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Kommentar: Österreich hat gewählt – zurück bleibt ein gespaltenes Land

Kommentar

Österreich hat gewählt – zurück bleibt ein gespaltenes Land

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    Er hat die Präsidentenwahl in Österreich knapp gewonnen: Alexander van der Bellen.
    Er hat die Präsidentenwahl in Österreich knapp gewonnen: Alexander van der Bellen. Foto: Christian Bruna, dpa

    Wer Augen hat, kann sehen. Norbert Hofer kommt aus einem deutschnational geprägten Elternhaus mit Kontakten zu Personen, die noch weiter rechts stehen. Dafür kann der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ natürlich nichts. Doch auch Norbert Hofer selber, der schon viele Jahre für die Freiheitlichen Politik macht, hat Kontakte dieser Art.

    Das weiß in Österreich jeder, der sich für Politik interessiert. Im Wahlkampf hat Hofer, Ehrenmitglied in einer rechtslastigen Burschenschaft, unverblümt angekündigt, dass er Regierungen, die ihm nicht genehm sind, ohne Federlesen aus dem Amt jagen würde. Dazu wird es nicht kommen, denn in einem Herzschlagfinale hat der Grüne Alexander van der Bellen die Wahl gewonnen. Zurück bleibt ein gespaltenes Land.

    Präsidentenwahl: Norbert Hofer hätte als Präsident den Kanzler absetzen können

    Nicht allzu viele Stimmen haben gefehlt. Fast hätte Hofer die Zeit der gemütlichen alten Herren, die die Alpenrepublik nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Präsidenten repräsentiert haben, beendet. Immerhin gibt die Verfassung des Landes dem Präsidenten verblüffend weitreichende Möglichkeiten, die gewählte Regierung in die Schranken zu weisen: Der Staatschef darf sie kurzerhand absetzen.

    Ja, er hätte sogar die Befugnis gehabt, seinen Parteifreund Heinz-Christian Strache zum Kanzler zu machen. Kompetenzen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs festgelegt wurden. Sie sind längst in Vergessenheit geraten, nachdem die beiden lange Zeit übermächtigen Parteien – sprich die konservative ÖVP und die sozialdemokratische SPÖ – sich darauf geeinigt hatten, dass die jeweiligen Präsidenten die weitreichenden Optionen des Amtes nicht ausreizen.

    Österreich: Der Frust über die Volksparteien ist groß

    Der Aufstieg der FPÖ verläuft parallel zum Abstieg von ÖVP und SPÖ. Die beiden früheren Volksparteien haben die wichtigsten Posten, die der Staat zu vergeben hat, untereinander aufgeteilt. Reformen wurden immer wieder angekündigt, aber nie angepackt. Der Frust ist groß. So groß, dass sich viele Menschen Veränderung wünschen. Und zwar um jeden Preis. Die Sehnsucht nach einem Wechsel ist derart gewachsen, dass die FPÖ, eine rückwärtsgewandte, in Teilen dumpf ausländerfeindliche Partei, profitiert.

    Der neue Kanzler Christian Kern spricht fast keinen Satz in die Mikrofone, in dem das Wort Neuanfang nicht vorkommt. Der Mann ist Bahn-Manager, also kein Berufspolitiker. Das ist wichtig. Denn das Ansehen der Politiker ist in unserem Nachbarland noch schlechter als nördlich der Alpen. Immerhin hat die Politisierung im Zuge der Richtungswahl dafür gesorgt, dass die Verfechter eines weltoffenen, liberalen Österreichs aufgewacht sind. Sehr wahrscheinlich, dass Kerns Amtsantritt Hofers Sieg verhindert hat. Damit ist Zeit gewonnen. Zeit, die schnell nutzlos verrinnen wird, wenn die Große Koalition nicht umgehend anfängt, entschlossen zu regieren.

    Was Deutschland und Österreich eint - und unterscheidet

    Politiker, Wissenschaftler und Medien wollen uns einreden, dass das, was sich in Österreich abspielt, auch bei uns mit absoluter Gewissheit eintreten wird. Tatsächlich gibt es Parallelen. Seit 2013 regiert eine konservativ-sozialdemokratische Koalition. Die rechtspopulistische AfD steht bundesweit – je nach Umfrage – bei 13 Prozent.

    Und dennoch: Es gibt, trotz der Flüchtlingskrise, kein Naturgesetz, dass auch in Deutschland eine rechte Partei die Etablierten abhängt. Denn es fehlen einige Zutaten, die die Populisten brauchen, um Erfolg zu haben. Die wirtschaftliche Lage ist stabil, die Arbeitslosigkeit geringer. Eine lebendige Zivilgesellschaft wacht darüber, dass sich keine Partei den Staat zur Beute macht. Und der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck steht für Demokratie und Toleranz.

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