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Berlin: Kurz-Besuch bei Merkel endet mit Misstönen

Berlin

Kurz-Besuch bei Merkel endet mit Misstönen

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    Trotz großer Differenzen in der Flüchtlings- und Europapolitik setzen Kanzlerin Angela Merkel und Österreichs neuer Regierungschef Sebastian Kurz auf Zusammenarbeit.
    Trotz großer Differenzen in der Flüchtlings- und Europapolitik setzen Kanzlerin Angela Merkel und Österreichs neuer Regierungschef Sebastian Kurz auf Zusammenarbeit. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Es liegt nicht am tückischen Schneematsch, dass das politische Parkett an diesem trüben Berliner Tag noch rutschiger ist als sonst. Im Innenhof des Kanzleramtes empfängt die Bundeskanzlerin den Bundeskanzler eines Nachbarlandes, beide führen konservative Parteien an. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten zwischen Sebastian Kurz, dem erst 31-jährigen Polit-Superstar aus Österreich, und der momentan nur noch geschäftsführenden deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel auch fast schon wieder auf. Da können der bubenhaft wirkende Kurz und Merkel, 63, die ja den Spitznamen Mutti trägt, beim Abschreiten der militärischen Ehrenformation noch so vertraut wirken – mit dem Vertrauen zwischen beiden ist es nicht weit her.

    Dabei hat der smarte junge Mann, der schon im Alter von 27 Jahren Außenminister der Alpenrepublik wurde, Angela Merkel ja viel zu verdanken – allerdings zu deren Leidwesen. Denn sein kometenhafter Aufstieg vom Studienabbrecher zum Regierungschef in Wien gelang vor allem, weil er sich als energischer Widersacher der Flüchtlingspolitik Merkels stilisierte. Der Mann mit dem streng nach hinten gegelten Haar gilt seither auch in Deutschland als Vorbild für junge Konservative, die mit der Merkel-Politik hadern.

    Einst bezeichnete Kurz die Bundeskanzlerin in Interviews als sein politisches Vorbild, doch das ist lange her. Mit seinem harten Kurs in Zuwanderungsfragen und seiner demonstrativen Nähe zu osteuropäischen Regierungschefs, die sich der Aufnahme von Flüchtlingen verweigern, hatte Kurz schon als Außenminister und jetzt auch als Bundeskanzler bei Merkel für viel Verdruss gesorgt.

    Kurz und Merkel betonen „gutnachbarschaftliches“ Verhältnis

    Im vergangenen Oktober hatten Kurz und seine konservative Österreichische Volkspartei die Parlamentswahlen gewonnen und dann zusammen mit einem umstrittenen Partner eine Regierung gebildet. Für seine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) wurde Kurz gerade in Deutschland scharf kritisiert. Seine ersten Antrittsbesuche führten ihn dann auch nach Brüssel und Paris, Berlin stand erst an dritter Stelle. Beim Treffen im Kanzleramt sollen die schwelenden Differenzen jedoch unter dem Deckel bleiben. Zunächst gelingt das auch. Später werden die Meinungsverschiedenheiten dann doch zutage treten.

    Sebastian Kurz gilt auch in Deutschland als Vorbild für junge Konservative.
    Sebastian Kurz gilt auch in Deutschland als Vorbild für junge Konservative. Foto: Michael Kappeler, dpa

    So betonen Kurz und Merkel das „gutnachbarschaftliche“ Verhältnis und stellen heraus, dass sie in grundsätzlichen Fragen einer Meinung seien. Darüber, dass sie die Außengrenzen der EU besser schützen wollen, um die illegale Zuwanderung zu reduzieren, sei sie sich mit ihrem österreichischen Kollegen einig, so Merkel. Bezüglich der Aufnahme von Flüchtlingen bedürfe es „Formen einer neuen Zusammenarbeit“ mit den Herkunftsländern. Für „Schlepper und Schleuser“ hingegen dürfe es keine Unterstützung geben.

    Merkel und Kurz uneins über Umverteilung von Flüchtlingen in der EU

    Kurz sagt, dass die Lösung der Migrationsfrage „in einem ordentlichen Außengrenzschutz und einer stärkeren Hilfe vor Ort“ liege. Österreich könne auch nicht der Vorwurf gemacht werden, in der Flüchtlingsfrage „unsolidarisch zu sein“, da es, gemessen an der Bevölkerungszahl, die zweithöchste Anzahl an Asylbewerbern aufgenommen habe – nach Schweden. Doch im Streit um die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union wird deutlich, wie weit Kurz und Merkel auseinanderliegen. Kurz findet, dass die Diskussion über die Quoten „etwas zu breiten Raum“ einnehme – und bekräftigt damit seine Unterstützung etwa für Ungarn und Polen, die die europaweite Umverteilung von Migranten nach einem festen Schlüssel ablehnen. Merkel widerspricht energisch: Es könne nicht sein, „dass es Länder gibt, die sagen, an einer europäischen Solidarität beteiligen wir uns nicht“.

    Mehr Gemeinsamkeiten mit dem österreichischen Nachbarn sieht Merkel in der Europapolitik. Was sie dazu von Kurz gehört habe, stimme sie „zuversichtlich, dass wir eine gute Zusammenarbeit hinbekommen“. Vor den anstehenden Verhandlungen des EU-Budgets vereinbaren Merkel und Kurz, sich eng mit den übrigen Nettozahlern abzustimmen. Echte Harmonie kommt am Ende nicht mehr auf zwischen Merkel und Kurz.

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