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Wetter: Schnee nach Ostern: Alles (nicht) normal

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Schnee nach Ostern: Alles (nicht) normal

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    Bis zu 40 Zentimeter Neuschnee, aber der Jogger bei Balderschwang läuft trotzdem.
    Bis zu 40 Zentimeter Neuschnee, aber der Jogger bei Balderschwang läuft trotzdem. Foto: Matthias Becker

    Wenn schon der Deutsche Wetterdienst aus den Fugen gerät, du lieber Himmel, was muss dann passiert sein? Stellt sich doch ein Meteorologe des Hauses an diesem eh schon konfusen Tag hin und behauptet: „Man könnte fast frohe Weihnachten wünschen.“ Schnee an Weihnachten, wie putzig. Als hätte es das jemals (außerhalb des Allgäus) gegeben. Da ist ja Schnee im Mai noch wahrscheinlicher. Der Kalender zeigt gestern den 18. April an. Eigentlich also alles normal. Sagt der Wetter-Experte und damit der Verstand. Das Gefühl sagt: Nichts ist normal.

    Weil das Gefühl längst auf Frühling eingestellt ist. Der wärmste März aller Zeiten liegt hinter uns. Die Gartenmöbel und die kurzen Kleidchen sind draußen, die Winterreifen abmontiert und die Magnolienblüten teilweise schon wieder hinüber. Und dann kommt er, der Wettermann, und verkündet eiskalt: Es geht noch mehr. Die eine oder andere Flocke, sogar im Flachland, minus fünf, sechs Grad, alles drin in den nächsten Tagen. Die von den ersten warmen Sonnenstrahlen angebräunten Gesichter signalisieren große Leere – wie der weitläufige Biergarten von Schloss Scherneck im Kreis Aichach-Friedberg.

    Der Biergarten von Schloss Scherneck liegt verlassen da

    Die Bänke weiß gezuckert, die Sonnenschirme zusammengeklappt, so liegt das beliebte Ausflugsziel verlassen auf der Anhöhe über dem Lechrain. Fast wie im Winterschlaf. Die Aussicht auf frischen Spargel lockt auch keine Gäste an. Die frühlingshafte Speisekarte des Schlossbräustüberls wirkt beinahe ironisch angesichts des Schneegestöbers.

    „Bei schönem Wetter“, sagt Pächter Klaus Sayer, „wäre der Biergarten jetzt voll.“ Kinder würden über den Spielplatz toben, Ausflügler unter den Bäumen sitzen, Bedienungen ihre vollen Tabletts durch die Reihen balancieren. Stattdessen sitzt Sayer in der Gaststube und trägt einen warmen Fleecepullover. Hinter der Glasscheibe des Kachelofens glühen die Holzscheite und verbreiten eine wohlige Wärme in der Stube. Ein einzelner Gast liest in Ruhe Zeitung. Gedämpft klingt Geschirrklappern aus der Küche.

    Seit 13 Jahren betreibt Sayer das Restaurant. Normalerweise geht die Biergartensaison im April los. So steht es zumindest in seinem Kalender. Sayer notiert sich abends das Wetter, dann plant es sich im nächsten Jahr leichter. „Vor vier Jahren lag am 15. April auch noch Schnee“, erzählt Sayer. Natürlich wirken sich die Temperaturen, gerade rund um Ostern, auf den Umsatz aus. Es habe sich aber gezeigt, dass es sich bis Saisonende im Herbst wieder ausgleicht. Sechs Mitarbeiter hat er auf Abruf für den Biergarten eingeplant. Die nächsten Tage wird er sie wohl nicht brauchen. Sayer steht auf und geht zurück in die Küche – Geschirr zählen. Oder Geräte warten. „Wir machen dann eben andere Arbeiten“, sagt er noch.

    Statt Bikinis kaufen die Menschen Fleecepullis

    Wer will an solchen Tagen schon raus, mit oder ohne Fleecepulli? Das ist ein paar Kilometer weiter in der Innenstadt von Gersthofen auch nicht anders. Wer kann, bleibt zu Hause, wer nicht, flüchtet vor den dicken Schneeflocken unter die Vordächer. Entsprechend wenig los ist im City Center, dem Einkaufszentrum der Stadt. „Heute ist es schon sehr ruhig“, sagt eine Verkäuferin in einem Modeladen, während sie T-Shirts zusammenlegt. Nur wenige Kunden schauen sich um, eine einzige Umkleidekabine ist belegt. „Sommerkleider kauft heute keiner“, sagt sie. Wen wundert’s.

    Stattdessen haben sie und ihre Kollegen am Morgen schnell reagiert. Vor der Eingangstür steht ein Ständer mit reduzierten Pullovern und kuscheligen Sweatshirt-Jacken. Im Laden selbst haben sie die Wintersachen, die eigentlich schon weggeräumt waren, weiter vorne aufgebaut. „Viel ist nicht mehr da“, sagt die Verkäuferin, „aber wir müssen auf das Wetter reagieren.“ Von den Pullovern hat sie heute sogar schon einen verkauft, und auch winddichte Softshell-Jacken sind gefragt.

    Dabei ist jetzt eigentlich die Zeit für Frühlings- und Sommerkleider, in vielen Familien stehe die Kommunion oder Konfirmation an, erzählt die Verkäuferin. Auch die Schaufensterpuppen sind noch auf Sonne eingestellt. Sie posieren mit kurzen Hosen und knappen Oberteilen. „Letzte Woche“, sagt die Angestellte, „haben sich die Sommersachen noch sehr gut verkauft.“ Auch Bikinis und Badehosen waren schon angesagt. Die hängen jetzt weit hinten. Zumindest bis die Sonne wieder rauskommt.

    Müssen bei Schnee die Winterreifen wieder drauf?

    Um die Kirche mal im Dorf zu lassen: Das alles passiert ja nicht zum ersten Mal. Gefühlt aber irgendwie doch. Vielleicht sind deshalb auch schon wieder so viele Autofahrer mit Sommerreifen unterwegs – und entsprechend kalt erwischt worden. Die Faustregel O bis O, Winterreifen also zwischen Oktober und Ostern, haut nun mal nicht immer hin. „Ostern ist ja mal früher und mal später im Jahr“, sagt Ingmar Weigl, Niederlassungsleiter der Prüfgesellschaft Dekra in Augsburg. Stimmt. Ruprecht Müller, Experte im ADAC-Technikzentrum in Landsberg am Lech, rät dazu, die Reifen erst Ende April oder Anfang Mai zu wechseln. Auch gut. Aber was ist mit denen, die schon mit Sommerprofil fahren?

    Solange der Schnee eine Ausnahme bleibt, muss man nicht zurückwechseln, beruhigt Siegfried Hartmann, Sprecher des Augsburger Polizeipräsidiums. Es droht auch nicht automatisch eine Strafe. Wichtig ist, dass man niemanden behindert oder gefährdet. Würde also der Schnee liegen bleiben, sollten die Straßen matschig oder glatt sein, müsse man sein Auto notfalls stehen lassen. Wer das nicht macht und von der Polizei erwischt wird, muss mit einem Bußgeld von 60 Euro und einem Punkt in Flensburg rechnen, ergänzt ADAC-Sprecher Johannes Boos. Behindert er den Verkehr, seien 80 Euro plus ein Punkt fällig. Ist man in einen Unfall verwickelt, droht noch mehr Ärger. Stellt die Versicherung fest, dass die falschen Reifen zumindest zum Teil für den Unfall verantwortlich waren, kann sie bei der Schadensregulierung erhebliche Probleme machen.

    So oder so rät Polizeisprecher Hartmann zu Gelassenheit. Womit er der Stimmungslage von Gastronomen, Modehändlern oder Autofahrern im Allgäu ziemlich nahe kommt. Dort hinterlässt der Wintereinbruch im Frühling natürlich auch diesmal die tiefsten Spuren. Der 1407 Meter hoch gelegene Riedbergpass im Oberallgäu, der den Raum Sonthofen mit Balderschwang („Bayerisch Sibirien“) verbindet, ist gestern zeitweise nur mit Ketten befahrbar. Gleichzeitig wittert man in den Bergen noch einmal richtig gute Geschäfte. Alfred Spötzl vor allem. Er ist Betriebsleiter der Nebelhornbahn in Oberstdorf. Seine Mannschaft hat seit Karsamstag alle Hände voll zu tun, den Schneemassen Herr zu werden. 80 Zentimeter Neuschnee sind seitdem gefallen. Und es schneit weiter. „Beste Verhältnisse also für Skifahrer, wenn das Wetter ab Donnerstag besser wird“, sagt Spötzl. Oben am Nebelhorn dauert die Saison noch bis zum 1. Mai. Danach ist Schluss, auch wenn noch so viel Schnee liegt. Derartige Kälteeinbrüche im April, weiß er aus Erfahrung, sind nichts Ungewöhnliches. Alles normal also.

