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Leitartikel: Von wegen amtsmüde: Angela Merkel kämpft

Leitartikel

Von wegen amtsmüde: Angela Merkel kämpft

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    Die Union tritt geschlossen gegen SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz an.
    Die Union tritt geschlossen gegen SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz an. Foto: Tobias Hase/dpa

    Der lange Bundestagswahlkampf hat begonnen. Die Großkoalitionäre von CDU, CSU und SPD stellen das gemeinsame Regieren ein. Es sind zwar noch sechs Monate bis zur Wahl. Doch ab sofort agieren die Parteien nur noch im Wahlkampfmodus.

    Die Union, die nach dem furiosen Aufgalopp des SPD-Kanzlerkandidaten Schulz in eine Schockstarre verfallen war, berappelt sich langsam. Der klare Sieg im Saarland war Balsam für die Seele der auf kaltem Fuße erwischten CDU. Man hat es nun schwarz auf weiß, dass der Merkel-Herausforderer weder über Wasser laufen noch die SPD mit Handauflegen zur stärksten politischen Kraft machen kann. Und die Kanzlerin, die seit fast zwölf Jahren regiert und im Vergleich mit dem virtuos auf der Klaviatur von Gefühlen und Emotionen spielenden SPD-Regenmacher Schulz zunächst blass und ausgelaugt wirkte, gibt sich neuerdings nicht nur bekannt gelassen, sondern auch angriffslustig. Von wegen amtsmüde.

    Martin Schulz hat mehr als ein Strohfeuer entfacht

    Nach Merkels umjubeltem Wahlkampfauftritt in Münster und ihrer scharfen Abrechnung mit der rot-grünen Landesregierung ist klar: Die Kanzlerin kämpft. Der „Marathonlauf“, den Schulz auf dem Weg ins Kanzleramt ausgerufen hat, ist eine Spezialdisziplin der erfahrenen, krisenerprobten Amtsinhaberin. Nichts ist entschieden. Im Umfragehoch für Schulz und in der Aufholjagd der SPD kommt auch jener Wunsch nach Veränderung zum Ausdruck, der jedem Machtwechsel vorauseilt. Schulz hat mehr als ein Strohfeuer entfacht. Aber die Rechnung der euphorisierten SPD, eine irgendwie ermattete, von den eigenen Leuten nicht mehr wirklich unterstützte Kanzlerin locker aus dem Amt fegen zu können, geht nicht auf.

    Merkel hat auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise unzweifelhaft das Vertrauen von Stammwählern eingebüßt und die rechte Flanke der Union zugunsten der AfD entblößt. Trotzdem kann sie sich, wenn es jetzt zum Schwur kommt, des Rückhalts von CDU und CSU sicher sein. Es ist der Machtinstinkt, der die Union wieder zusammenschweißt und auch die CSU – bei allen Vorbehalten – dazu zwingt, die Fahne Merkels hochzuhalten. Deshalb rühmt Seehofer nun Merkel, die er im Streit um die Obergrenze für Zuwanderung zu lange und zu heftig attackiert hat, als „größten Trumpf der Union“.

    Seehofer bleibt CSU-Chef und tritt 2018 wieder an

    So geht das in der Politik. Seehofers Schwenk dürfte manchen CSU-Anhänger irritieren. Doch an der Bereitschaft der CSU, aus eigenem Interesse für die gemeinsame Kanzlerin zu kämpfen, besteht kein Zweifel mehr. Und natürlich wird erst mal nichts aus der „geordneten Hofübergabe“, die Seehofer einst angekündigt hat. Er bleibt Parteichef, beordert Innenminister Herrmann nach Berlin und wird – sofern der weißblaue Himmel im Herbst nicht einstürzt – die CSU auch in die Landtagswahl 2018 führen. Niemand, auch Söder nicht, kann den Alten vom Hof jagen. Seehofer ist eben noch immer der Mann, der am ehesten Wahlsiege und Durchsetzungsfähigkeit im Bund garantiert. Die CSU beginge Selbstmord, wenn sie inmitten des Wahlkampfes an Seehofers Stuhl sägen würde.

    Eine geschlossen operierende Union hat alle Chancen, Merkel im Amt zu halten und Schulz auf Platz zwei zu verweisen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Wähler entscheidet, welche Koalition sich am Ende überhaupt rechnet. Rot-Rot-Grün scheint kein Kassenschlager zu sein. Der Flirt des Martin Schulz mit der populistischen Linkspartei der „Familie Lafontaine“ (Gerd Schröder) war der erste schwere Fehler des hochgelobten Kandidaten, der die linke Tür weiter offenhalten und nur nicht mehr öffentlich darüber reden will. Merkel und Seehofer werden diesen Fehler zu nutzen wissen.

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