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Kommentar: So hat sich Seehofer seinen Abschied nicht vorgestellt

Kommentar

So hat sich Seehofer seinen Abschied nicht vorgestellt

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    Horst Seehofer ist seit 2008 Vorsitzender der CSU. Foto: Ralf Hirschberger
    Horst Seehofer ist seit 2008 Vorsitzender der CSU. Foto: Ralf Hirschberger

    Soll das jetzt der „geordnete Übergang“ sein, von dem Horst Seehofer immer gesprochen hat? Mit Sicherheit nicht! Auf dem Höhepunkt seiner Macht hat er dereinst davon geträumt, als Star aus der Politik abzutreten und seine Ämter als bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender in die Hände eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin seiner Wahl zu legen – idealerweise inklusive einer absoluten CSU-Mehrheit in Bayern. Als Vorbild nannte er damals immer den CDU-Politiker Bernhard Vogel, der im Jahr 2003 sein Amt als thüringischer Ministerpräsident in bestem Einvernehmen mit seinem Nachfolger an Dieter Althaus übergeben hatte.

    Der Unterschied könnte größer nicht sein. Vogel und Althaus standen freundschaftlich Seite an Seite, haben Schulter an Schulter Wahlkampf gemacht und gewonnen. Zwischen Seehofer und Söder herrschte zuletzt nur noch abgrundtiefes Misstrauen und größtmögliche Distanz. Das Ergebnis ist bekannt. Die CSU kassierte das zweitschlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte.

    Söder hat den Machtkampf mit Seehofer gewonnen

    Seehofer ist mit seinem Projekt eines „geordneten Übergangs“ gescheitert. Das allein wäre für ihn und auch für die CSU sicherlich zu verkraften. Tatsächlich aber geht es um mehr – für Seehofer persönlich und ebenso für seine Partei.

    Das Gezerre um die Ämter und der Machtkampf mit Söder am Ende seiner beeindruckenden politischen Karriere verdecken aktuell Seehofers Leistungen. Historiker werden sie irgendwann mal wieder benennen: seine Standfestigkeit, wenn es um soziale Belange geht, seine Bereitschaft, für Überzeugungen einzustehen, und seine Fähigkeit, nach Niederlagen wieder aufzustehen und weiterzumachen.

    Sie werden bei ihren Nachforschungen aber sicherlich auch auf die Europawahl 2014 stoßen, die als Wendepunkt in der Ära des CSU-Vorsitzenden Seehofer gelten kann. Bis zu dieser Wahl war er der intern immer noch ungeliebte, aber doch der nach außen strahlende Held, der der Partei im Jahr zuvor die absolute Mehrheit in Bayern zurückerobert hatte. Am Wahltag aber musste er seine erste Niederlage hinnehmen. Er hatte sich nicht entscheiden können, zwischen einem proeuropäischen und einem europakritischen Kurs.

    Seehofer lässt eine gespaltene CSU zurück

    Noch schwieriger wurde es in der Flüchtlingspolitik. Seehofer hatte zwar im Grundsatz immer den Dreiklang von Humanität, Integration und Begrenzung der Zuwanderung betont. In der praktischen Politik gelang es ihm aber auch hier nicht, die Klammer zu sein, die die Partei zusammenhält. Mal war Bundeskanzlerin Angela Merkel seine schärfste Gegnerin, dann war sie wieder die größte, beste und einzig mögliche Kanzlerin. Auf diesem Feld hat Seehofer sich heillos verkämpft – und mit ihm auch seine Partei. Zwei weitere Wahlpleiten waren die Folge.

    Wenn Seehofer jetzt geht, wird er die CSU mit diesem sehr grundsätzlichen Problem zurücklassen – als Partei mit tiefen Spalten zwischen rechts und links, liberal und konservativ, weltoffen und national. Er ist nicht alleine verantwortlich zu machen für diese Entwicklung, aber sie steht am Ende seiner Bilanz als Parteichef.

    Bereits im Mai steht wieder eine Europawahl an. Und wenn das Diktum von Franz Josef Strauß zutrifft, dass in einer falschen Analyse einer Wahl der Keim für die nächste Pleite liegt, dann hat die CSU ein echtes Problem. Der Wille zu einem Neuanfang wird allseits bekundet, aber der Wille zu einer ehrlichen Analyse fehlt. Das Risiko, dabei auch den neuen Chef zu beschädigen, ist den Parteigranden zu groß. Das ist alles ziemlich ungeordnet für eine Partei, deren Grundsatzprogramm den Titel „Die Ordnung“ trägt.

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