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Staatstrojaner: Polizei darf künftig am Smartphone und Computer mitlesen

Staatstrojaner

Polizei darf künftig am Smartphone und Computer mitlesen

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    Der Bundestag hat den Weg für den "Staatstrojaner" freigemacht.
    Der Bundestag hat den Weg für den "Staatstrojaner" freigemacht. Foto: Uli Deck (dpa)

    Die Polizei kann in Zukunft direkt auf die Festplatten von privaten Computern oder die Speicher von Smartphones zugreifen und Nachrichten in Messenger-Diensten wie WhatsApp schon vor dem Verschlüsseln mitlesen. Die Große Koalition hat dazu am Donnerstag den Weg für den umstrittenen „Bundestrojaner“ freigemacht.

    Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitsbehörden, eine spezielle Späh-Software („Trojaner“) auf die Computer aufzuspielen, ohne dass die Betroffenen davon erfahren. Grüne und Linke machten dagegen schwere verfassungsrechtliche Bedenken geltend und kündigten den Gang nach Karlsruhe an. Auch Datenschützer sind empört.

    Polizei und Verfassungsschutz hatten schon lange mehr Befugnisse bei der Überwachung der Online-Kommunikation gefordert. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts waren solche Eingriffe bisher auf Terrorermittlungen beschränkt. Das neue Gesetz sieht nun eine deutlich breitere Liste mit Mord, Totschlag, Steuerdelikten, Computerbetrug, Hehlerei oder Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragsstellung vor.

    Um es noch vor dem Ende der Wahlperiode durch den Bundestag zu bringen, musste die Koalition einen Trick anwenden: Die Regelung wurde in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses an ein anderes Gesetz angehängt, das unter anderem Fahrverbote für Kleinkriminelle vorsieht.

    Scharfe Kritik am Staatstrojaner

    Die Oppositionsparteien kritisierten das Vorgehen der Koalitionäre. Die Grünen forderten Union und SPD auf, ihren Gesetzentwurf zurückzuziehen und durch einen verfassungskonformen Antrag zu ersetzen: „Das nahezu vollständige Wissen über die Zielperson geht weit über die akustische Wohnraumüberwachung hinaus und bedeutet eine völlig neue Tiefe des Grundrechtseingriffs.“ So sei ein Smartphone heute deutlich mehr als nur ein Telefon, sondern ein kompletter Computer, auf dem oft sogar intimste Daten gespeichert seien.

    Auch der frühere Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, kritisierte gegenüber unserer Zeitung die Pläne der Koalition. So würde der neue Staatstrojaner die IT-Sicherheit gefährden, da die Behörden bei der Platzierung des Trojaners dieselben Schwachstellen „wie Betrüger und Erpresser“ benutzen. „Warum sollte der Staat zukünftig noch daran interessiert sein, die erkannten Sicherheitslücken zu schließen? Er würde sich ja dann selbst aussperren.“

    Dass weder der Bundestag noch die Öffentlichkeit genügend Zeit hätten, gründlich über ein so wichtiges Gesetz zu diskutieren, „halte ich angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag für einen ziemlich arroganten Umgang der Regierungsfraktionen mit der Macht“. Bisher hat das Bundeskriminalamt allerdings weder die technischen Möglichkeiten, Dienste wie WhatsApp zu überwachen, noch eine Software, die auf Smartphones funktioniert und die hohen Auflagen des Verfassungsgerichts beim Datenschutz erfüllt.

    Wichtige Fragen zum Staatstrojaner beantwortet:

    Die Rede ist dabei oft von einem Staatstrojaner. Was ist das?

    Trojaner sind kleine Programme, die heimlich auf Computer oder Handys geschmuggelt werden und dort schädliche Funktionen ausüben - etwa Daten stehlen, ausspähen, oder die Kommunikation überwachen. Genau solche Programme, in diesem Fall also vom Staat eingesetzt, sollen künftig verstärkt von Ermittlungsbehörden eingesetzt werden dürfen, um Handys und Computer auszuspähen. Technisch gesehen der Einsatz von Bundestrojaner oder Staatstrojaner die gleiche Vorgehensweise, zu der auch Online-Kriminelle greifen - nur eben in diesem Fall zur Aufklärung von Verbrechen.

