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Italien: Sie töteten Amri: Warum die Polizisten keine Orden erhalten

Italien

Sie töteten Amri: Warum die Polizisten keine Orden erhalten

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    Zwei italienische Polizisten erschossen den Attentäter Anis Amri nahe Mailand.
    Zwei italienische Polizisten erschossen den Attentäter Anis Amri nahe Mailand. Foto: Daniele Bennati, dpa (Archivbild)

    Bis zum 23. Dezember waren Luca Scatà und Christian Movio zwei durchschnittliche italienische Streifenpolizisten. Als sie am frühen Morgen im Mailänder Vorort Sesto San Giovanni den damals meist gesuchten Verbrecher Europas, den Berlin-Attentäter Anis Amri, bei einer Routinekontrolle stellten und erschossen, änderte sich ihr Leben schlagartig.

    Als "Europas Helden" wurden die Polizisten betitelt

    Der 36-jährige Movio, der durch einen Schuss Amris an der Schulter verletzt wurde und der 29-jährige Scatà, der anschließend den tödlichen Schuss auf Amri abgab, wurden in der öffentlichen Wahrnehmung zu beispielhaften Staatsdienern, die voller Professionalität einen hochgefährlichen und bewaffneten Kriminellen ausgeschaltet hatten.

    Auch in Deutschland atmeten viele Menschen auf. Eine der ersten Reaktionen stammte von der Berliner Polizei. Die dortigen Kollegen hatten hilflos miterleben müssen, wie der Tunesier einen Sattelzug in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gesteuert hatte, zwölf Menschen tötete, dutzende teilweise schwer verletzte und anschließend im Nichts verschwand. „Grazie“, schrieben die Berliner Beamten auf Twitter und wünschten dem verletzten italienischen Kollegen gute Besserung. Die Zeitung Die Welt schrieb von „Europas Helden“. Die italienische Presse überschlug sich in ihren Schlagzeilen. Die Rollen zwischen Gut und Böse waren klar verteilt.

    Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Scatà und Movio kaum als Vorbilder taugen. Beide waren zufällig an den europaweit zur Fahndung ausgeschriebenen 24-jährigen Attentäter geraten, der bei der Personenkontrolle vor dem Bahnhof von Sesto San Giovanni seine Waffe zog. Die Bundesregierung hatte, wie die Bild-Zeitung berichtete, offenbar erwogen, die beiden italienischen Polizisten auszuzeichnen. Als dann Details über ihr Privatleben zum Vorschein kamen, sah man von einer Ehrung lieber ab. Ihren inzwischen nicht mehr einsehbaren Facebook-Profilen zufolge sind Movio und Scatà erklärte Sympathisanten der neofaschistischen Szene.

    Auf Facebook faschistische Inhalte geteilt

    Der aus dem Friaul stammende Norditaliener Movio hatte in seinem Profil mehrere ausländerfeindliche Einträge gemacht. Im August 2014 postete er das Bild einer Coca-Cola-Flasche mit der Aufschrift „Adolf“ und darunter eine Fotomontage von Adolf Hitler mit dem Schriftzug „Thanks Bro“ (Danke Bruder). Der Sizilianer Scatà veröffentlichte sogar ein Foto von sich selbst, das ihn lachend mit ausgestrecktem rechten Arm zeigt, dem Hitler-Gruß. Mehrfach erschienen auf seinem Profil Elogen auf den faschistischen Diktator Benito Mussolini und Hinweise darauf, dass es am 25. April, dem Jahrestag der Befreiung Italiens vom Faschismus, nichts zu feiern gebe. Die Facebook-Profile waren bereits am 23. Dezember nicht mehr zugänglich. Dies sei zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Polizisten geschehen, so der Mailänder Polizeichef.

    Umso problematischer wirken heute die Worte, mit denen Italiens Innenminister die beiden Beamten nach der Tötung Amris lobte. Marco Minniti nannte sie „außerordentliche Personen“, dank derer die Italiener ein „noch glücklicheres Weihnachtsfest feiern“ könnten. Dass das Ministerium die Personalien der Polizisten veröffentlichte, wurde bereits kurz nach der Ergreifung Amris kritisiert. In einer internen Mitteilung warnte Italiens Polizeichef Franco Gabrielli vor Vergeltungsakten der islamistischen Szene.

    Anfang Februar schließlich wurden Movio und Scatà versetzt, ihre neuen Arbeitsplätze werden geheim gehalten. Auch zum Schutz der Familien seien Maßnahmen ergriffen worden, hieß es. Vom Bild der beiden unbescholtenen Streifenpolizisten, die zu Helden wurden, ist nicht mehr viel übrig geblieben.

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