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FDP-Parteitag: Philipp Rösler und das "Jetzt erst recht"

FDP-Parteitag

Philipp Rösler und das "Jetzt erst recht"

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    „Es ist gut, dass es eine Partei gibt, die sich gegen den Zeitgeist stellt.“ FDP-Parteichef Philipp Rösler. dpa
    „Es ist gut, dass es eine Partei gibt, die sich gegen den Zeitgeist stellt.“ FDP-Parteichef Philipp Rösler. dpa

    Mark Rutte weiß, wovon er spricht. Auch seine Partei, die niederländische VVD, hat schwierige Zeiten hinter sich, interne Machtkämpfe, einen drohenden Rechtsruck, den Verlust der Regierungsbeteiligung. Mittlerweile jedoch ist der 44-jährige Ministerpräsident seines Landes und um eine Erfahrung reicher: „Vertrauen“, sagt er, „kommt im Schritt und schwindet im Galopp.“

    Rösler: "Harte Monate"

    Der FDP, die Rutte an diesem Wochenende zu ihrem Parteitag eingeladen hat, geht es nicht anders. Auch für ihn persönlich, klagt Philipp Rösler, seien die sechs Monate seit seiner Wahl zum Vorsitzenden gelegentlich „ganz schön hart“ gewesen: die Häme, die Schadenfreude, die schlechten Umfragen. 2011, räumt Rösler ein, sei für die Liberalen weiß Gott kein Erfolgsjahr. Umso trotziger sagt er nun: „Jetzt erst recht.“ Unter großem Beifall appelliert der 38-Jährige am Ende einer langen, eindringlichen Rede an die Partei, nicht aufzugeben: „Schluss mit der Trauer, Schluss mit den Tränen, es ist Zeit, die Taschentücher wegzustecken.“

    Eigentlich will die FDP in Frankfurt vor allem über die Bildungspolitik reden, so jedenfalls war es einmal geplant. Tatsächlich ringt sie temperamentvoll und sehr kontrovers um ihren Euro-Kurs. In den Hauptrollen: der Altliberale Burkhard Hirsch und der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, die Initiatoren des Mitgliederentscheides, auf der einen Seite – und auf der anderen, etwas überraschend, nicht der neue Vorsitzende Rösler, sondern sein Vorgänger Guido Westerwelle. Für die einen, Hirsch und Schäffler, ist die gegenwärtige Politik der Rettungsschirme wahlweise ein teures Risiko oder ein Beitrag zur weiteren Spaltung Europas. Für den anderen, Westerwelle, ist genau diese Politik gelebte Solidarität: „In der Stunde der Not und der Krise muss Europa zusammenhalten.“

    Dass sich ausgerechnet ein liberaler Grandseigneur wie Hirsch an die Spitze der Euro-Skeptiker stellt, bringt den Außenminister gewaltig in Rage. „Ja, Europa hat einen Preis“, kontert er, „aber es hat auch einen Wert.“ Die 90 Abgeordneten der FDP,die im Bundestag vor Kurzem für die Ausweitung des Schirmes gestimmt hätten, „sind nicht weiter von der Basis entfernt als die drei, die sich das Recht genommen haben, dagegenzustimmen“.

    Kein Harakiri-Kurs

    Leidenschaftlich verbittet der frühere Parteichef sich Hirschs Vorwurf, Europa sei nur noch eine Art finanzpolitisches Protektorat. Westerwelle ist sich sicher: Europa fährt hier keinen Harakiri-Kurs. „Wir machen hier Geschichte!“ Es ist ein kurzer, aber fulminanter Auftritt, der viele Delegierten buchstäblich von den Sitzen reißt. Sie feiern ihren früheren Vorsitzenden, den sie im Frühjahr noch so gedemütigt haben, mit stehenden Ovationen.

    Auch wenn in der Partei bisher kaum jemand damit rechnet, dass Schäffler und Hirsch mit ihrem Mitgliederentscheid Erfolg haben – die Skepsis sitzt tief, nicht nur in der FDP. Obwohl es Deutschland gut gehe, sagt Rösler, hätten viele Menschen Angst um ihre Arbeitsplätze und ihr Erspartes. Wenn die Liberalen im Moment so viel über Europa diskutierten, seien sie deswegen aber nicht gegen Europa. Im Gegenteil: „Ich werde nicht zulassen, dass die Grundachse der Partei verschoben wird.“ Am Ende der teuren Rettungsmaßnahmen, macht er sich Mut, „wird der Euro die stärkste Währung der Welt sein“.

    Eine Rede, wie sie die FDP nicht alle Tage hört

    Es ist eine Rede, wie sie die FDP nicht alle Tage hört: nachdenklich, selbstkritisch, nicht so dröhnend laut wie früher bei Westerwelle und auch nicht so effekthascherisch. Teilweise spricht Rösler so beschwörend leise, dass die mehr als 600 Delegierten in der Frankfurter Messe ihn kaum noch verstehen können. Der Versuchung, die gerade beschlossene Steuerentlastung und die anderen Ergebnisse des letzten Koalitionsgipfels größer zu machen, als sie sind, erliegt er erst gar nicht. Lieber als über das, was war, redet er über das, was noch kommen soll, strengere Regeln für die Finanzindustrie zum Beispiel – oder was, wie beim Mindestlohn, möglichst nicht kommen soll. Die Höhe von Löhnen, sagt Rösler, sei Sache der Tarifpartner und nicht des Gesetzgebers. Soll die CDU sich ruhig schleichend sozialdemokratisieren. „Es ist gut, dass es eine Partei gibt, die sich gegen den Zeitgeist stellt.“

    Nur das mit dem Liefern – das funktioniert noch immer nicht so richtig. Vor einem halben Jahr, bei seiner Wahl in Rostock, hat Rösler keck versprochen: „Ab heute wird die FDP liefern.“ Lasse Becker, dem Vorsitzenden der Jungen Liberalen, hat das damals gut gefallen. Er habe nur ein Problem mit der Liefergeschwindigkeit, sagt er heute. Rösler solle sich da lieber nicht an den Fertigungszeiten für den Trabi in der DDR orientieren...

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