In der Union tobt ein offener Kampf um die Asylpolitik. Mit beispielloser Schärfe haben führende CSU-Politiker Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Entscheidung kritisiert, Tausende von Flüchtlingen aus Ungarn in die Bundesrepublik einreisen zu lassen. Damit bringe sie Deutschland möglicherweise in eine „nicht mehr zu beherrschende Notlage“, warnte Parteichef Horst Seehofer im Spiegel.
Der frühere Innen- und Agrarminister Hans-Peter Friedrich sprach von einer „beispiellosen politischen Fehlleistung“ und betonte: „Wir haben die Kontrolle verloren.“ Bayerns Finanzminister Markus Söder forderte die Kanzlerin auf, die „kulturelle Statik“ des Landes nicht zu gefährden: Die Entscheidung, die Grenzen kurzfristig zu öffnen und alle Syrien-Flüchtlinge aufzunehmen, sei als Ausnahme gedacht gewesen. „Diese Ausnahme droht jetzt aber zur Regel zu werden.“
Eine Regierungssprecherin wies die Vorwürfe zurück. Die Kanzlerin habe in einer Notlage gehandelt und Deutschland habe angesichts der enormen Herausforderungen auch eine humanitäre Verpflichtung den Flüchtlingen gegenüber. Ähnlich argumentierte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen: „Ich halte das Verhalten der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin für eine der größten Leistungen, die sie bisher erbracht haben.“ Die CSU liege mit ihrer Kritik „völlig falsch“.
Merkel: Grundrecht auf Asyl kennt keine Obergrenze
Zuvor hatte die Kanzlerin ihre Entscheidung selbst verteidigt: „Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze“, sagte sie der Rheinischen Post. Nach einem „atemberaubenden Wochenende“ habe Deutschland mit seiner Hilfsbereitschaft ein Bild geboten, „das uns ein Stück weit auch stolz machen kann“.
Zur Klausur der CSU-Landtagsfraktion am 23. September hat Seehofer den umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban eingeladen. In einem Telefonat mit ihm sicherte er Ungarn nach Angaben der Staatskanzlei die Unterstützung Bayerns beim Schutz seiner Grenzen zu. Wie diese Hilfe aussehen soll, blieb allerdings unklar.
Nach Umfragen stehen die Deutschen mehrheitlich hinter dem Kurs der Kanzlerin. Im Politbarometer des ZDF begrüßten 66 Prozent den Entschluss, den in Ungarn gestrandeten Flüchtlingen unkompliziert zu helfen, im ARD-Deutschlandtrend waren es 61 Prozent. Zwischen 35 und 38 Prozent der Bürger sagen allerdings auch, dass ihnen die hohen Flüchtlingszahlen allmählich Angst machten. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat 4000 Soldaten für das Wochenende in Rufbereitschaft versetzt. Sie sollen „im Notfall mit anpacken“. Die Bundeswehr hilft bereits jetzt mit dem Aufbau von Zelten bei der Versorgung von Flüchtlingen.