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Leitartikel: Wer Afrika hilft, hilft gleichzeitig Europa

Leitartikel

Wer Afrika hilft, hilft gleichzeitig Europa

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    Vor der libyschen Küste aus Seenot geborgen: Diese Flüchtlinge werden vom Rettungsschiff „Aquarius“ der deutschen Hilfsorganisation „SOS Mediterranee“ nach Cagliari auf Sardinien gebracht.
    Vor der libyschen Küste aus Seenot geborgen: Diese Flüchtlinge werden vom Rettungsschiff „Aquarius“ der deutschen Hilfsorganisation „SOS Mediterranee“ nach Cagliari auf Sardinien gebracht. Foto: Gabriel Bouys/afp

    Während bei den neu ankommenden Flüchtlingen in Deutschland immer noch Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak das Bild bestimmen, hat sich die Migration über das Mittelmeer fundamental geändert. Vergangenes Jahr kamen 180000 Asylsuchende in Italien an, in Griechenland aber „nur“ noch 173000 (nach 854000 im Jahr zuvor). Die in Italien Registrierten stammen meist aus dem südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas. 60000 kamen allein aus dem westafrikanischen Nigeria, dem mit 180 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Staat des Kontinents.

    In Deutschland ist diese Fluchtwelle aus Afrika vorerst nur ansatzweise zu spüren. Aber eine gewisse Dynamik ist erkennbar. So kamen im November immerhin 15 Prozent der registrierten Flüchtlinge aus Nigeria sowie aus zwei von Diktatur und Zerfall geprägten Staaten am Horn von Afrika, nämlich Eritrea und Somalia. Doch der Flüchtlingsdruck, der auf Italien lastet, wird wohl in Kürze auch Deutschland erreichen.

    Lebensbedingungen vielerorts katastrophal

    Es könnten sich in Afrika noch viele auf den Weg nach Europa machen, wenn ihre Lebensbedingungen weiter katastrophal bleiben. Danach aber sieht es vielerorts aus. Die Bedrohung etwa durch die islamistischen Boko-Haram-Kämpfer in Nigeria oder in Mali und Niger durch die Terroristen von „Al Kaida im Maghreb“ konnte bisher nicht gebannt werden. Armut und Hunger, diktatorische Regime und Bürgerkriege treiben in zahlreichen Ländern immer mehr Menschen in die Flucht. Neuerdings erschwert auch der Klimawandel in vielen Regionen die Existenzbedingungen für die Bewohner. Aber es wächst auch in den von Bevölkerungswachstum geprägten Staaten unter den vielen jungen Menschen, die keine berufliche Perspektive in ihrer Heimat haben, der Wunsch, ihr Glück in der Auswanderung zu suchen. Der Fluchtgründe sind Legion.

    So viele Baustellen, wo soll man ansetzen? Es gilt vor allem, Terrorismus und Bürgerkriege zu bekämpfen. Allerdings sollten direkte militärische Interventionen die Ausnahme bleiben. Europa sollte eher der Afrikanischen Union helfen, als Ordnungsmacht aufzutreten. Das Eingreifen der Franzosen in Mali, die das von Terroristen überrannte Land zunächst freikämpften, war dagegen unverzichtbar. Jetzt wird versucht, die Lage zu stabilisieren, wobei die Bundeswehr Hilfestellung gewährt.

    Wichtiger bleibt die zivile Hilfe. Denn afrikanische Staaten, die ihren Bürgern Sicherheit und auch ökonomisch ein Auskommen bieten, produzieren keine Flüchtlinge. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit leistet dazu wichtige Beiträge. Etwa in Ruanda, das mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Völkermord an den Tutsi wieder eine positive Entwicklung nimmt. Oder in Ghana, wo erneut der demokratische Machtwechsel gelang und der Oppositionsführer am Samstag das Präsidentenamt übernimmt. Hilfe für diese Staaten ist eine Investition, die sich langfristig auch für Deutschland und Europa auszahlt.

    Das sinnlose Sterben im Mittelmeer muss aufhören

    Nordafrika ist derzeit die Startbasis für viele Flüchtlinge aus dem Inneren des Kontinents, die nach Europa gelangen wollen. Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily schlug 2004 vor, dort „Aufnahmeeinrichtungen“ für Asylsuchende einzurichten. Damals gab es viel Kritik, inzwischen wird wieder darüber diskutiert. Schily sagt heute nur noch, die Entscheidung über die Einreise sollte „vor unseren Außengrenzen fallen“. Warum nicht in Nordafrika? Dann gäbe es auch nicht mehr die gefährlichen Überfahrten in seeuntüchtigen Booten. 5000 Menschen starben 2016 im Mittelmeer beim Versuch, Europa zu erreichen. Dieses sinnlose Sterben muss endlich aufhören.

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