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Venezuela: Staatsstreich auf Raten

Venezuela

Staatsstreich auf Raten

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    Nicolás Maduro
    Nicolás Maduro

    Nicolás Maduro hält in diesen Tagen gerne das blaue Büchlein mit der Verfassung Venezuelas in die Höhe, er inszeniert sich als der Hüter selbiger. „Die Kontroverse, die es zwischen den Gewalten gab, ist erfolgreich überwunden“, sagt er am Wochenende nach aufregenden Tagen. Das Parlament vom Obersten Gericht entmachtet, Sturm der Entrüstung im Ausland, tiefe Risse im eigenen Sozialisten-Lager, „Staatsstreich“-Vorwürfe der Opposition. Rücknahme der Entmachtung. Also alles wieder in Ordnung, Demokratie statt Diktatur?

    Aus Sicht von Parlamentspräsident Julio Borges sollten sich die Menschen nicht blenden lassen. „Es geht nicht um die Rücknahme eines Absatzes. Das Urteil war nur der Höhepunkt eines Staatsstreichs, der seit Monaten und Jahren in Venezuela im Gange ist“, ruft Borges bei einer Demonstration in Caracas, die mit Polizeigewalt kleingehalten wird.

    Aber auch die Opposition hat bisher keine Persönlichkeit, die einen Aufstand der Straße orchestrieren könnte. Die Menschen sorgen sich, dass der Machtkampf blutig enden könnte. Rückblick, Mittwoch 29. März: Mit Urteil 156 verkündet der Oberste Gerichtshof, dass dem von der Opposition dominierten Parlament alle Entscheidungsrechte entzogen werden – alle Macht geht auf Maduro über. Borges meint: Jetzt herrscht auch offen eine Diktatur, das sei ein „Staatsstreich“.

    Seit Februar ist Maikel Moreno Präsident des Obersten Gerichtshofs, ein vehementer Verteidiger des von Hugo Chávez 1999 begründeten Sozialismus des 21. Jahrhunderts. 1987 wurde Moreno laut Berichten angeklagt, als Mitglied der politischen Geheimpolizei eine Frau getötet zu haben, dafür saß er kurzzeitig im Gefängnis. Aber wer Maduro wirklich in Bedrängnis bringt, ist eine Frau aus dem eigenen Lager.

    Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz prangert das Urteil als „Verfassungsbruch“ an. Ein tiefer Riss offenbart sich. „Als oberste Repräsentantin des Ministerio Público, im Namen von 10 000 Mitarbeitern und fast 3000 Staatsanwälten, die in unabhängiger Weise ihre Aufgaben erfüllen, rufe ich zum Nachdenken auf, damit der demokratische Weg gewählt wird, dass die Verfassung respektiert wird“. Der Auftritt wird in sozialen Netzwerken gefeiert.

    Nach drei Stunden nächtlicher Sitzung die Kehrtwende: Der Sicherheitsrat legt fest, dass der Oberste Gerichtshof das Urteil Nr.156 und das Urteil Nr. 155, das die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten verfügt hatte, überprüft. Jeder kann sich ein eigenes Urteil der Unabhängigkeit dieses Gerichtshofs machen. Nur wenige Stunden nach der Revisionsaufforderung kommen schon die Urteile 157 und 158, die 155 und 156 annullieren. Moreno erklärt, keine Befugnisse des Parlaments seien mehr annulliert oder entzogen. Eine heftige Rolle rückwärts.

    Venezuela ist derzeit ein Pulverfass. Und auch wenn die Lage nicht vorher explodiert, droht Chavez’ Erben bei der Präsidentschaftswahl 2018 ein veritables Debakel. Georg Ismar, dpa

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