Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Leitartikel: Klaus Wowereit: Ein Regent ohne Land

Leitartikel

Klaus Wowereit: Ein Regent ohne Land

    • |
    Nach mehr als 13 Jahren im Amt hat Klaus Wowereit so ziemlich alles verloren, was ein Politiker braucht, um sich an der Macht zu halten.
    Nach mehr als 13 Jahren im Amt hat Klaus Wowereit so ziemlich alles verloren, was ein Politiker braucht, um sich an der Macht zu halten. Foto: Tim Brakemeier, dpa

    Angezählt war er schon lange. Nach mehr als 13 Jahren im Amt hat Klaus Wowereit so ziemlich alles verloren, was ein Politiker braucht, um sich an der Macht zu halten: das Vertrauen der Wähler, den Rückhalt in der eigenen Partei, das Glück – und auch die Lässigkeit, die ihn in seinen ersten Jahren als Bürgermeister so populär gemacht hat. Damals genügte ihm ein Satz wie der, Berlin sei arm, aber sexy, um aus einem offensichtlichen Mangel ein Markenzeichen zu machen. Heute hat dieser Mangel ein Maß erreicht, das selbst die geduldigsten Berliner empört. Der Stadt fehlt es an Geld, an bezahlbarem Wohnraum, an Arbeitsplätzen und nicht zuletzt an einer Idee von ihrer Zukunft.

    Klaus Wowereit war ein Regent auf Abruf

    Mit seinem Rücktritt kommt Wowereit nur seiner längst geplanten Entmachtung zuvor. Seit die CDU wieder mitregiert und die Sozialdemokraten in den meisten Umfragen überholt hat, war er ein Regent auf Abruf, auch in der notorisch zerstrittenen Landes-SPD. Kein Landespolitiker in Berlin hat schlechtere Popularitätswerte, kein anderer aber hat die Kritik an seiner Arbeit bisher auch mit einer derart provozierenden Nonchalance ausgesessen wie er. Obwohl Wowereit für das Milliardendebakel am Flughafen maßgeblich mitverantwortlich ist, besaß er die Chuzpe, sich nach einer kurzen Auszeit wieder an die Spitze des Aufsichtsrates wählen zu lassen. Und obwohl in den Berliner Schulen die Turnhallen verrotten und der Putz von den Wänden bröckelt, kannte der Regierende zuletzt nur ein Thema: Olympia in Berlin, koste es, was es wolle.

    Wowereit ist an sich selbst gescheitert

    So tickt Klaus Wowereit

    PARTYLÖWE - Spitzname «Regierender Partymeister»: Ein Foto von 2001 zeigt ihn mit Damenschuh und Champagnerflasche. Zwar landete kein Schluck aus der Flasche im Schuh, geschweige denn, dass jemand daraus trank. Doch das Partybild blieb hängen. Heute würde er den roten Schuh vielleicht gleich fallen lassen, meinte Wowereit kurz vor dem 10. Amtsjubiläum.

    GLAMOURFAKTOR - 2005 schaffte es der Regierende Bürgermeister bis auf das Cover des «Time»-Magazins. Klaus Wowereit, oft von seinem Freund Jörn Kubicki begleitet, hat für Berliner Verhältnisse einen gewissen Glamourfaktor und sieht im Smoking nicht verkleidet aus.

    «ARM, ABER SEXY» - Wowereit wollte in einem Interview ausdrücken, dass die Stadt trotz knapper Kassen viel zu bieten hat. So entstand der Slogan «arm, aber sexy».

    BERLINER SCHNAUZE - Wowereit kann charmant sein, aber auch schnippisch. Als Berlin 2010 mit Schneechaos kämpfte, sagte Wowereit auf die Frage, ob man das Technische Hilfswerk (THW) um Hilfe bitten sollte: «Wir sind hier nicht in Haiti, sondern wir sind hier in Berlin.»

    AKTENFRESSER - Das Party-Image von früher täuscht. Als Politiker ist Wowereit machtbewusst und kein Feind von Akten. Er kennt sich gut mit den Berliner Finanzen aus.

    FLUGHAFEN und «TEFLON-KLAUS» - Viermal wurde die Eröffnung des Großflughafens von Schönefeld verschoben - einen neuen Termin gibt es nicht. Im Januar 2013 übersteht Wowereit ein Misstrauensvotum im Parlament. «Ich bin für die volle Legislatur gewählt und werde das Amt auch ausüben», sagt er damals. Die Vorwürfe rund um den Flughafen scheinen lange an ihm abzuprallen. In seiner Rücktrittserklärung spricht er dann aber von einer seiner größten Niederlagen.

    Es ist diese Mischung aus Schnoddrigkeit und fehlendem Realitätssinn, die Klaus Wowereit sein Amt kostet. Er ist nicht an den Umständen gescheitert, sondern an sich selbst. Eine Stadt wie Berlin, wirtschaftlich unterentwickelt, voller sozialer Verwerfungen und womöglich auf Dauer am Tropf anderer Bundesländer hängend, regiert sich nicht von alleine. Sie braucht keinen Bürgermeister an der Spitze, der nur den Mangel verwaltet.

    Vor allem Wowereits erschreckendes Desinteresse an ökonomischen Fragen hat der Stadt nachhaltig geschadet. Jede kleine Mode- oder Filmfirma, die sich neu an der Spree niederließ und etwas Glamour versprach, durfte sich seiner Fürsorge sicher sein. Wenn dagegen ganze Fabriken mit hunderten von Beschäftigten schlossen, war aus dem Roten Rathaus selten mehr als ein pflichtschuldiges Wort des Bedauerns zu hören.

    Auf der Großbaustelle im Südosten der Stadt, auf der irgendwann ein neuer Flughafen entstehen soll, kumulieren diese Probleme seit zwei Jahren. Fehlende wirtschaftliche Expertise, übertriebene politische Einflussnahme, erratische Personalentscheidungen wie die Berufung des früheren Bahn-Chefs Mehdorn an die Spitze der Flughafengesellschaft und die sprichwörtliche Berliner Subventionsmentalität, nach der sich schon irgendjemand finden wird, der das am Ende alles bezahlt, werden auf Dauer mit dem Namen Wowereit verbunden bleiben, eines Mannes, der in der SPD zeitweise sogar für kanzlertauglich befunden worden war. Er war es, der den Flughafen zu seiner Angelegenheit gemacht hat – und so gesehen ist es nur folgerichtig, wenn er ihn nicht mehr als Bürgermeister eröffnen wird.

    Im Prinzip ist es egal, wer in Berlin regiert

    Dass Berlin mit einem neuen Mann besser fährt, ist damit noch nicht gesagt. Weder die beiden Favoriten der SPD, Jan Stöß und Raed Saleh, noch Innensenator Frank Henkel von der CDU haben sich der fortschreitenden Wowereitisierung der Stadt in den vergangenen Jahren entziehen können. Gemacht wird nur, was gemacht werden muss – und im Prinzip ist es sowieso egal, wer in Berlin regiert. Funktionieren wird es ohnehin nicht.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden