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Leitartikel: Was das verlorene Referendum in Italien für die EU bedeutet

Leitartikel

Was das verlorene Referendum in Italien für die EU bedeutet

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    Premierminister Matteo Renzi tritt zurück. Eine ernste Gefahr für die EU ist die Lage in Italien nicht.
    Premierminister Matteo Renzi tritt zurück. Eine ernste Gefahr für die EU ist die Lage in Italien nicht. Foto: Kay Nietfeld/Archiv (dpa)

    Italiens forscher Premierminister Matteo Renzi hat eine politische Eselei begangen. Der Politiker wollte ein Land, in dem Stillstand und Parteiengezänk Tradition haben, im Sauseschritt reformieren. Mit Italien ist das nicht zu machen. Das weiß Renzi seit der Nacht zum Montag. Die Abstimmung mit seinem politischen Schicksal zu verbinden, hat viele Wähler erst motiviert, gegen ihn zu stimmen. „Renzirendum“ nannten seine Gegner den Wahlgang. Der Premier hat sich verzockt.

    Doch es macht durchaus Sinn, die Folgen des gescheiterten Referendums differenziert zu betrachten.

    Für Italien ist das Scheitern eines Regierungschefs ein sehr normaler Vorgang. Der sozialdemokratische Reformer Renzi nimmt seinen Hut. Das Reformtempo wird sich wohl wieder verlangsamen. Vielleicht kommt es sogar ganz zum Erliegen.

    Derzeit sieht es nach einer Übergangsregierung aus, um die Zeit bis zu den nächsten Wahlen 2018 zu überbrücken. Die Italiener haben sich längst an dieses Chaos gewöhnt. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben sie mehr als 60 Regierungen kommen und gehen sehen.

    Italien ist zwar höchst verschuldet und mehrere Banken wackeln. Aber es ist auch die achtgrößte Industrienation der Welt. Das Land trotzt der permanent instabilen politischen Situation, in der Regierungschefs wie Giulio Andreotti im Verdacht standen, der Mafia nahe zu sein, oder ein Potentat wie Silvio Berlusconi mit dreister Korruption und Sex-Affären die Italiener in Atem hielt. Auch die nächste Regierung und zehn weitere werden Italien also nicht zugrunde richten.

    Verlorenes Referendum keine ernste Gefahr für die EU

    Auf einem anderen Blatt stehen die Folgen für die Europäische Union. Auch hier ist im Vorfeld des Referendums viel übertrieben worden. So prophezeiten Experten zunächst den Absturz an den Finanzmärkten. Zumindest am Montag blieb der aus. Der Euro stieg. Der deutsche Aktienindex Dax schloss im Plus. Nur die Mailander Börse ließ moderat Federn. Nach dem Brexit war es noch zu massiven Abstürzen gekommen.

    Die Auswirkungen des gescheiterten Italien-Referendums auf die EU beziehen sich darauf, dass der Verlierer Renzi als EU-Befürworter gilt. Bei den nächsten Wahlen, so die Befürchtung, könnten antieuropäische Kräfte wie die Fünf-Sterne-Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo erstarken. Die haben eine Volksabstimmung über den Euro angekündigt. Wenn es nun nicht zu raschen Neuwahlen kommt – und danach sieht es aus –, wird in Italien aber erst 2018 wieder gewählt. Bis dahin könnte vieles noch ganz anders kommen.

    Eine ernste Gefahr für Europa geht speziell von dieser misslungenen Wahl nicht aus. Und dennoch ist die EU in größter Not. Denn in vielen Mitgliedsländern erstarken die Kritiker. Dazu gehören die gewählten Regierungen in Ungarn und Polen. Und auch die rechte französische Front National oder die deutsche AfD, die gerne dem abtrünnigen Großbritannien folgen würden.

    Europa versagt bei zentralen politischen Fragen

    Wichtigster Grund für den Abkehrtrend von der EU ist ein Versagen in den zentralen Politikfeldern. Auf die Banken- und Griechenland-Krise antwortete die Europäische Zentralbank mit der Vergemeinschaftung der Schulden durch den Ankauf von Staatsanleihen. Reiche Staaten – vor allem Deutschland – zahlten die Zeche. Die Sparer wurden beteiligt, indem ihnen die Zinsen gestrichen wurden. Auch in der Flüchtlingskrise versagte Europa, das zwar Binnengrenzen abbaute, aber unfähig ist, seine Außengrenzen zu schützen.

    Die EU wird nicht von einem misslungenen Referendum in Italien bedroht. Europa wird bedroht von seiner Unfähigkeit, sich zu erneuern und die großen Probleme der Menschen zu lösen.

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