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Türkei: Terror in Istanbul: Blutige Kampfansage an Erdogan

Türkei

Terror in Istanbul: Blutige Kampfansage an Erdogan

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    Spuren des Terrors: Vor der Istanbuler Vodafone-Arena starben dutzende Polizisten kurz vor Dienstende nach dem Erstligaspiel.
    Spuren des Terrors: Vor der Istanbuler Vodafone-Arena starben dutzende Polizisten kurz vor Dienstende nach dem Erstligaspiel. Foto: Ozan Kose, afp

    Ein Krater von zwei Metern Durchmesser klafft in der Straße. Von dem mit Sprengstoff beladenen Fahrzeug, das in der Nacht zum Sonntag explodierte, ist nichts mehr übrig. Der Autobombenanschlag um 20.29 Uhr Ortszeit in der Nähe des Fußballstadions in Besiktas war offensichtlich gegen Polizisten gerichtet. Auch ein Selbstmordattentäter, der 45 Sekunden nach der ersten Explosion angriff, sprengte sich inmitten einer Gruppe von Polizeibeamten in die Luft. Dutzende auf der Straße umherliegende weiße Polizeihelme erinnern an die Opfer.

    Weil die Erstliga-Partie zwischen den verfeindeten Klubs Bursaspor und Besiktas als Risikospiel galt, waren besonders viele Polizisten zur Absicherung der neu gebauten Vodafone-Arena am Bosporus-Ufer im Einsatz. Als ihre Arbeit fast getan war und anderthalb Stunden nach Ende des Spiels die meisten Zuschauer bereits auf dem Heimweg waren, schlugen die Terroristen zu.

    Die Gegend im Stadtteil Besiktas um das Stadion zählt zu den wichtigsten Verkehrsknotenpunkten der Innenstadt: Niemand in Istanbul ist sicher, lautet die Botschaft des Terrors. Nach Behördenangaben starben insgesamt 38 Menschen, darunter 30 Polizisten; 166 weitere Menschen wurden verletzt. Die meisten Opfer gab es durch die Autobombe, die nach Angaben von Vizepremier Numan Kurtulmus mindestens 300 Kilogramm schwer war. Bis zum Sonntagmittag wurden 13 Tatverdächtige festgenommen.

    Am Sonntagabend bekennt sich die TAK, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, zu beiden Anschlägen und bestätigt damit den Verdacht der Regierung. Die türkische Führung hatte schon kurz nach den Attentaten vermutet, dass die TAK verantwortlich ist, und forderte Vergeltung. Offenbar solle versucht werden, die gerade begonnene Vorbereitung für die Errichtung eines Präsidialsystems zu sabotieren, erklären Regierungspolitiker. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nimmt die Gewalttat zum Anlass für neue scharfe Kritik am Westen.

    Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, alles deute auf eine Täterschaft der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans hin. Die PKK hatte im Sommer vergangenen Jahres wieder mit Gewalttaten begonnen. Der Staat reagierte mit großflächigen Militäraktionen im Kurdengebiet, bei denen mehrere tausend Menschen starben. Seit dem Putschversuch im Juli verstärkt Erdogan den Druck auf die Kurden; die Führungsspitze der legalen Kurdenpartei HDP sitzt im Gefängnis.

    Von der PKK selbst lag zunächst keine Stellungnahme vor. Cemil Bayik, einer der Chefs der Rebellengruppe, hatte in den vergangenen Monaten jedoch angekündigt, seine Kämpfer würden den Krieg in die türkischen Städte tragen. Regierungsnahe türkische Medien meldeten am Sonntag, einer der Täter sei aus dem Herrschaftsgebiet des PKK-Ablegers PYD in Syrien in die Türkei gekommen.

    Der Anschlag auf die Polizisten am Besiktas-Stadion war bereits der siebte Anschlag in der türkischen Metropole in diesem Jahr. Angefangen hatte die Gewaltserie mit dem Tod von zwölf deutschen Touristen bei einem Selbstmordanschlag vor der Blauen Moschee im Januar.

    Das neuerliche Blutbad hat bei vielen Istanbulern die Hoffnung zerstört, dass der von Erdogan nach dem Putsch verhängte Ausnahmezustand mit seiner starken Präsenz von Polizei und Militär auf den Straßen zumindest mehr Sicherheit gebracht hat. „Immerhin können wir jetzt wieder Metro fahren, ohne uns große Sorgen zu machen“, sagte ein Istanbuler Intellektueller nur wenige Tage vor den Explosionen in Besiktas. Entsprechend groß ist der Schock nach dem Samstagabend.

    „Es wird immer schlimmer“, sagt ein Istanbuler Fotograf. „Ich fühle mich nicht mehr sicher.“ Erdogan-Anhänger forderten bei einer Kundgebung am Tatort am Sonntag eine rasche Wiedereinführung der Todesstrafe für terroristische Gewalttaten. Erdogan selbst reagierte gewohnt kämpferisch. „So weit, dass wir die Plätze in den Städten diesen Schuften überlassen, sind wir noch lange nicht“, sagte der Staatschef. Zugleich griff er den Westen erneut scharf an. Es gebe Länder, die es vorzögen, Terroristen zu unterstützen, statt den Türken im Kampf gegen den Terror zu helfen.

    Der Doppel-Anschlag ereignete sich nur wenige Stunden, nachdem die Erdogan-Partei AKP und die Rechtsnationalisten-Partei MHP ihren gemeinsamen Vorschlag zur Einführung eines Präsidialsystems ins Parlament eingebracht hatten. Der Entwurf für Verfassungsänderungen sieht weitere Machtbefugnisse für Erdogan vor, der bei Umsetzung des Plans bis zum Jahr 2029 regieren könnte. Das Vorhaben soll im Frühsommer in einer Volksabstimmung vorgelegt werden.

    MHP-Chef Devlet Bahceli sagte, es könne kein Zufall sein, dass die Bluttat ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt verübt wurde. Dagegen warfen einige Erdogan-Gegner in Internetforen der Regierung vor, die Gewalttat selbst eingefädelt zu haben, um die türkischen Wähler für das Präsidialsystem zu gewinnen. Beweise für derartige Verschwörungstheorien bleiben die Kritiker freilich schuldig.

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