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Russland-Reise: Seehofer in Moskau: Ist Besuch bei Putin Verschwörung gegen Merkel?

Russland-Reise

Seehofer in Moskau: Ist Besuch bei Putin Verschwörung gegen Merkel?

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    Horst Seehofer besucht Wladimir Putin in Russland.
    Horst Seehofer besucht Wladimir Putin in Russland. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Dichtes Schneetreiben in Moskau. Der Flughafen ist gesperrt, die Lichter am Boden sind kaum zu erkennen. Trotzdem nähert sich in der Dunkelheit eine kleine Passagiermaschine. Im Cockpit sitzt der bayerische Ministerpräsident. Er steuert die vereiste Landebahn an, obwohl man ihm per Funk empfiehlt, lieber nach Minsk auszuweichen. Was die da unten nicht wissen können: Der Sprit reicht nur noch für ein paar Minuten. Oben am Himmel kommt es zum Streit.

    Die CSU-Prominenz auf den hinteren Plätzen wird unruhig. Die Herren spüren, dass hier etwas nicht stimmt. In diesem Moment setzt der Flieger auf. Die Fluggäste klatschen, doch der Co-Pilot schreit: „So etwas mache ich nie mehr mit.“ Wenige Augenblicke später betritt der Ministerpräsident Moskauer Boden. Ohne Mantel. Trotz der Kälte. Seine russischen Gastgeber sind schwer beeindruckt. „War ein bisschen schwierig, der Flug“, sagt Franz Josef Strauß fast beiläufig. Er genießt die anerkennenden Blicke.

    Fast drei Jahrzehnte sind seit diesem sagenumwobenen Besuch vergangen. Schnee und Eis von gestern quasi. Wer heute mit Horst Seehofer in ein Flugzeug Richtung Moskau steigt, kommt trotzdem nicht an dieser Legende vorbei. Das liegt schon allein daran, dass ein Zeitzeuge mit an Bord geht. Edmund Stoiber ist ein sehr unterhaltsamer Anekdoten-Erzähler und der abenteuerliche Flug mit FJS gehört zu seinen besten Geschichten.

    Horst Seehofers Reise beginnt nicht ganz so spektakulär wie die damals. Der Nach-Nach-Nach-Nachfolger der CSU-Ikone fliegt nicht selbst. Er fliegt Linie. Mit der Lufthansa. Und im Cockpit schaut er höchstens vorbei, um freundlich Grüß Gott zu sagen. Auch der Kalte Krieg ist Geschichte. Wobei: Die vergangenen Monate wecken frostige Erinnerungen. Nicht nur beim Strauß-Zeit-Veteranen Stoiber.

    Seehofer über Russland-Besuch: In dieser Zeit besonders wichtig

    Die Selbstherrlichkeit, mit der sich Russland die ukrainische Halbinsel Krim „zurückholte“, hat das Verhältnis zwischen Moskau und dem Westen zerrüttet. Kreml-Chef Wladimir Putin stilisiert sich zum Beschützer aller Russen – egal, ob sie nun in Russland leben oder irgendwo anders auf der Welt. In Deutschland zum Beispiel. Der „Fall Lisa“ zeigt, was der frühere KGB-Spion darunter versteht.

    In Berlin verschwindet ein 13-jähriges russlanddeutsches Mädchen. Und plötzlich, wie von Geisterhand in Gang gesetzt, schwappt eine Welle von nebulösen Spekulationen, Verschwörungstheorien und Anschuldigungen durch das Internet. Zufall? Wohl kaum. Russland-Kenner sehen in dem vermeintlichen Skandal ein Musterbeispiel für Propaganda Marke Moskau. Eine richtig beunruhigende Dimension bekommt der Fall aber dadurch, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow sich nicht scheut, ihn zu einem diplomatischen Eklat eskalieren zu lassen. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden und Medien. Beweise hat er nicht. Das ist schon mehr als nur ein Hauch von Kaltem Krieg.

    Darf man in einer solch eisigen Zeit nach Moskau reisen? Seehofer gibt darauf eine klare Antwort: Man muss sogar! Der CSU-Chef hat eine spezielle Vorstellung von Realpolitik. Dazu gehört es, notfalls die eigenen Entscheidungen von gestern morgen wieder umzuwerfen. Dazu gehört es aber auch, mit Leuten in Kontakt zu bleiben, die nicht über jeden moralischen Zweifel erhaben sind.

