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Frankfurter Polizei: Rechtes Netzwerk bei Polizei soll Anwälten von NSU-Opfern gedroht haben

Frankfurter Polizei

Rechtes Netzwerk bei Polizei soll Anwälten von NSU-Opfern gedroht haben

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    Der Schriftzug Polizei am 1. Polizeirevier auf der Zeil. Nach dem Bekanntwerden eines möglichen rechten Netzwerkes zwischen Beamten dieses Reviers ermittelt das Landeskriminalamt.
    Der Schriftzug Polizei am 1. Polizeirevier auf der Zeil. Nach dem Bekanntwerden eines möglichen rechten Netzwerkes zwischen Beamten dieses Reviers ermittelt das Landeskriminalamt. Foto: Boris Roessler, dpa (Symbolbild)

    Die Ermittlungen gegen ein mutmaßliches rechtsextremes Netzwerk in der Frankfurter Polizei ziehen weitere Kreise. Das Landeskriminalamt hat sich eingeschaltet, die Politik ist alarmiert, auch Kollegen der beschuldigten Beamten sind besorgt. Das gesamte Ausmaß der Vorwürfe ist noch unklar.

    Rechtsextremes Netzwerk: Hessens Innenminister kündigt harte Konsequenzen an

    Inzwischen haben sich die Ermittlungen nach Mittelhessen ausgeweitet. Im Zusammenhang mit den Vorwürfen sei eine Dienststelle im Kreis Marburg-Biedenkopf durchsucht worden, hieß es am Dienstag aus Polizeikreisen. Zuvor hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) darüber berichtet. Die Durchsuchung soll einen der fünf Beamten betroffen haben, gegen die sich die Vorwürfe richten. Dieser sei zwischenzeitlich in Mittelhessen im Einsatz gewesen, so dass die Durchsuchung dort stattgefunden habe, hieß es aus den Polizeikreisen weiter.

    Die Staatsanwaltschaft Frankfurt äußerte sich aus "ermittlungstaktischen Gründen" nicht dazu - auch nicht zu FAZ-Angaben, wonach weitere Verdachtsfälle in anderen Präsidien polizeiintern geprüft würden.

    Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) kündigte am Dienstag harte Konsequenzen an, sollte sich der Verdacht bestätigen. "Wir werden das lückenlos aufklären, und es wird - ohne Ansehen der Person - jedem noch so geringen Verdachtsmoment umfassend nachgegangen werden." Die Ermittlungen liefen mit Hochdruck. "Ich lasse nicht zu, dass mehr als 14.000 Polizeibeamte unter den Verfehlungen einiger Kollegen leiden müssen", betonte der Innenminister.

    Polizisten sollen sich fremdenfeindliche Bilder und Texte geschickt haben

    Schon vor einer Woche war bekannt geworden, dass fünf Beamte aus dem Frankfurter 1. Revier suspendiert wurden. Sie sollen sich über einen Messenger-Dienst beleidigende und fremdenfeindliche Bilder, Videos und Texte zugeschickt haben. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt bestätigte, dass sie wegen Volksverhetzung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Das Polizeipräsidium bestätigte, dass die Kollegen nicht mehr im Dienst sind.

    Die Linke hofft, dass der Innenminister über den Stand der Ermittlungen informiert und in der Sitzung auch Fragen zu einem Drohschreiben gegen eine türkischstämmige Anwältin beantwortet. Man werde "alles auf den Tisch" bringen, sagte Fraktionschefin Wissler. In ihrem Antrag stellt die Fraktion an die Landesregierung elf Fragen zu den Ermittlungen.

    "NSU 2.0" - Polizisten sollen türkischstämmigen Anwälten gedroht haben

    Die Frankfurter Neue Presse (FNP) hatte über ein Schreiben an die Anwältin berichtet, in dem gedroht worden sei, ihre zweijährige Tochter zu "schlachten". Auf dem Fax, das mit "NSU 2.0" unterzeichnet gewesen sein soll, habe die nicht öffentlich bekannte Privatadresse der Familie gestanden. Diese Daten finden sich aber in Behördencomputern. Die Anwältin hatte Opfer im NSU-Prozess und Terrorverdächtige vertreten.

    Mehrere Versuche der Deutschen Presse-Agentur, eine mündliche oder schriftliche Stellungnahme von der Juristin zu erhalten, blieben erfolglos. Sie erklärte in einer SMS, sie wolle sich zum Sachverhalt nicht mehr öffentlich äußern. Auch vonseiten der zuständigen Behörden gab es zu dem Drohschreiben keinerlei Stellungnahmen. Der Spiegel berichtete am Dienstag online über einen weiteren türkischstämmigen Anwalt, der eine rechtsextreme Hassmail mit dem Betreff "NSU 2.0" erhalten habe. Der Jurist aus Köln ist ebenfalls Anwalt von NSU-Opfern.

