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Kommentar: Was vom Gipfel bleibt? Gestaltungsspielraum der G20 ist begrenzt

Kommentar

Was vom Gipfel bleibt? Gestaltungsspielraum der G20 ist begrenzt

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    Angela Merkel im Gespräch mit Donald Trump und Emmanuel Macron.
    Angela Merkel im Gespräch mit Donald Trump und Emmanuel Macron. Foto: Bernd von Jutrczenka

    Erdogan, immer wieder Erdogan. Bis der türkische Präsident mit seinen Absetzbewegungen vom Pariser Klimaabkommen ihre ausgetüftelte Gipfel-Strategie durchkreuzte, lag Angela Merkel am Samstag im Plan. Sie hatte größere Konfrontationen vermieden, eine neue Partnerschaft für Afrika begründet - und mit der vorübergehenden Waffenruhe für Syrien, vereinbart von Donald Trump und Wladimir Putin am Rande des Treffens, ging von Hamburg aus sogar ein kleines Zeichen der Hoffnung hinaus in die Welt (alle Entwicklungen können Sie hier nachlesen). Am Ende jedoch demonstrierte Erdogan mit der ihm eigenen Chuzpe, dass Trump in der Klimafrage offenbar nicht ganz so isoliert ist, wie die deutsche Kanzlerin es gerne glauben machen will.

    Es liegt im Wesen solcher Gipfel, dass sie viel Unverbindliches produzieren und wenig Konkretes. Das groß gefeierte Bekenntnis zum freien Handel, zum Beispiel, ist nicht mehr als eine Absichtserklärung, die China oder die USA im Zweifel nicht davon abhalten wird, Strafzölle zu erheben, um die eigene Wirtschaft zu schützen. Eine entsprechende Hintertür lässt ihnen die Gipfelerklärung sogar ausdrücklich offen.

    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach dem G20-Gipfel in Hamburg die Ratifizierung des Vertrages durch sein Parlament infrage gestellt.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach dem G20-Gipfel in Hamburg die Ratifizierung des Vertrages durch sein Parlament infrage gestellt. Foto: Carsten Rehder, dpa

    Auch beim Klimaschutz fällt die Bilanz dieses Gipfels eher durchwachsen aus. Das kann man angesichts der Ausgangslage für einen Fortschritt halten, nachdem Trump das Pariser Abkommen aufgekündigt hat, oder für eine Niederlage der Kanzlerin, aus deren Allianz gegen den US-Präsidenten Erdogan jetzt ausgebrochen ist. Mit den Fingern auf andere zeigen sollte Deutschland aber tunlichst nicht. Dazu ist die Abhängigkeit von der Kohle bei uns noch zu groß - und auch der Versuch, mit einem konsequenten Ausbau der Elektromobilität die eigene Klimabilanz zu verbessern, kommt bisher nur schleppen voran. Das Gleiche gilt für China, das sich wortreich zum Klimaschutz bekennt und gleichzeitig Hunderte neue Kohlekraftwerke in Auftrag gibt.

    Hat mit dem G20-Gipfel die Ent-Dämonisierung Trumps begonnen?

    Den vielleicht größten Geländegewinn hat der Gipfel auf einem Terrain erreicht, das vor Hamburg regelrecht vermint schien. Niemand weiß, was Donald Trump der Welt noch zumuten wird, anders als beim Siebener-Gipfel vor wenigen Wochen im sizilianischen Taormina bemühte er sich aber erkennbar, nicht mehr als der Paria der Weltgemeinschaft dazustehen. Ob Hamburg der Beginn der Ent-Dämonisierung Trumps war, muss sich noch zeigen. In jedem Fall hat der US-Präsident sowohl bei seinem Treffen mit Putin als auch beim Gipfel selbst eine für seine vielen Kritiker ungewohnt berechenbare Rolle gespielt. Hart in der Sache, das ja, aber nicht auf Krawall aus. Natürlich wird er weder zurück in den Klimapakt kommen noch seine Politik des "America first" korrigieren, aber wer weiß, ob sich in einigen Jahren ein neuer US-Präsident nicht wieder mit an den Klima-Tisch setzt?

    Die G20 repräsentieren zwei Drittel der Weltbevölkerung und vier Fünftel der globalen Wirtschaftskraft. Dennoch ist ihr Gestaltungsspielraum, wie sich Hamburg wieder einmal gezeigt hat, begrenzt. Gegen das unbestimmte Gefühl, dass der Staatengemeinschaft die Probleme von der Migration bis zum Klimaschutz über den Kopf wachsen, haben die großen 20 bisher kein Rezept gefunden. Am guten Willen fehlt es nicht, im Zweifel aber dominieren auch in einer Runde, die sich um ein kontinuierliches Miteinander bemüht, häufig nationale Interessen.

    Immerhin bleiben die G20-Staaten im Gespräch

    Siehe China. Siehe USA. Siehe Europa, das im Moment viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist und nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch noch nach einer neuen Rolle zwischen diesen beiden Blöcken sucht. So gesehen hat Hamburg seinen Zweck jenseits aller Krawalle und Straßenschlachten durchaus erfüllt. Die großen Industrie- und Schwellenländer bleiben im Gespräch bis zum nächsten Gipfel, in einem Jahr in Argentinien...

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