    Mit dem ungarischen Grenzzaunbauer Viktor Orbán zum Beispiel. Oder eben mit Wladimir Putin. „Wir sind umgeben von Brandherden, die ohne Moskau nicht zu lösen sind“, sagt Seehofer. Und wer ihm unterstellt, es gehe ihm in Wirklichkeit nur um persönliche Profilierung, der muss sich warm anziehen. Der bayerische Löwe kann richtig grantig werden. Erst recht, wenn es auch noch heißt, er sei dem Strategen im Kreml nicht gewachsen und lasse sich von Putin vorführen. Unverschämtheit! Schließlich sah sich die CSU schon in der Ära Strauß mit den Großen der Welt auf Augenhöhe.

    Stoiber zusammen mit Seehofer zu Besuch bei Putin

    Nun ist es allerdings so, dass man beim russischen Präsidenten nicht mal eben auf eine Tasse Kaffee vorbeischauen kann. Termine in Moskau sind schwer zu bekommen. Seehofers Türöffner heißt Stoiber. Den CSU-Ehrenvorsitzenden verbindet seit Jahren eine Freundschaft mit Putin. Und er ist es auch, der diese Moskau-Reise eingefädelt hat.

    Das heißt allerdings noch lange nicht, dass Seehofer einfach so einen Eintrag im Kreml-Kalender bekommt. Der Russe lässt den Bayern lange im Ungewissen. Noch kurz vor dem Abflug weiß niemand so ganz genau, wann der Präsident dem Ministerpräsidenten nun Einlass gewährt – und wo. Die mitreisenden Journalisten stellen sich auf eine zähe Warterei ein.

    Doch dann geht alles ganz schnell. Nicht nur der Pilot hat es eilig und landet eine halbe Stunde zu früh. Kaum ist die Maschine auf dem Boden, rauscht auch schon der Wagen mit Seehofer und Stoiber los. Mitten hinein in den Berufsverkehr, eskortiert von der Polizei. Durch verschneite Wälder geht es weiter zu einer Datscha, die man am schlechtesten mit dem Adjektiv „bescheiden“ beschreiben könnte. Das Gelände ist abgeriegelt, die Temperaturen am Gefrierpunkt. Die Herren betreten einen fast demonstrativ schmucklosen Raum. Es gibt einen Kamin, aber er brennt nicht. Keine Bilder, keine Blumen. Wer ein Handy dabeihat, muss es spätestens jetzt abgeben. Nur Papier und Bleistifte sind erlaubt.

    ---Trennung _Putin empfängt Seehofer in Russland mit warmen Worten_ Trennung---

    Russland-Besuch: Putin nennt Seehofer in Moskau besonderen Gast

    Ein freundlicher Handschlag für Seehofer, eine herzliche Umarmung für Stoiber. Dann setzt sich Wladimir Putin an einen olivgrünen Tisch und spricht über das „besondere Verhältnis“ zwischen Bayern und Russland.

    „Deshalb sind Sie ein besonderer Gast“, sagt er zu Seehofer, der ihm direkt gegenübersitzt. Obwohl er seit seiner Zeit in der DDR gut Deutsch spricht, bleibt Putin beim Russischen. Seehofer spricht bayerisch und erinnert an ein „legendäres Treffen“ im Jahr 2008 in Bayern. „Sie wollten eine Stunde bleiben und sind dann bis Mitternacht geblieben“, sagt er. Putin kontert mit einem Schmunzeln: „Ich hatte einfach keine Möglichkeit, früher zu gehen.“ Das Eis schmilzt langsam.

    Das diplomatische Eis, auf dem das Gespräch stattfindet, ist ohnehin oblatendünn. Die drei Herren am Tisch haben eines gemeinsam: Sie sind ziemlich schlecht auf die Bundeskanzlerin zu sprechen. Nicht nur Putin, sondern auch Seehofer und Stoiber halten die Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen für einen großen Fehler. Der Russe sieht in Angela Merkel außerdem die Schlüsselfigur für die eben erst verlängerten Wirtschaftssanktionen gegen sein Land.