    Und was ist eine Online-Durchsuchung?

    Davon spricht man, wenn sich Ermittlungsbehörden heimlich - eben mithilfe eines sogenannten Staatstrojaners - Zugriff auf einen fremden Computer verschaffen, um die darauf gespeicherten Daten wie Texte und Bilder anzusehen und zu sichern.

    Um welche Straftaten geht es bei dem Überwachungsgesetz? 

    Nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts waren solche Eingriffe bisher auf Terrorismus-Ermittlungen beschränkt. Das neue Gesetz sieht eine deutlich breitere Liste mit Mord, Totschlag, Steuerdelikten, Computerbetrug, Hehlerei oder Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragsstellung vor. Ähnlich wie bei klassischen Abhörmaßnahmen soll die Online-Überwachung nur auf richterlichen Beschluss möglich sein.

    Wie wollen die Ermittlungsbehörden die Kommunikation über Messenger wie WhatsApp überhaupt mitlesen, wo diese doch mit Komplett-Verschlüsselung werben?

    Die Übermittlung zwischen Geräten der beteiligten Nutzer ist zwar so verschlüsselt, dass auch die Anbieter keinen Zugriff auf die Inhalte haben - aber die Nachrichten müssen ja auch von den Menschen geschrieben und gelesen werden. Dafür sind sie in entschlüsselter Form auf dem Bildschirm zu sehen - und genau hier wollen die Ermittler die Informationen abgreifen. Das nennt man Quellen-Telekommunikationsüberwachung ("Quellen-TKÜ").

    Was sind die Risiken von Staatstrojanern und Online-Durchsuchung?

    Um auf die Geräte zu kommen, müssen die Behörden Sicherheitslücken in der  Software kennen und ausnutzen können. IT-Sicherheitsexperten werden nicht müde, zu warnen, dass solche Schwachstellen, die man bewusst bestehen lässt, gefährlich sind, weil sie auch von Kriminellen entdeckt und missbraucht werden können. 

    Wie stellt man sicher, dass die Ermittler nur wie vorgesehen die laufende Kommunikation mitlesen können?

    Dass man die Zugriffsmöglichkeiten schlecht einengen kann, sobald der Trojaner erst einmal auf einem Gerät installiert wurde, ist einer der Einwände von Kritikern des Plans. "Der Richtervorbehalt ist völlig unzureichend, um die Reichweite der Software zu kontrollieren und sicherzustellen, dass diese auch wieder abgeschaltet wird. Einem Richter fehlen dazu die technische Sachkunde und eine unabhängige Expertise", sagte etwa der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

    Warum hat man in den letzten Wochen und Monaten nichts über das Gesetzes-Vorhaben gehört?

    Tatsächlich soll diese massive Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten quasi durch die Hintertür eingeführt werden. Die Pläne wurden nämlich ohne größere öffentliche Debatte in ein langes Gesetz "zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" gesteckt. Darin geht es unter anderem um den möglichen Führerschein-Entzug bei Nicht-Verkehrsstraftaten. Die Überwachungspläne wurden erst vor einigen Wochen in das Gesetz eingefügt und sollen heute mit beschlossen werden.

    Ist das Ganze verfassungskonform?

    Das Bundesverfassungsgericht hat in den vergangenen Jahren gleich mehrere Überwachungs- und Sicherheitsgesetze gekippt, eben, weil diese viel zu weitreichend, und damit verfassungswidrig waren. Ob das auch für die neuen geplanten Gesetze gilt, bleibt abzuwarten.  Dafür müsste jemand vor Gericht ziehen. "Ich gehe fest davon aus, dass dies passieren wird, wenn der Entwurf so Gesetz wird, wie es gerade geplant ist", meint etwa der Kriminologe Tobias Singelnstein im Interview mit netzpolitik.org. "Das wäre dann der schwerste Eingriff, den wir in der Strafprozessordnung zu Ermittlungszwecken hätten. Da wird es mit Sicherheit Leute geben, die nach Karlsruhe gehen und das dort zum Thema machen."

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