Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Hintergrund: Randale auf dem Dach und trotzdem frei

Hintergrund

Randale auf dem Dach und trotzdem frei

    • |
    Auf Infrarotaufnahmen der Hamburger Polizei sind zwei Männer auf einem Dach im Schanzenviertel zu erkennen. Von den Dächern ging eine in dem Ausmaß nicht erwartete Gefahr für die eingesetzten Polizisten aus.
    Auf Infrarotaufnahmen der Hamburger Polizei sind zwei Männer auf einem Dach im Schanzenviertel zu erkennen. Von den Dächern ging eine in dem Ausmaß nicht erwartete Gefahr für die eingesetzten Polizisten aus. Foto: Polizei Hamburg

    Das dreistöckige Gebäude steht im Hamburger Schanzenviertel an der Ecke der Straßen Schulterblatt und Beim Grünen Jäger, 700 Meter vom Autonomenzentrum Rote Flora entfernt. Es ist in den Tagen vor dem G20-Gipfel von einem Gerüst umgeben. Wegen der Bauarbeiten ist es unbewohnt. Am Freitagabend wird es von mutmaßlichen Chaoten gekapert.

    Dass am Abend und in der Nacht von dort wie anderswo Gewalt ausgeht, gilt inzwischen als gesichert. Aber es lässt sich offenbar nicht so gerichtsfest machen, dass es für einen Haftbefehl reichen könnte. Zumindest sind bereits zu Wochenbeginn 13 Tatverdächtige, die dort in Gewahrsam genommen worden sind, wieder auf freiem Fuß.

    Das bestätigt auch der Hamburger Gerichtssprecher Kai Wantzen. Er begründet dies damit, dass sich aus der Situation der Ingewahrsamnahme heraus keine belastbaren Anhaltspunkte für die Beteiligung an Gewalttaten ergeben hätten.

    Nach Darstellung der Polizei spielt das Haus Schulterblatt 1 aber eine Schlüsselrolle während der Krawalle. Schwer bewaffnete Spezialkräfte stürmen das eingerüstete Gebäude, von dem aus Randalierer die Polizei massiv angegriffen haben, erst mit mehrstündiger Verzögerung, wie das Hamburger Abendblatt berichtet, weil die Einsatzkräfte um ihr Leben fürchten. Ein möglicher Hinterhalt wird nicht ausgeschlossen. In dieser Zeit werden Barrikaden angezündet und Läden geplündert. Erst als das Haus gesichert ist, gehen die Kräfte massiv vor.

    Eine Verlängerung des Gewahrsams sei in fünf Fällen nicht zuletzt daran gescheitert, dass die Polizei die 13 Anträge zu kurzfristig eingereicht habe. Eine hoch belastete Nebenstelle des Amtsgerichts Hamburg habe daher nicht mehr rechtzeitig vor Ablauf der Frist darüber entscheiden können. In vier Fällen habe mangels Anhaltspunkten für die Beteiligung an den Gewalttaten die Freilassung angeordnet werden müssen, so der Gerichtssprecher. In vier Fällen sei der Gewahrsam bis zum Sonntag beziehungsweise Montag verlängert worden.

    Aber hätte es zu der Eskalation an dem Haus überhaupt kommen dürfen? Nach Erkenntnissen des Abendblatts hätte die Polizei das an einem strategisch wichtigen Punkt gelegene Haus vorher sichern können – wenn sie es gewollt hätte. Denn der Hausverwalter hat ihr offenbar schon am 5. Juli Schlüssel zu dem Gebäudekomplex übergeben. In einem Schreiben, das der Bild-Zeitung vorliegt, verzichten die Hauseigentümer ausdrücklich auf ihr Hausrecht, um der Polizei den Zugang zu ermöglichen. Das würde die Behauptung von Einsatzleiter Hartmut Dudde widerlegen, der auf die Frage, warum auf dem Dach oder dem Gerüst keine Beamten postiert worden sind, geantwortet hat: „Dächer gehören zu Privatgebäuden. Da haben wir nichts zu suchen.“

    Zumindest eine positive Bilanz können andere Sicherheitsbehörden ziehen: Bei ihren zum G20-Gipfel durchgeführten Grenzkontrollen zu den deutschen Nachbarländern haben die Beamten viele Treffer verbucht. Allein an der bayerisch-österreichischen Grenze nahm die Bundespolizei 222 per Haftbefehl gesuchte Verdächtige fest. Insgesamt konnte sie am Gipfelwochenende an allen kontrollierten deutschen Grenzübergängen 744 Haftbefehle vollstrecken. Zudem registrierten die Beamten 4300 illegale Einreisen. Die meisten davon waren offenbar Flüchtlinge, die sofort Asyl beantragten – nur 920 konnte die Polizei wieder zurückschicken oder zurückweisen.

    Was den Hamburger G20-Gipfel direkt betrifft, fiel die Ausbeute der insgesamt an den Grenzen und Flughäfen eingesetzten 3500 Polizeibeamten eher überschaubar aus: Sie verweigerten genau 61 als Krawalltouristen verdächtigen Personen die Einreise. Die Beamten fanden bei ihnen entsprechende „Vermummungs- und Schutzausrüstung“ oder die Linksradikalen waren bereits als wiederholte Gewalttäter polizeibekannt. (mit dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden