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Leichtathletik: Ein Lebenswerk im Reißwolf

Leichtathletik

Ein Lebenswerk im Reißwolf

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    Anfang des Jahres waren Regale und Ordner noch voll mit Datenmaterial. Doch fast niemand hatte Interesse an Heinrich Langes Archiv.
    Anfang des Jahres waren Regale und Ordner noch voll mit Datenmaterial. Doch fast niemand hatte Interesse an Heinrich Langes Archiv. Foto: Reinhold Radloff

    Da tränt das Auge. Mehr als das: Da blutet das Herz. Ein halbes Jahrhundert Arbeit verschwindet im Reißwolf. Heinrich Lange aus Königsbrunn, Archivar für Leichtathletik-Angelegenheiten aller Art hierzulande, seine gesammelten Werke wollte am Ende der Tage niemand haben. Wie kann das sein?

    Für Heinrich Lange bricht eine Welt zusammen. All das, was er in seinem Arbeitszimmer in den vergangenen über 50 Jahren an Leichtathletik-Material, ob Ergebnisse, Bestenlisten, Bücher, Hefte, Programme, Zeitungsberichte und Statistiken gesammelt, katalogisiert und zusammengestellt hat, der kleine Raum war zum Bersten voll, all das soll jetzt nichts mehr wert sein?

    Als der vielseitige Sportler und Sportorganisator wegen seines immerhin 80. Geburtstags darüber nachdachte, seine Sammelleidenschaft aufzugeben, da fragte er in den einschlägigen Leichtathletikkreisen nach, wer die gesammelten Werke haben will. Doch er stieß auf unerwartet großes Desinteresse: Kaum jemand wollte etwas von rund einem halben Jahrhundert Leichtathletikgeschichte haben. „Das war für mich total unverständlich, da ich ja ständig Anfragen nach Ergebnissen, Platzierungen und sonstigem aus aller Welt hatte und fast immer Auskunft geben konnte“, so ein frustrierter Lange, der begeistert erzählt, dass seine Aufzeichnungen bis 1898 zurückreichten. 350 Ordner, 53 Regalmeter, unendliche Bücherstapel und Papierberge, das Hobby eines halben Lebens dem Reißwolf geweiht?

    „Das Interesse bei den Verbänden an meinen Materialien war null bis extrem gering. Was sollen wir damit, das war die frustrierende Antwort auf all das, was ich für die Leichtathletik getan habe“, ärgert sich Lange.

    Wolfgang Ritschel, Leichtathletiktrainer beim TSV Schwabmünchen und Kadertrainer, kann es kaum glauben: „Dass unschätzbare Arbeit verloren geht, das finde ich unglaublich. Da wird ein Lebenswerk zerstört. Wir vom TSV holen jedenfalls was uns betrifft ab.“

    Ein paar andere Vereine denken wie Ritschel und Lange bündelt für sie bereitwillig die Werke, an denen sie interessiert sind. Und der Rest? „Ich habe alles so nach und nach selbst auf den Wertstoffhof in Königsbrunn gefahren, tonnenweise. Als der Schredder 90 Prozent meiner jahrelangen Arbeit verschlang, da war ich todtraurig. Ich habe viel geweint und es ging mir richtig schlecht.“ Auch jetzt, als sein Arbeitszimmer fast leer geräumt und einige Zeit vergangen ist, geht es ihm noch nicht besser. „Ich hege mehr als nur Groll gegen die Verbände, die derartiges Desinteresse zeigten.“

    Immer wieder blickt er versonnen in die ungenutzten Regalreihen. Was Heinrich Lange mit dem leeren Raum tun soll, in dem wenigstens noch seine alte geliebte Schreibmaschine steht, weiß er nicht so ganz genau. „Vielleicht werde ich meine Eisenbahn wieder ausgraben, mit der ich vor vielen Jahrzehnten mit meinen Kindern gespielt habe. Vielleicht hilft mir das über meinen Schmerz hinweg.“ – Aber nur vielleicht.

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