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Interview: "Trumps schmutziger Wahlkampf wird Schule machen"

Interview

"Trumps schmutziger Wahlkampf wird Schule machen"

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    Eine lange Wahlnacht endete mit dem Sieg von Donald Trump.
    Eine lange Wahlnacht endete mit dem Sieg von Donald Trump. Foto: Michael Reynolds, dpa

    Herr Professor Jäger, als einer der wenigen Experten haben Sie – etwa in Interviews unserer Zeitung – stets betont, dass Donald Trump die US-Wahl gewinnen kann und sich die Anhänger von Hillary Clinton hier immer in falscher Sicherheit gewogen haben. Was hat die Wahl letztendlich entschieden?

    Thomas Jäger: Donald Trump hat die weiße Bevölkerung in einem weit höheren Maß zum Wählen mobilisiert, als viele Meinungsforscher vorhergesagt haben. Man dachte, mit der weißen Bevölkerung allein lassen sich keine Wahlen mehr gewinnen, weil die Minderheiten immer zahlenstärker werden. Trump hat jetzt das Gegenteil bewiesen.

    Laut Auswertungen hat die große Mehrheit von 58 Prozent der weißen Wähler für Donald Trump gestimmt. War Hillary Clinton am Ende ein zu schwacher Kandidat der Demokraten?

    Jäger: Nein, Hillary Clinton war überhaupt keine schwache Gegnerin. Sie war zwar unbeliebt beim Wahlvolk, aber Donald Trump war noch unbeliebter. Clinton hatte eigentlich eine viel schlagkräftigere Kampagnenorganisation. Sie gab im Wahlkampf doppelt so viel Geld aus. Was Clinton zum Verhängnis wurde, war ihr vermeintlicher Vorteil einer langen politischen Erfahrung. Der Großteil der Wähler wollte das Gegenteil: Etwas Neues, damit sich in Amerika etwas ändert. Diese Hoffnung auf einen Wandel hat Trump verkörpert.

    Baut Donald Trump wirklich eine Mauer zur Grenze von Mexiko?

    Heißt das, Trump war für seine Anhänger ein Hoffnungsträger wie eine Art Barack Obama von Rechts?

    Jäger: Wahlkampf heißt Hoffnung machen. Trump machte vielen Menschen die Hoffnung, dass sich für sie wirtschaftlich die Lage verbessert. Und er verband dies geschickt mit der politischen Stärke der USA. Aber Obama ist an den Erwartungen, die er geweckt hat, letztendlich gescheitert. Er konnte sie nicht erfüllen. Das wusste man im Vorhinein. Das ist bei Donald Trump nicht anders: Er wird die Erwartungen nicht erfüllen können, jedem einen Job zu verschaffen und die alten Industrien wieder ins Land zu holen. Das könnte dazu führen, dass die Enttäuschung in vier Jahren noch viel drastischer ausfällt.

    Was wird aus seinen Wahlversprechen, wie einer Mauer zu Mexiko?

    Jäger: Das meiste, was er angekündigt hat, lässt sich nicht umsetzen. Da gibt es rechtliche Hürden oder er bringt das nicht durch das Parlament. Aber wenn er Obamas Krankenversicherung zurückdreht, wäre das ein Drama für das amerikanische Sozialsystem und es würde Obamas gesamtes Erbe zerschlagen.

    Was bedeutet Trumps Sieg für die deutsche Politik?

    Jäger: Erst einmal ist man erschrocken, weil keiner damit gerechnet hat. Die deutsche Diplomatie muss nun dafür sorgen, dass man von einigen kritischen Äußerungen wieder herunterkommt, auch wenn Trump im Wahlkampf viel schlechter über die deutsche Politik gesprochen hat. Aber man muss abwarten, welches Personal Trump nun als sein Umfeld präsentieren wird. Hier muss Trump eigentlich schnell eine überzeugende Mannschaft aufbieten, um der Unsicherheit zu begegnen, die sein Sieg an den Börsen und in der internationalen Politik ausgelöst hat. Bislang herrscht große Ratlosigkeit bei der Frage: Was will Trump eigentlich? Möglicherweise weiß er das selbst noch nicht.

    Schmutziger Wahlkampf von Donald Trump könnte kopiert werden

    Trump hat einen der schmutzigsten Wahlkämpfe geführt, der auch für amerikanische Verhältnisse einen beispiellosen Verfall politischer Sitten darstellt. Wird sein Beispiel nun durch seinen Erfolg Schule machen?

    Jäger: Selbstverständlich wird diese Art des Wahlkampfs die Politik auch in anderen Ländern verändern. In vielen demokratischen Ländern leiden die Regierungen unter einer Rechtfertigungskrise: Das heißt, die Politik bringt oft nicht die Lösungen hervor, die sich die Menschen erwarten, und die Politiker können den Menschen nicht erklären, warum das so ist. In diese Lücke stoßen Populisten und überzeichnen dabei so, dass sie die Aufmerksamkeit in den Medien bekommen. Trump hat dieses Prinzip perfektioniert. Er hat 16 Monate lang fast jeden Tag die Schlagzeilen beherrscht und dabei die Themen bestimmt. Da hat er ein Lehrbuch abgeliefert, aus dem sich bald andere bedienen werden.

    Wird damit auch der Wahlkampf in Deutschland schmutziger?

    Jäger: Es ist sehr wahrscheinlich, dass andere seine erfolgreiche Strategie kopieren wollen. Ob das allerdings bei der deutschen Bevölkerung gut ankommt, ist eine andere Frage. Aber wenn die Parteien Populisten wie die AfD auf Abstand halten wollen, müssen sie die Sorgen der Bürger ernst nehmen. Und sie müssen ihre Politik erklären. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben der Politik, aber auch der Medien.

    Aber gerade im US-Wahlkampf versuchten doch viele, Trumps Stimmungsmache mit Fakten und Statistiken Falschaussagen nachzuweisen...

    Jäger: Das ist richtig. In jedem Wahlkampf gilt, Stimmung schlägt Fakten, das war auch bei Obama so. Aber wenn man das weiß, muss man das als Wahlkämpfer auch machen.

    Wird Trump nun durch die Mehrheit der Republikaner im Kongress ein starker Präsident oder wird der Kongress ihn stark kontrollieren?

    Jäger: Beides. Die Republikaner werden sich hinter dem Sieger Trump sammeln. Er wird viele Kompromisse mit seiner Partei schließen müssen. Ein Präsident kann allein keine Gesetze ohne das Parlament machen. Trump wird umgeben sein von vielen Beratern. Aber das schließt nicht aus, dass er – wie Präsidenten vor ihm – gravierende Fehlentscheidungen trifft. Etwa den Irakkrieg, den George W. Bush begonnen hat. Ein US-Präsident hat eine sehr große Machtfülle in der Außenpolitik. Man wird sehen, ob er so brutal auftritt wie im Wahlkampf oder eher staatsmännisch wie in seiner ersten Rede danach. Interview:

    Zur Person: Der USA-Experte Thomas Jäger, 56, lehrt als Professor für Außenpolitik und Internationale Politik an der Universität Köln.

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