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Kommentar: Wulff heuert bei Textilkette an: Geschäft hat ein Geschmäckle

Kommentar

Wulff heuert bei Textilkette an: Geschäft hat ein Geschmäckle

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    Alt-Bundespräsident Christian Wulff vertritt jetzt eine Modefirma - das sorgt für Unmut.
    Alt-Bundespräsident Christian Wulff vertritt jetzt eine Modefirma - das sorgt für Unmut. Foto: Silvio Wyszengrad

    Auch der Tag eines ehemaligen Bundespräsidenten hat nur 24 Stunden. Christian Wulff ist, unter anderem, Schirmherr bei der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft und der Welthungerhilfe, er engagiert sich in Stiftungen, die sich um das Wohl von Kindern kümmern, um den Sport in seiner niedersächsischen Heimat und um die Integration ganz allgemein. Im letzten Wintersemester hatte er an der Universität in Essen eine Gastprofessur, und wenn die Kanzlerin oder der amtierende Präsident mal unabkömmlich sind, vertritt er die Bundesrepublik auch noch ganz offiziell – zum Beispiel bei der Trauerfeier für den saudischen König Abdullah vor zwei Jahren in Riad.

    Ob Wulff will oder nicht: Er bleibt seinem Land verpflichtet

    Muss ein Mann, dessen Leben so ausgefüllt ist, der von seinem Land einen jährlichen Ehrensold von fast 240.000 Euro erhält und der inzwischen auch wieder ein gefragter Vortragsredner ist, noch als Prokurist für eine türkische Modekette arbeiten? Nein. So ungeschickt er schon als Präsident agierte, als er seinen ersten Urlaub gleich in der Luxusresidenz eines befreundeten Unternehmers auf Mallorca verbrachte, so verstörend ist auch das jüngste Engagement des 58-Jährigen.

    Christian Wulff bekommt einen jährlichen Ehrensold von fast 240.000 Euro.
    Christian Wulff bekommt einen jährlichen Ehrensold von fast 240.000 Euro. Foto: dpa

    Der türkische Präsident lässt deutsche Journalisten und Menschenrechtler verhaften, die deutsche Außenpolitik droht im Gegenzug mit dem Entzug von Geldern und Sanktionen – und ein ehemaliger Bundespräsident heuert nahezu zeitgleich bei einem aufstrebenden türkischen Unternehmen an. Mit fehlendem Fingerspitzengefühl alleine lässt sich dieser Fauxpas kaum noch erklären. Offenbar geht es hier auch ums Geld.

    Wulff legt Wert auf die Feststellung, dass er kein Angestellter des Modelabels Yargici ist, sondern nur dessen Anwalt – mit der Prokura, Verträge für eben jenes Unternehmen abzuschließen (mehr dazu lesen Sie hier). Andererseits hat ihn niemand dazu gezwungen, dieses zweifelsohne gut dotierte Mandat anzunehmen. Im Gegenteil: Der Ehrensold, den er bezieht, soll seinen Empfänger ja von genau solchen Versuchungen unabhängig machen. Anders als ein früherer Minister, der nach einer Karenzzeit bei jedem x-beliebigen Verband oder Konzern anheuern kann, gibt ein scheidender Bundespräsident sein Amt nicht an der Pforte von Schloss Bellevue ab. Ob Wulff nun will oder nicht: Er bleibt seinem Land verpflichtet und wird, protokollarisch korrekt, auch als Ehemaliger sein Leben lang mit „Herr Bundespräsident“ angeredet.

    Einen größeren Gefallen kann man Erdogan kaum tun

    Im Umkehrschluss bedeutet das dann aber auch: Alles, was auch nur den Anschein eines Interessenkonfliktes oder gar der Geschäftehuberei erweckt, verbietet sich für einen Ehemaligen von selbst. So gesehen war schon die Eröffnung einer Kanzlei in einer der besten Gegenden Hamburgs eine Grenzverletzung. Wulffs Tätigkeit als Anwalt ist die Plattform für Engagements wie das bei der türkischen Textilkette oder bei einem großen Immobilienunternehmen in der Schweiz, die formell nicht zu beanstanden sind, die aber genau das haben, was der Schwabe gerne ein Geschmäckle nennt – etwas Unnötiges, Ungutes, Unangebrachtes.

    Horst Köhler, sein Vorgänger, hat mit seiner Frau eine Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten gegründet und engagiert sich bis heute in der Afrika-Hilfe. Christian Wulff dagegen, dessen Amtszeit als erster Mann im Staate keine zwei Jahre währte, vermarktet seine Kontakte und berät Unternehmen. Ausgerechnet ihm, der lange als Beispiel an Bescheidenheit und Bodenhaftung galt, sind die Maßstäbe verrutscht. Dabei müsste gerade ein gestandener Polit-Profi wie er wissen, dass nicht alles, was legal ist, am Ende auch legitim ist. Der ehemalige Bundespräsident als Prokurist einer türkischen Firma: Einen größeren Gefallen kann man Recep Tayyip Erdogan kaum tun.

    Lesen Sie außerdem, wie nun eine Kürzung des Ehrensolds für den Alt-Bundespräsidenten Wulff gefordert wird.

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