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Nahost: Kommentar: Wer stoppt den Irrsinn in Nahost?

Nahost

Kommentar: Wer stoppt den Irrsinn in Nahost?

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    Eskalation in Nahost: Israel bereitet sich auf eine Bodenoffensive im Gazastreifen vor.
    Eskalation in Nahost: Israel bereitet sich auf eine Bodenoffensive im Gazastreifen vor. Foto: Abir Sultan, dpa

    "Ruhe gegen Ruhe“ – dies ist die wenig ambitionierte Formel für den Zustand, der seit 2012 an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel herrschte. Frei übersetzt heißt das: Wir hassen uns, aber wir schießen nicht aufeinander. Doch damit ist es vorbei. Raketenangriffe, Luftschläge und Beerdigungen: So sieht der traurige Alltag für viele Palästinenser aus, die – anders als Israel – den Attacken aus der Luft schutzlos ausgeliefert sind.

    Ein Tabubruch hatte die neue Welle der Gewalt ausgelöst. Die gezielte Entführung und Ermordung von Jugendlichen. Eine neue Qualität des Irrsinns. Fassungslos musste man registrieren, dass die Anhänger der Hamas zwar mit unbändiger Wut auf die Ermordung des 16-jährigen Mohammed Abu Chedair reagierten, aber völlig ausblendeten, dass zuvor drei junge Israelis von den eigenen Landsleuten ebenso brutal und sinnlos ermordet worden waren.

    Einige Hamas-Funktionäre hatten sich über die Ermordung der Jugendlichen erfreut gezeigt

    Von einigen Hamas-Funktionären hatte es sogar unverhohlene Zustimmung für die feige Tat gegeben. Israel immerhin zeigte sich in der Lage, die Mörder von Abu Chedair zu fassen. Dass die palästinensischen Behörden ihrerseits ernsthaft nach den Mördern der drei jüdischen Religionsschüler fahnden würden, war gar nicht erst erwartet worden.

    Israel muss von nun an mit der beunruhigenden Gewissheit leben, dass es nationalistische Fanatiker im Land gibt, die in ihrem Hass zu allen erdenklichen Verbrechen bereit sind. Das Entsetzen und die Scham darüber in Teilen der israelischen Gesellschaft gehören zu den wenigen Hoffnungsschimmern in diesen Tagen.

    Nahost: Israels Politiker kommentieren unkoordiniert und unüberlegt

    Doch gleichzeitig kommentierten Mitglieder des israelischen Kabinetts mitten in der dramatischen Krise völlig unkoordiniert und unüberlegt per Twitter und Facebook die Lage. Vieles davon war dazu angetan, den Konflikt noch anzustacheln. Seit Langem schon warnen hellsichtige Beobachter – wie der frühere israelische Botschafter in Berlin, Avi Primor – davor, dass die jahrzehntelange Besatzung eines Teiles von Palästina Spuren in der Seele des eigenen Volkes hinterlassen werde.

    Jetzt zeigt sich, dass diese Befürchtungen nur zu begründet waren. Der Anteil der Israelis, die offen von einer Minderwertigkeit der arabischen Bevölkerung sprechen, steigt an. Aufgebrachte Demonstranten skandierten  auf der Straße „Tod den Arabern“.

    Gazastreifen: Eine dritte Intifada wird nicht mehr ausgeschlossen

    Schon wird in Jerusalem, aber auch in Gaza und dem Westjordanland eine neue – es wäre die dritte – Intifada nicht mehr ausgeschlossen. Die blutigen Auseinandersetzungen, die von 1987 bis 1993 sowie von 2000 bis Anfang 2005 tobten, kann eigentlich auch die schwer angeschlagene Hamas kaum ernsthaft wollen.

    Der Nahost-Konflikt

    Israel, Palästinenser, Westjordanland, Gaza-Streifen, Hamas: Was Sie über den Nahost-Konflikt wissen müssen.

    1947 beschlossen die Vereinten Nationen, das von den Briten besetzte Palästina zu teilen - in einen arabischen und einen jüdischen Teil. Israel akzeptierte den Plan, die arabische Seite lehnte ihn ab.

    1948 proklamierte David Ben Gurion dort die Gründung des Staates Israel.

    Nur einen Tag später griffen Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten und der Irak den neuen Staat Israel an. Dieser konnte sich nicht nur verteidigen, Israel eroberte auch arabische Gebiete, die es bis heute besetzt hält.

    Bis heute streiten Israel und Palästinenser um diese besetzten Gebiete, darunter das Westjordanland (englisch: Westbank) mit Ost-Jerusalem und den Gazastreifen.

    1987 begann die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten einen Aufstand gegen die israelische Besatzung, die sogenannte Intifada. 2000 begann die zweite Intifada, diesmal mit noch mehr militärischer Gewalt. Israel reagierte ebenfalls mit militärischen Mitteln.

    Ein gewaltiger Streitpunkt ist auch der israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebieten. Auf den Golanhöhen, in Ost-Jerusalem und im Westjodanland schaffen die Israelis immer neue Siedlungen - und damit Tatsachen. Für die Palästinenser blieben diese Siedlungen Provokationen.

    Den Kampf gegen Israel führt vor allem die Hamas. Sie ist eine palästinensische Organisation mit dem Ziel, Israel durch Terror und Gewalt zu vernichten.

    Im Jahr 2005 räumten die Israelis den Gazastreifen.

    Die Hamas wurde 1987 gegründet. Seit 2007 stellt sie als politische Partei die Regierung des Gaza-Streifens.

    Zwischen Israel und Hamas kommt es immer wieder zur Eskalation von Gewalt. Im Sommer 2014 wurden israelische Städte mehrfach mit Raketen beschossen. Israel reagierte mit Luftangriffen.

    Leider bedeutet das noch lange nicht, dass sie nicht dennoch ausbrechen könnte. Die irrwitzigen und kriminellen Raketenangriffe auf israelische Städte zeigen das große selbstzerstörerische Potenzial in der Führung der Hamas. Die Verzweiflung der Palästinenser über ihre hoffnungslose politische und ökonomische Lage ist am Siedepunkt angelangt.

    Die USA müssen versuchen, eine Eskalation in Nahost zu stoppen

    Die Siedlungspolitik der israelischen Regierung tut ihr Übriges, um jegliche Perspektiven auf einen eigenen palästinensischen Staat zu zerstören. Ein offener Aufstand wäre in einer Zeit, in der der gesamte Nahe Osten zu explodieren droht, gefährlicher denn je. Gleiches gilt für eine israelische Bodenoffensive, bei der es wie schon 2008 nur Verlierer geben kann.

    Was ist zu tun? Es ist wie immer: Die USA – von denen beide Konfliktparteien abhängig sind – werden versuchen müssen, eine weitere Eskalation zu stoppen. Damit es wieder heißen kann „Ruhe gegen Ruhe“. Mehr scheint derzeit unerreichbar zu sein.

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