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Leitartikel: Nicht jeder Flüchtling, der gekommen ist, wird auch bleiben können

Leitartikel

Nicht jeder Flüchtling, der gekommen ist, wird auch bleiben können

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    Nicht alle Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, dürfen bleiben.
    Nicht alle Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, dürfen bleiben. Foto: Sebastian Willnow (dpa)

    Hinter jeder Zahl steckt ein Schicksal – und jedes dieser Schicksale haben deutsche Behörden und Gerichte mit der ihnen eigenen Gründlichkeit überprüft. Ob Afghane oder Albaner, ob Nigerianer, Libanese oder Tunesier: Bei einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von acht Monaten kann kein abgelehnter Asylbewerber behaupten, sein Fall sei vorschnell oder schludrig entschieden worden. Bis jemand in Deutschland zur Ausreise aufgefordert oder gar zur Abschiebung ausgeschrieben wird, vergehen oft Jahre – wenn es überhaupt je so weit kommt.

    Ja, Abschiebungen sind grausam

    Um die 300.000 Asylanträge hat das Bundesamt für Migration im vergangenen Jahr abgelehnt. In ihre Heimatländer zurückgekehrt sind in der gleichen Zeit dagegen lediglich 80.000 Flüchtlinge, also gut ein Viertel. In Frankreich, das nur zum Vergleich, liegt dieser Anteil bei weit über 40 Prozent. Auch wenn Maßnahmen wie die umstrittene Sammelabschiebung von 18 Afghanen in der vergangenen Woche das Gegenteil suggerieren sollen: Ihr Versprechen, künftig schneller und konsequenter abzuschieben, löst die Koalition bisher nicht ein.

    Ja, Abschiebungen sind grausam. Sie zerstören Freundschaften und Träume, sie reißen Familien auseinander und zwingen Menschen zurück in eine neue Ungewissheit, die häufig schon lange hier gelebt haben und stillschweigend davon ausgegangen sind, dass aus ihrer Duldung mit etwas Glück schon noch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis werden würde. Auf der anderen Seite aber muss ein Land wie die Bundesrepublik schon um seiner selbst willen zwischen denen unterscheiden, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und unseren Schutz benötigen, und denen, die sich nur aufmachen, um ihr Glück in Deutschland zu versuchen.

    Abschiebungen einfach auszusetzen, sei es aus einem mitfühlenden Reflex heraus, sei es aus politischem Kalkül wie im aktuellen Streit um die Sicherheitslage in Afghanistan, unterspült die Fundamente des Rechtsstaats: Er muss einen ablehnenden Asylbescheid genauso durchsetzen, wie er auf der anderen Seite in hunderttausenden von Fällen Asyl gewährt. Die vergleichsweise laxe Vollzugspraxis, wie sie vor allem in rot und grün regierten Bundesländern anzutreffen ist, wirkt auf junge Afrikaner oder Pakistanis heute wie eine Aufforderung, es einfach mal zu probieren in Deutschland, mögen die Aussichten auf eine Anerkennung am Ende noch so gering sein. Motto: Ein paar kommen immer durch.

    Migranten aus dem Maghreb: Praktisch keine Chance auf Asyl

    So klaffen Wunsch und Wirklichkeit in der Asylpolitik weit auseinander. Im Moment scheitern Bund und Länder schon an einer vermeintlichen Selbstverständlichkeit wie der Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsländer. Obwohl Migranten aus dem Maghreb praktisch keine Chance auf Asyl in Deutschland haben, sperren sich die Grünen im Bundesrat seit Monaten gegen einen solchen die Verfahren beschleunigenden Schritt. Dass Abschiebungen Ländersache sind, verkompliziert die Sache dabei noch zusätzlich. In Bayern ist das Risiko, wieder nach Hause geschickt zu werden, für einen abgelehnten Bewerber deutlich größer als beispielsweise in Berlin oder Bremen.

    Mit ihrer Politik der offenen Grenzen hat Angela Merkel unser liberales Asylrecht bis an die Grenzen des Zulässigen (und teilweise darüber hinaus) ausgedehnt. Umso wichtiger ist es jetzt, dass Behörden und Gerichte den Berg an Verfahren abtragen und sauber zwischen begründeten und unbegründeten Ansprüchen trennen. Nicht jeder, der gekommen ist, wird bleiben können – diese Wahrheit ist unbequem, sie ist für die Betroffenen schmerzhaft, am Ende aber kommt auch das liberalste Asylrecht nicht ohne eine gewisse Härte aus.

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