    Putin redete in Russland mit Seehofer und Stoiber.
    Putin redete in Russland mit Seehofer und Stoiber. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Seehofer wiederum hat kurz mal wieder die Frage in den Raum gestellt, ob diese Strafmaßnahmen ewig dauern müssen. Ein Affront gegen die Chefin in Berlin? Ganz im Gegenteil, stellt der CSU-Vorsitzende klar. „Ich glaube nicht, dass die Kanzlerin diese Sanktionen auf Dauer möchte“, sagt er noch im Flieger. Und er selbst sei nur in Moskau, um Bayerns Interessen zu vertreten – „und die sind eben vor allem wirtschaftlicher Natur“. Das Russland-Embargo schadet den Geschäften bayerischer Firmen und Landwirte in der Tat massiv.

    Doch Seehofer hat noch ein anderes Thema mitgebracht: Moskaus Rolle im Syrien-Konflikt. Schließlich sei Bayern direkt von jenem Bürgerkrieg betroffen, der Millionen in die Flucht treibt. Ohne oder sogar gegen Putin sei das Problem nicht zu lösen. Und was ist mit den Menschenrechten? In Russland? In Syrien, wo der Kreml Diktator Baschar al-Assad unterstützt? „Allein, dass ein solcher Dialog stattfindet, dient den Menschenrechten“, sagt Seehofer. Manchmal stößt Realpolitik eben an moralische Grenzen.

    Seehofer und Putin liegen in manchen Punkten nicht weit auseinander

    Der bayerische Ministerpräsident und sein Gastgeber liegen in manchen Punkten nicht weit auseinander. Über die anderen kann man ja noch ein andermal reden. Schon schreiben erste Zeitungen von einer Achse München–Moskau. Seehofer winkt ab. Auf gar keinen Fall soll zu Hause der Eindruck entstehen, sein Besuch sei so etwas wie die Verbrüderung wütender Männer. Ein Kreml-Sprecher betont vorsichtshalber, das Treffen habe keinerlei „Verschwörungscharakter“. Denn niemand soll behaupten können, der Bayer sei der Kanzlerin in den Rücken gefallen.

    „Wir wollen mit ehrlichem Herzen unseren Beitrag leisten, dass wir in diesem schwierigen politischen Umfeld wieder ein Stück Vertrauen und Normalität herstellen“, sagt Seehofer zu Putin. Daran arbeite man als Teil der Bundesregierung und nicht gegen Russland. Es ist ein Balanceakt. „Wir wissen um Ihren Willen, viel für eine Normalisierung zu tun“, antwortet der russische Präsident.

    Immer wieder hat Seehofer betont, dass seine Moskau-Reise mit Berlin „intensiv abgesprochen“ sei. Die Kanzlerin selbst geht trotzdem auf Nummer sicher. Einen Tag vor dem Eintreffen des bayerischen Duos telefoniert sie selbst noch einmal mit dem Kreml-Chef. Merkel weiß aus eigener Erfahrung, wie kühl Putin seine Macht ausspielt. Noch heute erzählt man sich die Geschichte, wie er der Kanzlerin, die große Angst vor Hunden hat, einmal maliziös lächelnd seinen Labrador vor die Nase setzte. Zumindest damit kann er Seehofer nicht einschüchtern. „Wir haben selber einen Labrador“, sagt er und lacht sein typisches Lachen.

    Ansonsten verzichtet Seehofer in Moskau auf Scherze, obwohl er sonst ja gerne mal einen launigen Spruch raushaut. Also lassen wir Edmund Stoiber zum Schluss noch eine Anekdote erzählen. Und die geht so: Dichtes Schneetreiben in Moskau. Der bayerische Ministerpräsident betritt den Kreml. „Sind Sie denn zum ersten Mal in der Sowjetunion?“, fragt Michail Gorbatschow. Was man halt so fragt in solchen Momenten. Nur Franz Josef Strauß antwortet nicht das, was man halt so antwortet in solchen Momenten. „Nein, zum zweiten Mal. Beim ersten Mal bin ich nur bis Stalingrad gekommen.“

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