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Kommentar: Warten auf den Kurswechsel der Kanzlerin

Kommentar

Warten auf den Kurswechsel der Kanzlerin

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    Bundeskanzlerin Merkel lehnt bisher alle Forderungen nach einem Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik ab.
    Bundeskanzlerin Merkel lehnt bisher alle Forderungen nach einem Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik ab. Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)

    Der Bundespräsident wahrt die Kleiderordnung und sagt kein Wort über die Kanzlerin. Aber er tut, was seines Amtes ist – und schaltet sich mahnend in die immer hitziger werdende Debatte um die Flüchtlingspolitik Merkels ein. Gauck bringt auf den Punkt, was eine große Mehrheit der Deutschen denkt: So kann es nicht weitergehen. Er verleiht dieser Mehrheit, die sich in der Politik der Bundesregierung nicht wiederfindet und das Vertrauen in die Politik verliert, eine Stimme.

    Der Pastor Gauck ist ein Mann, der die Dinge mit viel Herz und viel Verstand betrachtet. Er steht – wie die meisten Deutschen – ohne Wenn und Aber zu den humanitären Verpflichtungen des Landes und hat stets dafür geworben, bei aller Sorge vor Überfremdung auch die Chancen der Zuwanderung im Auge zu behalten. Umso schwerer wiegt sein Urteil, wonach eine Begrenzung der Massenzuwanderung „politisch und moralisch“ geboten sei. Politisch, weil das Land sonst überfordert wird und aus der Balance gerät. Moralisch, weil grenzenlose Hilfe unmöglich ist und möglichst vielen Menschen nur gut geholfen werden kann, wenn der Staat die Kontrolle über diesen historischen Prozess (und damit über seine Grenzen) zurückgewinnt. Das ist die Botschaft Gaucks. Die Adressatin heißt Angela Merkel.

    Kanzlerin hält bis jetzt an ihrer Politik der offenen Grenzen fest

    Die Kanzlerin lehnt bisher alle Forderungen nach einem Kurswechsel ab. Sie hält unbeirrt an ihrer Politik der offenen Grenzen fest, obwohl ihr Ansehen dramatisch gesunken ist und die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung nach einem glasklaren Signal Merkels verlangt, dass die Aufnahmekapazitäten Deutschlands begrenzt sind. Die CDU-Vorsitzende weiß, was in ihrer Union und im Lande los ist. Sie hat sich ja auch bewegt. Die jüngsten Asylgesetze der Großen Koalition zeugen von dem Willen, die Lage besser in den Griff zu bekommen. Darin steht vieles, was eben noch als rechtspopulistisches und scharfmacherisches Gedankengut der CSU geschmäht worden ist: Aufnahmezentren, mehr sichere Herkunftsstaaten, konsequente Abschiebungen usw. Dazu kommt, dass Merkel neue Töne anschlägt und die syrischen Flüchtlinge auffordert, nach dem Ende des Bürgerkriegs ihre Heimat wieder aufzubauen.

    Die schöne „Willkommenskultur“ umweht plötzlich ein Hauch von Verabschiedung. Zur raschen und dauerhaften Verringerung der Flüchtlingszahlen werden diese Maßnahmen und Reden jedoch nicht führen. Das gelingt, wenn schon nichts an den deutschen Grenzen geschehen soll, allenfalls mit der von Merkel angepeilten, an sich ja wünschenswerten „internationalen Lösung“. Der Haken daran ist nur, dass nichts vorangeht und ganz Europa Merkel die Gefolgschaft versagt. Sowohl der Schutz der EU-Außengrenze als auch die Verteilung von Flüchtlingen in der EU stehen weiter in den Sternen. Das moralische Vorbild, das Deutschland in Überschätzung seiner eigenen Kräfte abgeben will, findet keine Nachahmer. Sogar die Schweden winken ab – und führen ungerührt vor, dass sich Grenzen sehr wohl kontrollieren lassen.

    Gut möglich, dass Merkel mit ihren sanften Kurskorrekturen den Kurswechsel vorbereitet. Einwanderung in großem Stil – und darauf läuft es ja hinaus – ist auf Dauer gegen die große Mehrheit des Volkes nicht durchzusetzen. Sie bedarf der Rückendeckung durch die breite und sehr wohl hilfsbereite Mitte der Gesellschaft. Die will wissen, wohin die Reise geht – und eine offene, realistische Debatte darüber, wie viele Menschen das Land künftig aufnehmen will und kann. Also wird Merkel handeln (müssen). Andernfalls setzt sie nicht nur ihr Amt, sondern – was viel schwerer wiegt – die politische und soziale Stabilität des Landes aufs Spiel.

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