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Neues Meldegesetz: Wenn der Staat unsere Daten an Werbefirmen verkauft

Neues Meldegesetz

Wenn der Staat unsere Daten an Werbefirmen verkauft

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    Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit beschloss der Bundestag vor zehn Tagen das neue Meldegesetz. Während die Nation das EM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien im Fernsehen verfolgte, saßen ein paar Handvoll Abgeordnete im fast leeren Bundestag  und winkten die neuen Regelungen mit der Regierungsmehrheit durch.
    Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit beschloss der Bundestag vor zehn Tagen das neue Meldegesetz. Während die Nation das EM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien im Fernsehen verfolgte, saßen ein paar Handvoll Abgeordnete im fast leeren Bundestag  und winkten die neuen Regelungen mit der Regierungsmehrheit durch. Foto: Screenshot/AZ

    Der Protest kommt spät, aber laut: Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit beschloss der Bundestag vor zehn Tagen das neue Meldegesetz. Während die Nation das EM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien im Fernsehen verfolgte, saßen ein paar Handvoll Abgeordnete im fast leeren Bundestag  und winkten die neuen Regelungen mit der Regierungsmehrheit durch.

    Jetzt allerdings ist der Wirbel um das neue Gesetz umso größer. Datenschützer laufen Sturm - und selbst die verantwortlichen Politiker schwenken plötzlich um. Warum das neue Meldegesetz so problematisch ist, wie es nun weitergeht - hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

    Das neue Meldegesetz - was ist das Problem?

    Gestritten wird um die Frage, unter welchen Bedingungen Ämter Daten nach draußen geben dürfen, wenn diese für Werbung oder den Handel mit Adressen verwendet werden sollen. Der ursprüngliche Entwurf des Meldegesetzes vom November 2012 sah eigentlich eine verbraucherfreundliche Regelung vor: Ohne Einwilligung des Betroffenen hat niemand Zugriff auf die Daten - es hätte also nachgefragt werden müssen. Das wurde nun geändert.

    Wer hat die Änderung zu verantworten?

    Im zuständigen Innenausschuss setzten CDU, CSU und FDP gegen die Oppositionsparteien eine Änderung durch, die die verbraucherfreundliche Regelung quasi ins Gegenteil verkehrt.

    Was genau sieht die Neuregelung vor?      

    In der neuen Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens (Paragraph 44) heißt es, dass die Daten grundsätzlich weitergegeben werden dürfen - es sei denn, der Betroffene hat dem ausdrücklich widersprochen, zum Beispiel bei der Anmeldung auf dem Bürgeramt. Dazu wurde ein Passus eingefügt, der dieses Widerspruchsrecht sogar noch weiter einschränkt: "Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden." Führt der Adresshändler die Person bereits in seiner Datenbank und möchte jetzt wissen, ob die Angaben noch aktuell sind, erteilt das Amt also Auskunft. Widerspruch zwecklos - zumindest beim Amt.

    Wieso gibt es überhaupt ein neues Meldegesetz?

    Bislang war das Meldewesen auf Länderebene geregelt, nach einem Rahmengesetz des Bundes (Melderechtsrahmengesetz, MRRG). Mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 ist das Melderecht allerdings auf den Bund übergegangen. Das Gesetz soll nun die neuen Zuständigkeiten regeln.

    Was sagen Datenschützer zu dem neuen Gesetz?

    Der Bundesdatenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, verlangt, zur ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs zurückzukehren, die eine Einwilligung des Bürgers zur Voraussetzung für die Weitergabe seiner Daten durch die Meldebehörde machte. "Es geht nicht an, dass Daten, die der Staat zwangsweise erhebt, gegen Entgelt und ohne Einwilligung des Betroffenen weitergegeben werden", sagt er.

    Wie war der Datenschutz bisher gefasst?

    Auch heute schon können zum Beispiel Unternehmen persönliche Daten beim Amt erfragen und abgleichen, solange der Betroffene dem nicht widersprochen hat. Die Meldeämter sind verpflichtet, die Bürger bei der Anmeldung auf ihr Widerspruchsrecht aufmerksam zu machen. In Berlin steht dieser Hinweis zum Beispiel in den einleitenden Erläuterungen zum Meldeformular, einen Vordruck für den Widerspruch kann man beim Amt bekommen. Die bisherige Regelung ist also nicht so verbraucherfreundlich wie der ursprüngliche Gesetzentwurf vom November. Die geänderte Fassung weicht das Widerspruchsrecht aber klar auf.

    Welche Daten dürfen die Meldeämter weitergeben?

    Privatpersonen und nicht-öffentliche Einrichtungen dürfen Auskunft bekommen über: Familienname, Vorname, Doktortitel, aktuelle Anschrift und die Tatsache, dass die Person gestorben ist. Beim Meldeamt liegen noch viele weitere Angaben vor, zum Beispiel das Geschlecht, der Familienstand, die Staatsangehörigkeit oder die Religion. Diese Daten sind gegen Weitergabe geschützt.

    Wie können sich Bürger gegen die Weitergabe wehren?

    Nach der bisher gültigen Regelung können Betroffene gleich bei der Anmeldung eine Widerspruchserklärung ausfüllen. Außerdem sind die Meldeämter verpflichtet, den Bürgern darüber Auskunft zu erteilen, an wen welche Daten weitergegeben wurden.

    Gibt es Musterbriefe für den Widerspruch gegen die Daten-Verwendung?

    Ja, Beispielsweise bei den Verbraucherzentralen gibt es Musterbriefe, mit denen man direkt beim Unternehmen der Datenverwendung zu Werbezwecken widersprechen kann.

    Wie geht es weiter?

    Im Herbst will der Bundesrat über den Gesetzentwurf beraten. Die Oppositionsparteien haben angekündigt, die Vorlage in der Länderkammer zu stoppen.

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