    Gewerkschaft der Polizei zeigt sich "erschüttert" über "skandalöse Taten"

    Im hessischen Landeskriminalamt (LKA) nahm am Montag eine Arbeitsgruppe aus "erfahrenen Ermittlern" die Arbeit auf, wie LKA-Sprecher Christoph Schulte sagte. Was genau Gegenstand der Ermittlungen ist, sagte der Sprecher nicht. Federführend sei die Staatsanwaltschaft Frankfurt, die sich aber nicht äußerte.

    Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich "sowohl erschüttert als auch erbost" über die "widerwärtigen Hintergründe" der mutmaßlichen Taten. Bundesvorsitzender Oliver Malchow sprach von "skandalösen Taten". "Wer rechtsextremes Gedankengut teilt, Ausländerhass propagiert, mit abstoßender Gewalt droht und polizeiliche Instrumente für seine Taten nutzt, hat in unserer fest auf dem Boden der Verfassung stehenden Polizei nichts verloren", sagte Malchow in Berlin.

    Der stellvertretende GdP-Vorsitzende Jörg Radek sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), er sehe trotz der Ermittlungen keine strukturellen Probleme: "Ich glaube nicht, dass es in der Polizei eine Systematik oder eine Struktur gibt, die das begünstigt." Die gesamte hessische Polizei sei sehr betroffen von den im Raum stehenden Vorwürfen, sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Grün. "Die Kollegen sind wirklich erschüttert." Jetzt gehe es um nichts anderes, als schleunigst den kompletten Fall aufzuklären, damit weiterer Schaden von der Polizei ferngehalten werden könne.

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    Polizeiskandal in Frankfurt: Grüne fordern unabhängigen Polizeibeauftragten

    Auch außerhalb Hessens wurde der Ruf nach Aufklärung lauter. Michael Brand, Innenpolitiker und CDU-Bundestagsabgeordneter aus Fulda, sagte in Berlin: "Jetzt braucht es den Dreiklang: keine Vorverurteilungen, saubere Aufklärung und bei erhärteten Verdachtsfällen hartes Durchgreifen." Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sah alle Verantwortlichen "in der Pflicht, Rechtsextremismus konsequent entgegenzutreten und jedem Verdacht nachzugehen - das gilt insbesondere für staatliche Behörden".

    Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic forderte, unabhängige Polizeibeauftragte im Bund und in den Ländern einzusetzen. Bei ihnen solle jeder Beamte frühzeitig und auf Wunsch auch anonym Hinweise auf solche Entwicklungen geben können, sagte Mihalic der Neuen Osnabrücker Zeitung (Dienstag). Diese Beauftragten müssten außerhalb der Behördenhierarchie stehen, damit sie Mängel und Fehlverhalten der Polizei aufklären und untersuchen könnten. "Dies würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, schon sehr früh Hinweise auf Fehler zu erhalten", sagte Mihalic. Vorbild könne auf Bundesebene der Wehrbeauftragte des Bundestags sein.

    Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mathias Middelberg, warnte in der Neuen Osnabrücker Zeitung davor, die Polizei jetzt unter "Generalverdacht" zu stellen. "Unsere Polizei ist auf dem rechten Auge ebenso wenig blind wie auf dem linken", sagte er. Er sei sicher, dass den "in der Tat beunruhigenden Vorwürfen ohne falsche Rücksichtnahme durch die zuständigen Behörden umfassend nachgegangen wird".

    Der Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg, Rafael Behr, geht davon aus, dass es sich bei den Vorgängen in Frankfurt nicht um einen Einzelfall handelt. "Innerhalb der Polizei gibt es durchaus Milieus, die sich in solche Positionen versteigen und darin gefallen, extreme Ansichten zu teilen", sagte Behr dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es gibt immer wieder Vorfälle."

    Hessens Ministerpräsident Bouffier: "Das ist eine sehr ernste Geschichte."

    Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte in München: "Polizeibeamte müssen zweifelsfrei auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen und an dieser Einstellung von Polizeibeamten darf es nicht den geringsten Zweifel geben." Zu den genauen Hintergründen wollte sich Seehofer zunächst nicht äußern. "Ich muss mir da auch erst mal über mein Ministerium authentische Informationen geben lassen."

    "Das ist eine sehr ernste Geschichte. Da muss man sehr sorgfältig drangehen", sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in Berlin. "Ich kann noch nicht übersehen, wie weit das geht. Aber es ist kein Zweifel, dass uns das sehr, sehr ernst angeht."

    In Wiesbaden sollen die Vorwürfe Thema einer Sondersitzung des Innenausschusses am kommenden Mittwoch werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Günter Rudolph, forderte "gründliche, restlose und zeitnahe" Aufklärung.

    Der Landesausländerbeirat Hessen forderte Konsequenzen: "Wir brauchen jetzt einen geschärften Blick der Polizei auch nach innen und dauerhafte Strukturen, die solche Entwicklungen aufspüren", sagte Vorsitzender Enis Gülegen in Wiesbaden. Man müsse verhindern, dass sich rechtsextremes Gedankengut in den Polizeiapparat einschleicht. (dpa, AZ)

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