    Die meisten Bergbahnen allerdings sind schon im Sommerbetrieb oder werden gerade technisch überholt. Auf jeden Fall sind die meisten Pisten nicht mehr präpariert. Lediglich an der Kanzelwandbahn bei Riezlern im Kleinwalsertal laufen bis einschließlich Sonntag noch die Hauptbahn und zwei Sesselbahnen. Dort herrschen auf den Pisten bis ins Tal beste Verhältnisse. Vielerorts problematisch in den Alpen ist jetzt aber die Lawinengefahr. Die ist seit Karsamstag von Stufe eins (gering) auf drei (erheblich) gestiegen, heißt es aus der Lawinenwarnzentrale in München. Was bedeutet: „Unternehmungen abseits gesicherter Pisten erfordern zurzeit Vorsicht und überlegte Routenwahl.“

    Schausteller auf dem Augsburger Osterplärrer sind gegen Kälte gerüstet

    Die Augsburger Unternehmung Nummer eins ist in diesen Tagen der Osterplärrer, Schwabens größtes Volksfest – eigentlich. Doch Volksfest und Schnee, das klingt nicht nach Harmonie. Am Ostersonntag hat der Plärrer begonnen, und seitdem ist Winterwetter. „Jeder Tag, an dem das Wetter nicht passt, tut weh“, sagt Bruno Noli, während er mit einem Wasserschlauch den nassen Schnee vom Vordach seines Süßigkeitenstandes spritzt. Zuvor hat er mit seinen Helfern schon das Zeltdach des Autoscooters geräumt.

    So hart das nun ist: An Wetterkapriolen sind die Schausteller gewöhnt. Noli erinnert sich an ein Volksfest im Allgäu irgendwann im Mai. Als er eines Morgens aufstand, lagen plötzlich 20 Zentimeter Neuschnee. Die Wohnwagen der Schausteller sind für Kälte gut gerüstet. Bruno Nolis Wagen hat eine eingebaute Ölheizung. Und er hat sogar eine Fußbodenheizung, damit es an den Füßen nicht kalt wird.

    Frühlingsblumen leiden unter dem Kälteeinbruch

    Wie praktisch das jetzt wäre, wird sich so mancher Hobbygärtner denken: eine Fußbodenheizung fürs Äpfelbäumchen und den Himbeerstrauch. Gibt es in der Form leider nicht, auch nicht im Dehner-Gartencenter im Augsburger Stadtteil Lechhausen. Dort im Eingangsbereich liegen auch gestern stapelweise Grillkohle und -briketts. Ein Mitarbeiter ist damit beschäftigt, zumindest einige Pakete davon in die Fachabteilung zu bringen.

    Überhaupt haben die Mitarbeiter am ersten Tag nach Ostern gut damit zu tun, das Sortiment auf das Wetter einzustellen. Gleich vier von ihnen schieben Rollregale aus dem Außenbereich unter das Vordach. Der Gartenmarkt hat gerade eine Großlieferung mit Sommerblumen erhalten. Begonien, Petunien, Hortensien, Geranien – sie alle müssen jetzt tagsüber unters Vordach. Übernachten müssen sie ohnehin im Innenraum, sagt Marktleiter Robert Engelhard. Er rechnet nicht damit, dass die Kältephase lange dauert. Bis es wieder wärmer wird, will er die Zierpflanzen vorhalten: „Sobald Sonnenstrahlen zu sehen sind, will der Kunde alles auf einmal.“ Klassische Frühlingsblüher wie Viola oder Hyazinthen seien schon Ende März ausverkauft gewesen. „Nun geht es los mit dem Balkonschmuck, also Geranien und Petunien.“

    Vor genau diesen steht nun Ludwig Hauser aus dem benachbarten Derching und schaut etwas skeptisch drein. Entschlossen sagt der Hobbygärtner: „Also vor den Eisheiligen geht auf meinem Balkon nix.“ Er schaue sich die Pflanzen gerne schon mal an, aber kaufen will er sie vor Mai nicht. „Wenn die mir einfrieren, ist der Schaden groß. Da sind’s beim Händler besser aufgehoben.“ In seinem Gewächshaus baut Hauser schon Kartoffeln und Bohnen an. Gegen den Frost, der für die kommenden Nächte angekündigt ist, hat er seine eigene Lösung parat: „Den Pflanzen zünde ich die übrig gebliebenen Kerzen vom Adventskranz an, dann frieren sie nicht.“

    So kann man es auch machen.

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