Kommentar: Sieg in Niedersachsen ist ein Lebenszeichen der SPD
Der Sieg in Niedersachsen ist ein persönlicher Erfolg des populären Ministerpräsidenten Stephan Weil, von dem die SPD profitiert. Mit der CDU Angela Merkels geht es weiter bergab.
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Neuigkeiten und das Ergebnis zur Wahl erfahren Sie in unserem Live-Blog.
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In unserer Analyse erklären wir, wie Stephan Weil die Stimmung in Niedersachsen drehen konnte.
Jede Landtagswahl hat ihre eigenen Gesetze, jede ist geprägt von heimischen Köpfen und Problemen. Die Niedersachsen-Wahl wurde in besonderem Maße durch landespolitische Faktoren entschieden. Im Bund liegt die SPD darnieder, in Niedersachsen gelingt ihr ein kräftiges Lebenszeichen – dank dem populären, soliden Ministerpräsidenten Weil, der das Land mit einer famosen Aufholjagd für die SPD verteidigt hat.
So erstaunlich dieser Triumph Weils ist, so mager diesmal die Ergebnisse der höher gewetteten, in den Schatten des Spitzenduells geratenen kleinen Parteien ausfallen: Auch dieser erste bundespolitische Stimmungstest bestätigt im Wesentlichen, was sich bei der Bundestagswahl vor drei Wochen zugetragen hat. Die große Zeit der im 30-Prozent-Turm eingemauerten Volksparteien ist vorbei. Die FDP ist wieder da und bildet zusammen mit CDU, SPD und Grünen eine breite, vielfältige Mitte.
Wahl in Niedersachsen: Die herkömmlichen Lagergrenzen verschwimmen
Die AfD ist am rechten Rand zur parlamentarischen Größe geworden und war auch in Niedersachsen, wo sie personell und organisatorisch weit schlechter dasteht als anderswo und wo die angestammten Milieus schwerer zu knacken sind für eine Protestpartei, nicht zu stoppen.
Da die gleichfalls populistische Linkspartei trotz der Pleite im hohen Norden weiter Gehör finden wird, verfestigt sich die Ausbildung eines Sechs-Parteien-Systems. Die herkömmlichen Lagergrenzen, die gerade auch in Niedersachsen (Rot-Grün oder Schwarz-Gelb) stark ausgeprägt sind, verschwimmen.
Eine Große Koalition geht immer noch, und darauf könnte es nun auch in Hannover hinauslaufen. Demokratisch spannender (und instabiler) sind kleinere Bündnisse mit drei Partnern, die künftig eher die Regel als die Ausnahme sein werden.
Merkel geht nach Wahl in Niedersachsen geschwächt in Jamaika-Gespräche
Für die schwer gebeutelte SPD, die heuer vier Wahlen hintereinander verlor und im Bund auf deprimierende 20 Prozent abstürzte, ist dieser Wahltag ein Hoffnungsschimmer. Mit Abstand stärkste Kraft: Das ist ein persönlicher Erfolg Weils, der trotz seines Rufs als etwas blasser Verwalter einen mitreißenden Wahlkampf hingelegt hat und im direkten Vergleich mit seinem CDU-Herausforderer Althusmann die Nase klar vorn hatte.
Weil hat eine Wahl gewonnen, die schon verloren schien – gegen eine CDU, mit der es im Land seit Ende August ähnlich steil bergab ging wie mit der ganzen Union. Das hatte landespolitische Ursachen wie die Schwäche Althusmanns oder die Empörung über die grüne Überläuferin Twesten, wegen der die rot-grüne Koalition die hauchdünne Mehrheit verlor. Weil hat daraus eine anrührende Story über schnöden Verrat gemacht.
Aber natürlich geht diese Niederlage auch auf das Konto der CDU-Vorsitzenden Merkel. Der Sinkflug der Landespartei ging mit der Talfahrt der CDU/CSU einher; Althusmann hatte Gegenwind aus Berlin und München. Merkels geradezu stoische Hinnahme der massiven Stimmenverluste dürfte den Frust vieler Stammwähler eher noch befördert haben. Die Rückeroberung des Flächenlandes Niedersachsen ist gescheitert. Die Kanzlerin geht geschwächt in die „Jamaika“-Sondierungsgespräche mit den Grünen und der FDP, die nun ihre „roten Linien“ noch kräftiger und selbstbewusster aufmalen dürften.
