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Bundespräsidentenwahl: Österreich blamiert sich

Bundespräsidentenwahl

Österreich blamiert sich

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    Der Grünen-Kandidat Alexander van der Bellen hatte einen hauchdünnen Vorsprung von nur 30 863 Stimmen.
    Der Grünen-Kandidat Alexander van der Bellen hatte einen hauchdünnen Vorsprung von nur 30 863 Stimmen. Foto:  Christian Bruna (dpa)

    Ganz Europa blickte vor sechs Wochen gebannt auf Österreich, ob das Wahlvolk mit dem FPÖ-Politiker Norbert Hofer erstmals einen umstrittenen Rechtspopulisten zum Staatsoberhaupt kürt. Viele reagierten dann erleichtert, als am Ende der Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen mit einem dünnen Vorsprung von wenigen zehntausend Stimmen knapp als Wahlsieger ausgerufen wurde. Doch seit gestern ist klar: Nichts ist entschieden. Die Wahl ist ungültig.

    Die obersten Richter der Alpenrepublik gaben der Anfechtungsklage der knapp unterlegenen FPÖ in fast allen Punkten statt. „Die Stichwahl muss in ganz Österreich zur Gänze wiederholt werden“, sagte der Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs Gerhard Holzinger. Die Richter listeten eine ganze Reihe von Schlampereien bei der Auszählung der entscheidenden Briefwahlstimmen auf.

    Auszähler hielten sich in Österreich nicht ans Wahlgesetz

    Obwohl spätestens nach den ersten Hochrechnungen allen Beteiligten klar sein musste, dass die Briefwähler den hauchdünnen Ausschlag geben, wer an der Spitze Österreichs stehen werde, hielten sich in vielen Teilen des Landes Auszähler nicht an das Wahlgesetz: Mal zählten unbefugte Hilfskräfte aus, mal wurden die versiegelten Wahlumschläge bereits geöffnet, bevor die zuständigen Wahlhelfer und Wahlleiter überhaupt anwesend waren.

    Die Unregelmäßigkeiten betreffen insgesamt rund 78000 Stimmen. Mehr als jede zehnte Briefwahlstimme – und damit fast zwei Prozent des äußerst knappen Wahlergebnisses: Van der Bellen lag am Ende nur mit 50,3 zu 49,7 Prozent vorn.

    Keine Manipulationen festgestellt

    Das Gericht betonte zwar ausdrücklich, dass es keine nachweisbaren Wahlmanipulationen oder gar Wahlbetrug festgestellt habe. Doch für die Ungültigkeit der Wahl reiche es aus, dass wegen der vielen Gesetzesverstöße dazu zweifellos die Möglichkeit bestanden habe.

    Ebenso blamabel für die Behörden ist, dass die Richter eine seit Jahrzehnten übliche Praxis als unzulässig anprangerten: Noch vor Schließung der Wahllokale meldeten viele Wahlämter Zwischen-stände ausgezählter Stimmen an Medien weiter. So wunderten sich am Wahltag viele, dass noch während der Abstimmung Internet-Nachrichtenseiten genaue Prognosen des Kopf-an-Kopf-Rennens lieferten. Dies wertete das Gericht als unerlaubte Wählerbeeinflussung.

    Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka räumte die Missstände ein: „Es sei wichtig, dass sich Fehler, Unregelmäßigkeiten, Schlampereien nie wieder wiederholen können“, betonte der ÖVP-Politiker.

    Mit der Wiederholung der Wahl im Herbst dürfte sich die politische Spaltung des Landes vertiefen: Die rechtspopulistische FPÖ erhält mit dem Sieg vor Gericht Rückenwind im Wahlkampf. Der Grüne Van der Bellen baut dagegen auf eine positive Wirkung seines einkassierten Wahlsiegs.

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