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Frankreich: Keine weitere Amtszeit: Hollandes trauriger Abschied

Frankreich

Keine weitere Amtszeit: Hollandes trauriger Abschied

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    Hollande kandidiert nicht für eine zweite Amtszeit.
    Hollande kandidiert nicht für eine zweite Amtszeit. Foto: Ian Langsdon (dpa)

    Pragmatiker könnten François Hollande schlicht konsequent nennen. Hatte der Präsident nicht von Anfang an gesagt, er wolle sich am Ende seiner Amtszeit vor allem am Versprechen messen lassen, die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken? Zwar ging diese in den vergangenen Monaten zurück – aber nachdem sie lange stetig angestiegen war.

    Vielleicht gibt ihm die Geschichte noch recht, vielleicht werden seine Reformbemühungen erst später Früchte tragen? Doch mit der Absicht, in fünf Jahren Frankreichs Wirtschaft wieder aufzurichten und den Franzosen das verlorene Vertrauen in ihr Land zurückzugeben, scheint der Präsident gescheitert. Wie mit vielen anderen seiner selbst gesteckten Ziele auch.

    François Hollande tritt nicht wieder als Präsident an

    „Ich habe entschieden, nicht als Kandidat für die Präsidentschaftswahl anzutreten, also für die Erneuerung meines Mandates….“ Was der 62-jährige Staatschef am Donnerstagabend in einer kurzfristig anberaumten TV-Rede aussprach, nachdem er minutenlang seine Bilanz gepriesen hatte, ließ alle perplex zurück – Freunde, Kritiker, Experten.

    Zwar galt als ausgemacht, dass ihm kaum Gewinnchancen bei den Wahlen im Frühjahr 2017 blieben und er nicht einmal sicher sein konnte, die Kandidatenkür seiner sozialistischen Partei im Januar heil zu überstehen. Dass er aber seiner drohenden Niederlage zuvorkommen und sein eigenes Scheitern so klar eingestehen würde – das erwartete niemand von dem Mann, der sein ganzes Leben der Politik gewidmet hat.

    Wie seine langjährige Partnerin Ségolène Royal, trat er früh in den Beraterstab von Präsident François Mitterrand ein. Später agierte Hollande elf Jahre lang als Parteichef der Sozialisten, als perfekter Mann für Konsensbildung, der verschiedene Interessen vereinen konnte.

    Umso bitterer erscheint es, dass ihm genau das in der Rolle des Präsidenten nicht mehr gelang. Gegen eine Liberalisierungs- und eine Arbeitsmarktreform bäumte sich ein Teil der linken Abgeordneten derart heftig auf, dass die Regierung beide Gesetze nur mithilfe eines Sonderparagrafen am Parlament vorbei durchsetzen konnte. Zuvor hatte sie die Maßnahmen derart verwässert, dass auch die Wirtschaft enttäuscht war. Hollandes ewige Suche nach einem Kompromiss, sie funktionierte nicht mehr.

    Hollande gesteht nur einen Fehler in seiner Amtszeit ein

    Er selbst gestand in seiner emotional vorgetragenen Ansprache nur einen Fehler ein: Nach den Attentaten von Paris im November 2015 auf den Druck von rechts hin eine Verfassungsänderung vorgeschlagen zu haben, die den Entzug der französischen Nationalität für Terroristen vorsah. Mit diesem Tabubruch verlor er den Linksflügel seiner Partei endgültig – und musste letztlich trotzdem von dem Projekt absehen.

    Vielen erscheint seine Amtszeit als Abfolge von Missverständnissen, Fehltritten und Skandalen – von der Aufdeckung der geheimen Schweizer Konten des Ex-Budgetministers Jérôme Cahuzac über das als schamlos empfundene Plaudern im Buch „Ein Präsident sollte so nicht reden…“ bis zur aufsehenerregenden Trennung von der Journalistin Valérie Trierweiler, die sich mit einem bissigen Enthüllungsbuch rächte.

    Das ist François Hollande

    François Gérard Georges Nicolas Hollande wurde am 12. August 1954 im französischen Rouen geboren.

    Er löste nach einer Stichwahl am 6. Mai 2012 mit knapp 52 Prozent der Stimmen den konservativen Nicolas Sarkozy (UMP) als französischen Präsidenten ab.

    Hollandes Sieg galt als historischer Machtwechsel in Paris: Erstmals seit 17 Jahren wurde ein Sozialist wieder Präsident.

    Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2007 bewarb sich Hollandes damalige Lebensgefährtin Ségolène Royal letztlich erfolgreich um die Kandidatur der Parti Socialiste (PS). Aus dieser Zeit stammt die scherzhafte Titulierung Hollandes als "Monsieur Royal".

    Aus der Beziehung zu Ségolène Royal, die bis 2007 andauerte, stammen zwei gemeinsame Söhne und zwei Töchter.

    Hollande sagte über das Präsidentenamt, dass er es als „normaler“ Präsident auszuüben gedenke. Dieser Satz zielte auf die polarisierende und als sprunghaft geltende Persönlichkeit von Amtsinhaber und Gegenkandidat Nicolas Sarkozy. Die Rede vom „normalen Präsidenten“ wurde zum zentralen Thema.

    Nach seiner Wahl gab François Hollande sich volksnah: Er wollte sein eigenes Gehalt kürzen, selbst einkaufen und mit dem Zug zur Arbeit fahren.

    So schlug der Mann, der die Franzosen von ihrer Verdrossenheit erlösen und ein „normaler Präsident“ ohne übertriebenes Machtgehabe sein wollte, alle Rekorde der Unbeliebtheit. Dass er nach den Terroranschlägen als mitfühlender und starker Landesvater auftrat, mit einer Militärintervention in Mali nervenstarkes Verantwortungsbewusstsein zeigte und das hohe Defizit des Landes langsam, aber effizient abbaute – geschenkt. In den Augen der Öffentlichkeit hat Hollande durch die Bank versagt.

    Als Hollandes natürlicher Nachfolger bei den Sozialisten erscheint nun Manuel Valls

    Selbst Kritiker äußern nun aber Respekt, da er sich opfert, um eine Zersplitterung seiner Partei zu verhindern. Die Präsidentschaftswahl droht, auf ein Duell zwischen der Rechtspopulistin Marine Le Pen und dem rechtskonservativen François Fillon hinauszulaufen, sollten sich die Sozialisten nicht geschlossen hinter einen gemeinsamen Kandidaten stellen. Längst scharrt ein knappes Dutzend linker und grüner Anwärter mit den Hufen, nicht zu vergessen Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Bei der Kandidatur mit seiner eigenen Partei „En marche!“ („In Bewegung!“) will dieser keine Rücksicht auf die Vorwahl der Sozialisten nehmen, denen er einst angehörte.

    Als Hollandes natürlicher Nachfolger bei den Sozialisten erscheint nun Premierminister Manuel Valls, der sich noch nicht erklärt hat. Doch der energische 54-Jährige muss nicht nur die gemeinsame Bilanz mit vertreten, er ist wegen seines autoritären Auftretens bei der Parteilinken fast genauso unbeliebt wie der Präsident. Für ihn spricht allerdings, dass er einer nachrückenden Generation angehört, die für Erneuerung steht – und diese scheint dringend geboten, da innerhalb weniger Tage bisherige Urgesteine der französischen Politik hinweggefegt wurden – von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy über Ex-Premier Alain Juppé bis nun zu Hollande.

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