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Bundeswehr: Mängel beim G36: Gewehr ist bei Hitze nur bedingt tauglich

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Mängel beim G36: Gewehr ist bei Hitze nur bedingt tauglich

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    Leicht, handlich, aber bei Hitze nicht mehr treffsicher? Eine Expertenkommission hat die Eignung des Sturmgewehrs G36 infrage gestellt.
    Leicht, handlich, aber bei Hitze nicht mehr treffsicher? Eine Expertenkommission hat die Eignung des Sturmgewehrs G36 infrage gestellt. Foto: Arno Burgi, dpa

    Trotz aller rüstungstechnischen Innovationen: Das Gewehr ist bis heute die Waffe, die dem Soldaten nicht nur körperlich am nähesten ist. Zwar werden Liedtexte wie „Ihr wisst ja, des Soldaten Braut, das ist sein Schießgewehr!“ glücklicherweise nicht mehr geschmettert. Doch nach wie vor gilt: Ein Gewehr, das nicht in allen Gefechtslagen zuverlässig funktioniert, kann dessen Träger in lebensbedrohliche Situationen bringen. Vor diesem Hintergrund ist die Aufregung über den Satz von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dass „das G36 offenbar ein Präzisionsproblem bei hohen Temperaturen, aber auch im heißgeschossenen Zustand“ habe, verständlich.

    Schließlich bestätigt die CDU-Politikerin damit die seit Jahren in der Bundeswehr kursierenden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Sturmgewehres aus dem Hause Heckler & Koch. Mehrfach gab es Untersuchungen über die Treffsicherheit des Sturmgewehrs. Doch bis vor wenigen Tagen war von Mängeln offiziell nie die Rede.

    Der stellvertretende Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Jürgen Görlich, fordert Konsequenzen: „Entscheidend ist, dass der Generalinspekteur Volker Wieker klare Anweisungen für die Soldaten gibt, wann und wie das Gewehr ab sofort verwendet werden darf“, sagte er unserer Zeitung. Genau dies wird für heute erwartet. Wieker hatte bereits am Montag von Präzisionsproblemen bei der Waffe gesprochen, die „signifikant größer“ seien „als bei den untersuchten Vergleichswaffen“.

    G36 ist die Standardwaffe der Bundeswehr

    Potenziell betroffen ist fast jeder Bundeswehr-Soldat. Schließlich handelt es sich um das Standardgewehr der Truppe. Seit 1996 hat die baden-württembergische Waffenschmiede über 175000 davon an die Streitkräfte geliefert. Bei der Einführung galt das G36 als Quantensprung der Rüstungstechnik. Je nach Ausführung kann es mit viel Elektronik, wie einem Nachtsichtverstärker, nachgerüstet werden. Es gilt als schnell auseinander- und wieder zusammensetzbar. Vor allem aber ist es deutlich leichter als das Vorgängermodell G3, das komplett aus Metallteilen bestand.

    Ein Effekt, der durch die Verwendung von mit Glasfasern verstärktem Kunststoff entsteht. Nun scheinen sich jedoch Gerüchte zu bewahrheiten, dass eben dieser Kunststoffrahmen starke Hitze nicht verträgt und so für nachlassende Treffgenauigkeit bei extremen Temperaturen verantwortlich sein könnte. Temperaturen, die deutschen Soldaten und ihrem Equipment nicht zuletzt bei Auslandseinsätzen wie in Afghanistan begegnen. Kürzlich wurden auch die kurdischen Peschmerga für ihren Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Nordirak mit der Waffe ausgerüstet. Auch dort wird es im Sommer extrem heiß.

    Von der Leyen hatte Mitte 2014 eine Expertenkommission beauftragt, die Tauglichkeit des Gewehres zu klären. Beteiligt waren das Fraunhofer-Institut, der Bundesrechnungshof sowie Fachleute der Streitkräfte. Der Abschlussbericht liege zwar noch nicht vor, aber die bisher vorliegenden Bewertungen wiesen „in eine eindeutige Richtung“, erklärte die Ministerin. Von der Leyen schob gestern nach, dass die Kommission zusätzlich überprüfen werde, wie die Waffe bei Gefechtseinsätzen reagiert habe. Schadensersatzforderungen gegen den Hersteller mochte die Ministerin ebenfalls nicht ausschließen. Neben einer Einschränkung der Nutzung ist auch die Anschaffung neuer Sturmgewehre eine Option.

    Debatte ist für Hersteller Heckler & Koch ein Desaster

    Dementsprechend entsetzt reagierte Heckler & Koch – für das Unternehmen ist die Debatte längst ein Desaster mit unabsehbaren Folgen. Der Hersteller verwies auf eigene Untersuchungen, die ergeben hätten, dass das G36 „alle mit der Bundeswehr vereinbarten technischen Lieferbedingungen“ erfüllen würde. Man sei „erschüttert“ darüber, dass das Ministerium die Vorwürfe geäußert habe, ohne mit dem Hersteller gesprochen zu haben.

    Für den SPD-Wehrexperten Rainer Arnold trägt der Vorgänger von der Leyens im Verteidigungsministerium, Thomas de Maizière (CDU), „große Verantwortung“ dafür, dass die Mängel beim G36 erst jetzt bekannt geworden seien. Er habe „Menschen, die aufklären wollten, gedeckelt“, sagte Arnold im Deutschlandfunk. mit dpa

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