Martin Schulz hat nun eine gute Chance, als SPD-Vorsitzender des Übergangs an Bord bleiben zu können. Der Erfolg in Niedersachsen ändert allerdings nichts daran, dass die SPD ihr historisches Tief ohne eine inhaltliche und personelle Erneuerung nicht überwinden kann. Macht sie so weiter wie bisher oder rückt sie gar nach links, bleibt das Kanzleramt auf lange Zeit ein schöner Traum. Der Pragmatiker Weil hat gezeigt, dass die SPD noch Wahlen gewinnen kann – in der Mitte.
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Die Diskussion ist geschlossen.
„Jede Landtagswahl hat ihre eigenen Gesetze.“
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So ist es Herr Roller. Und doch haben Sie bei den drei Landtagswahlen zuvor den Focus auf den vom SPD-Vorsitzenden Gabriel in die Position des Kanzler-Kandidaten gehievten Martin Schulz gelegt. Das war und ist in meinen Augen unredlich.
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Ebenso falsch war und ist die Anbetung der Kanzlerin, nach dem sich jeder ein Bild machen kann, was sie in ihren 12 Jahren Kanzlerschaft geschafft hat und was nicht. Auffallend ist dabei die lange Bank, auf der die Kanzlerin Probleme abgelegt hat.
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Die Zeit der Volksparteien vorbei? Nein, Herr Roller, zum radikalen Aufschwung bedarf es nur eines(r) überzeugenden Kandidaten/in. (Und darin liegt ja auch, mit Verlaub, eine Gefahr.)
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Die Kanzlerin hat es sich mit ihrer erneuten Kandidatur schwer gemacht. Sie ist die Frau von gestern. Was soll man auch von einer Kanzlerin verlangen, die sich öffentlich damit brüstet, sie wisse nicht, was sie politisch anders machen solle.
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Und der Kandidat Schulz, dem große Teile der Presse jeglichen Respekt versagt haben? Er ist -natürlich- nicht der personifizierte Neuanfang der SPD. Und er hat erleben dürfen, wie bestimmte Seilschaften der SPD aktiv gegen ihn gearbeitet haben. Auf der Basis konnte er keinen Erfolg haben.
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Die FDP und die Roller‘sche breite, vielfältige Mitte. Die FDP hat gerade 25% ihrer Wählerschaft verloren. Und welche politische Mitte, Herr Roller? Zeigt sich doch, unmittelbar nach der Wahl, dass die FDP KEIN Teil dieser angeblichen Mitte ist oder sein will. Grüne und SPD müssen wohl irgendwie mit politischer Krätze infiziert sein. Sei drum.
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Die Partei Die LINKE wird im Kommentar wieder ausgegrenzt. Sie habe eine politische Pleite erlebt. Nun ja, sie hat ihren Stimmanteil, anders als FDP und Grüne, gesteigert und ist damit mit 4.6% an der Schwelle der 5%-Klausel angekommen.
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Personelle und inhaltliche Erneuerung. Das ist eine ständige Herausforderung der Parteien. Natürlich ist das nötig. Wer aber, wie Herr Roller, die Zukunft der SPD in der politischen Mitte sieht, geht fehl.
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Das war ja das Mantra des Kanzlers der Bosse: die Mitte. Darüber hat er leichten Herzens seine eigenen Bundestagsabgeordneten über die Klinge springen lassen. 600.000 Mitglieder aus der Partei vertrieben und bis heute weit mehr als 10 Millionen potentiell sozialdemokratischen Wählern ihre Wahlmöglichkeit genommen.
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Eine imaginäre politische Mitte ist also längst gescheitert. Die Mitte als Austauschbarkeit. Das ist mir zu wenig, Herr Roller. Ist es zuviel verlangt, wenn ein Markenkern, eine prägende und tragende Identifikation erkennbar wird? Wenn also UNTERSCHIEDE politisch sichtbar werden? Ich behaupte: NEIN.
Macht sie so weiter wie bisher oder rückt sie gar nach links, bleibt das Kanzleramt auf lange Zeit ein schöner Traum. ...
Falls Sie es noch nicht gemerkt haben, Herr Roller, es gibt unter den Wählern in Niedersachsen eine linke Mehrheit, die nur von der 5%-Klausel verhindert wurde.