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Analyse zum SPD-Parteitag: Schröder macht Schulz Mut

Analyse zum SPD-Parteitag

Schröder macht Schulz Mut

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    Mutmacher: Gerhard Schröder umarmt Martin Schulz beim SPD-Programmparteitag.
    Mutmacher: Gerhard Schröder umarmt Martin Schulz beim SPD-Programmparteitag. Foto:  Jonas Güttler (dpa)

    Er weiß ganz genau, wie es sich anfühlt, wenn einen alle schon abgeschrieben haben. Wenn man scheinbar aussichtslos hinten liegt und das Kanzleramt in weite Ferne gerückt ist, nachdem man eine Landtagswahl nach der anderen verloren hat und sogar das Stammland der SPD, Nordrhein-Westfalen, an die CDU abtreten musste. Vor zwölf Jahren, 2005, stand Gerhard Schröder vor der gleichen Situation wie Martin Schulz jetzt. Die Stimmung war am Boden, alles sprach gegen ihn, 23 Punkte lag die SPD hinter der Union. Doch dann legte er einen furiosen Wahlkampf hin und führte die SPD bei der Wahl im September zu 34,2 Prozent, nur einen Punkt hinter die Union – ein Wert, von dem Martin Schulz nach dem derzeitigen Stand der Dinge nur träumen kann.

    Weil er nicht aufgegeben hat, weil er gezeigt hat, wie man eine furiose Aufholjagd gestaltet und nach scheinbaren ausweglosen Lagen zurückkommt, ist Altkanzler Gerhard Schröder genau der Richtige, um seiner Partei und ihrem Spitzenkandidaten in schweren Zeiten Mut zuzusprechen. Und er enttäuscht die in ihn gesetzten Erwartungen nicht. Auf einem Sonderparteitag in der Westfalenhalle Dortmund, in der viel gerühmten „Herzkammer der SPD“, gibt er vor 600 Delegierten im Saal und rund 6000 Besuchern in den gut gefüllten Rängen den Einpeitscher, der nichts verlernt hat: „Nichts ist entschieden“, ruft er, „wenn wir in den nächsten Wochen alle Kräfte mobilisieren und um jede Stimme kämpfen, können wir unser Ziel erreichen.“

    Martin Schulz knöpft sich die Kanzlerin vor

    Selbstzweifel dürfe es nicht geben, appelliert Schröder an Schulz wie an die Partei: „Nur wer dieses Amt unbedingt will, wird es auch bekommen.“ Die Union glaube, dass der Staat ihr gehöre und ein Sieg der SPD ein Betriebsunfall sei. Aber: „Wir haben bewiesen, dass wir es können, und zwar besser als die anderen“. Ohne seine Nachfolgerin beim Namen zu nennen, wirft er ihr vor, sich jetzt von den USA emanzipieren zu wollen, wo sie einst an der Seite der USA in den Irakkrieg ziehen wollte. Schulz attestierte er, er bringe alles mit, was man für dieses Amt brauche und „Du hast eine kampferprobte Partei hinter dir, die für dich da sein wird!“ Nun gelte: „Auf in den Kampf! Venceremos!“ Zu Deutsch: Wir werden siegen.

    Martin Schulz, der einst Fußballprofi werden wollte, nimmt den Ball sofort auf und knöpft sich gleich in den ersten Sätzen seiner gut 80-minütigen Rede die Kanzlerin persönlich vor. Dass Angela Merkel bei den Wahlen 2009 und 2013 dem Rat der Meinungsforscher gefolgt sei, nichts zu sagen, keine konkrete Position zu beziehen und „systematisch die Debatte um die Zukunft des Landes zu verweigern“, sei zwar eine erfolgreiche Wahlkampftaktik gewesen, damit habe sie allerdings bewusst ein Sinken der Wahlbeteiligung in Kauf genommen. „In Berliner Kreisen nennt man das asymmetrische Demobilisierung. Ich nenne es einen Anschlag auf die Demokratie.“ Die Botschaft von CDU und CSU, man habe Angela Merkel, das reiche, habe in der Vergangenheit gereicht, „aber nicht mehr 2017“, sagt Schulz unter dem Beifall der Delegierten.

    Ausführlich stellt Schulz die zentralen inhaltlichen Forderungen der SPD vor, die sich im 72-seitigen Wahlprogramm finden, das am Nachmittag ohne Gegenstimme und mit nur einer Enthaltung einmütig verabschiedet wird. Einmal mehr verteidigt der SPD-Chef seine Forderung, „die Leistungsträger“, „die hart arbeitenden Menschen in der Mitte des Lebens“, zu entlasten und gleichzeitig die Rente zu stabilisieren. Das Steuerkonzept mit der geplanten Entlastung für kleine und mittlere Einkommen sorge für mehr Gerechtigkeit im System, „weil starke Schultern mehr tragen müssen“. Das sei auch „eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit“, er stelle sich der Debatte. Und dass die Union sich weigere, ein eigenes Rentenkonzept vorzulegen, werde man Merkel nicht durchgehen lassen. „Das ist die Arroganz der Macht und nichts anderes.“ Die SPD gebe den Menschen die Wahl: „Wollt ihr die Katze im Sack kaufen, dann wählt CDU! Oder wollt ihr eine sichere und stabile Rente, die für alle Generationen gerecht ist? Dann wählt SPD!“ Insofern sei die Wahl eine „Richtungsentscheidung für unser Land“.

    SPD blendet die „Vermögensteuer für Superreiche“ erst mal aus

    Nichts soll die Harmonie des Parteitags stören, nichts darf dem Kanzlerkandidaten in die Quere kommen, niemand ihm die Show stehlen und beschädigen. Schon am Vorabend räumt der Parteivorstand geschickt das einzig wirklich umstrittene Thema aus dem Weg – die Forderung der Jusos und des linken Flügels nach einer sofortigen Wiedereinführung der „Vermögensteuer für Superreiche“. Auf Initiative des hessischen Landeschefs Thorsten Schäfer-Gümbel, der selber dem linken Flügel angehört, entscheidet die Parteiführung einstimmig, eine eigene Kommission einzurichten, die an dem Projekt weiter arbeiten soll. Ein Kompromiss, der nichts entscheidet, aber auch nichts verbaut, weswegen alle gut mit ihm leben können. „Wir werden sicher über die Vermögensteuer weiter diskutieren, aber es steht jetzt nicht an“, gibt Schulz als Devise aus.

    Bei so viel Harmonie mag nicht einmal Juso-Chefin Johanna Uekermann, die sich in der Vergangenheit gerne mit dem früheren Parteichef Sigmar Gabriel angelegt und sich mit ihm auf Parteitagen gefetzt hat, als Störenfried auftreten. Demonstrativ stellt sie sich hinter Martin Schulz. „Meine Generation hat Angela Merkel satt“, sagt sie. Sie habe genug vom Schweigen und Abwarten und von der ideenlosen Politik der Kanzlerin, der der Machterhalt wichtiger sei, als sich um die Zukunft des Landes zu kümmern. Und so wirbt auch sie für Martin Schulz: „Wir brauchen einen Bundeskanzler, der weiß, was die Leute umtreibt und dem meine Generation nicht egal ist.“

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