschlägen kurz hintereinander und mit so unterschiedlichen Zielen wie dem jüdischen Zentrum, einem Bahnhof und einem Luxushotel. 2008 sterben dabei im indischen Mumbai 174 Menschen.

    Sicherheitsbehörden trauen über 400 Personen einen Anschlag zu

    Konkrete Hinweise auf bevorstehende Attentate in Deutschland haben die Behörden nach eigener Aussage zwar nicht. Im Falle eines Falles aber, beteuert der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD), sei die Polizei gewappnet. Das hätten die Analysen von Experten nach den Anschlägen auf die Zeitschrift Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt im Januar in Paris gezeigt. Was Lewentz nicht sagt: Unter dem Druck, ihre Haushalte sanieren zu müssen, haben Bund und Länder seit der Jahrtausendwende etwa 16000 Stellen bei der Polizei abgebaut – Personal, das auch nicht durch Soldaten der Bundeswehr ersetzt werden kann.

    „Ich glaube, dass uns das aktuell nicht weiterhelfen würde“, betont der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch. Auch der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) hält nicht viel von den Vorschlägen der Union, die Bundeswehr als eine Art Hilfspolizei im Innern einzusetzen: Es gebe eine klare Grenze zwischen militärischen Aufgaben und dem, was die Polizei dürfe, sagte er. „Das können und dürfen Bundeswehrsoldaten nicht.“ Es sei denn, so Bartels, es werde „der innere Notstand festgestellt“.

    Dass Polizei und Geheimdienste zusätzliche Kräfte benötigen, ist politisch unstrittig. Die Zahl der sogenannten Gefährder, denen die Behörden auch einen Anschlag zutrauen, ist inzwischen auf weit über 400 gestiegen. Längst nicht alle von ihnen können rund um die Uhr beobachtet werden. Vor allem die Bundespolizei arbeitet am Rande der Kapazitätsgrenze, alleine durch ihren Einsatz in der Flüchtlingskrise an der deutsch-österreichischen Grenze haben die Beamten in den vergangenen Wochen mehr als 500000 Überstunden angehäuft.

    Die Sicherheitsbehörden haben bewiesen, dass sie eingreifen können

    Nun will Innenminister Thomas de Maizière 750 neue Stellen bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz schaffen. Neue Anti-Terror-Gesetze hält er, zumindest im Moment, nicht für nötig. Mit den erweiterten Befugnissen für die Dienste und einer Reihe weiterer Maßnahmen, argumentiert er, habe der Bund in den vergangenen Monaten „viel bewegt“.

    Wozu die Sicherheitsbehörden in der Lage sind, wenn es darauf ankommt, zeigt ihr Schlag gegen die sogenannte Sauerlandgruppe im Spätsommer 2007. Zwei zum Islam konvertierte Deutsche und ein türkischer Glaubensbruder haben in zwölf großen Kanistern eine Wasserstoffperoxidlösung gebunkert, deren Sprengkraft 550 Kilogramm TNT entspricht und mit der sie offenbar an mehreren Orten gleichzeitig Autobomben explodieren lassen wollen. Nach einer monatelangen Observierung gelingt den Ermittlern dabei ein filmreifer Coup: Schon Wochen vor der Festnahme ersetzen Beamte der Polizei in einer Garage heimlich den größten Teil der gefährlichen Flüssigkeit durch Wasser – und machen die Bomben damit unschädlich.

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