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Extremismus: Wie gefährlich sind die "Reichsbürger"?

Extremismus

Wie gefährlich sind die "Reichsbürger"?

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    Die sogenannten "Reichsbürger" rücken ins Visier des Verfassungsschutzes.
    Die sogenannten "Reichsbürger" rücken ins Visier des Verfassungsschutzes. Foto: Alexander Kaya (Symbolfoto)

    Die AfD in Bayern rückt offenbar gefährlich nahe an rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Gruppen heran. Seit diesem Monat wird AfD-Landeschef Petr Bystron sogar vom Verfassungsschutz beobachtet. Das bestätigte der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Burkhard Körner, am Mittwoch in München. Auch einige weitere Mitglieder der Partei seien im Visier der Behörde, nicht aber die AfD als Ganzes, betonte Körner. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sieht „besorgniserregende Entwicklungen“ in allen extremistischen Szenen. Das gilt nach den Worten des CSU-Politikers auch für die sogenannten „Reichsbürger“, die vom Verfassungsschutz neuerdings als „sicherheitsgefährdende Bestrebung“ eingestuft und zumindest „in Teilen“ dem Rechtsextremismus zugeordnet werden.

    Drei Entwicklungen in der Sicherheitslage im Freistaat hob Herrmann gestern besonders hervor: die anhaltend hohe Gefahr durch islamistische Terroristen, die wachsende Gewaltbereitschaft zwischen türkischen Nationalisten und der kurdischen Terrororganisation PKK in Deutschland sowie die immer stärker um sich greifende „Hetze gegen Fremde und Gewaltbereitschaft gegen Andersdenkende“.

    Erst nach Schüssen auf einen Polizisten gerieten die "Reichsbürger" in den Fokus

    Erstmals hat sich der Verfassungsschutz im Bereich des Rechtsextremismus besonders intensiv mit den sogenannten „Reichsbürgern“ beschäftigt. Sie waren erst nach den Schüssen auf einen Polizisten im fränkischen Georgensgmünd richtig in den Blickpunkt gerückt. Im Oktober 2016 hatte dort ein Mann, der sich zu der Bewegung bekennt, einen Beamten getötet. „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik und ihre Institutionen nicht an. Bisher konnten laut Herrmann 2700 von ihnen identifiziert werden – darunter waren 178 Waffenbesitzer. In 94 Fällen wurde die Erlaubnis, eine Waffe zu besitzen, widerrufen.

    Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer

    Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.

    Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.

    Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.

    Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.

    Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.

    Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.

    Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.

    Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

    Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.

    Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)

    Laut Verfassungsschutz handelt es sich bei den „Reichsbürgern“ um eine sehr heterogene Bewegung, die zwar nicht vollständig dem Rechtsextremismus zugerechnet werden könnte, die Ideologie insgesamt sei aber geeignet, Personen in ein „geschlossenes, verschwörungstheoretisches Weltbild“ zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. „Dies kann“, so heißt es im Verfassungsschutzbericht, „die Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung.“

    Verfassungsschutz stuft "Identitäre Bewegung" als rechtsextremistisch ein

    Viel eindeutiger fällt das Urteil der Verfassungsschützer über die sogenannte „Identitäre Bewegung“ aus. Ihre Vorstellung, wonach Völker an bestimmte Territorien gebunden seien, entspreche „der rechtsextremistischen ,Blut und Boden‘-Ideologie, wobei der Begriff der ,Rasse‘ durch eine angebliche ,ethnokulturelle Identität‘ ersetzt wird“. Dass nun auch Bystron beobachtet wird, begründete Präsident Körner damit, dass Bayerns AfD-Chef „mehrfach eine ausgeprägte Nähe zur rechtsextremistischen ,Identitären Bewegung‘“ habe erkennen lassen. Er habe sie als „tolle Organisation“ und als „Vorfeldorganisation von der AfD“ bezeichnet, die unterstützt werden müsse.

    Bystron nannte in einer Erklärung die Beobachtung durch den Verfassungsschutz „sachlich ungerechtfertigt und rein parteipolitisch motiviert“. Er warf Herrmann vor, den Verfassungsschutz zu missbrauchen, „um mich und meine Partei zu diskreditieren“.

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