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Interview: Hrubesch lobt Frauenfußball: "Können sich Männer 'ne Scheibe abschneiden"

Interview

Hrubesch lobt Frauenfußball: "Können sich Männer 'ne Scheibe abschneiden"

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    Frauen-Bundestrainer Horst Hrubesch kann auf eine beeindruckende Bilanz als Frauen-Nationaltrainer blicken.
    Frauen-Bundestrainer Horst Hrubesch kann auf eine beeindruckende Bilanz als Frauen-Nationaltrainer blicken. Foto: Marcel Kusch, dpa

    Herr Hrubesch, ist der Flug nach Neuseeland denn jetzt endlich gebucht?

    Horst Hrubesch: Ja, im Februar geht es los.

    Also wird nichts mehr verschoben.

    Hrubesch: Auf keinen Fall. Diese Reise hatten meine Frau und ich schon lange geplant. Wir haben immer gesagt, wenn ich mal Schluss mache, dann gehen wir das an. Jetzt steht die Reise: sechs Wochen Neuseeland, dann geht es weiter nach Malaysia und Singapur und im Anschluss noch nach Hawaii und Las Vegas.

    Wäre nicht Frankreich auch ein schönes Reiseziel gewesen?

    Hrubesch: Ja, und das bleibt es noch. Ich habe den Mädels versprochen, mit meiner Frau zur WM zu kommen.

    Wäre es nicht reizvoll gewesen als Trainer anzureisen, jetzt wo Sie mit den Frauen schon die Qualifikation geschafft haben?

    Hrubesch: Sicher. Es macht ja auch riesig Spaß. Aber ich werde nächstes Jahr 68 Jahre alt. Ich denke, jetzt sind mal ein paar Jüngere an der Reihe. Und es war ja vorher klar, dass ich das nur zur Überbrückung mache. Das haben die Mädels gewusst, das habe ich gewusst, und wir haben mit Martina Voss-Tecklenburg eine gute Lösung gefunden.

    Europameister sind Sie als Spieler und Trainer – der WM-Titel fehlt Ihnen noch.

    Hrubesch: Man kann nicht alles haben im Leben. Ich habe so viel erreicht, da ist auch mal ein bisschen Demut angebracht. Ich denke, ich kann damit gut leben, wenn ich diesen Weltmeistertitel nicht habe.

    …und dafür Ihre Frau behalten.

    Hrubesch: Ja, die hatte schon mit Scheidung gedroht, wenn ich weitermache! Wir kennen uns von Kindesbeinen an. Nächstes Jahr feiern wir goldene Hochzeit. Jetzt bin ich dran mit zurückzahlen. Das Versprechen war: Wenn ich Schluss mache, machen wir diese Tour. Zweimal haben wir sie verschoben, ein drittes Mal sollte es nicht werden.

    Jetzt endet Ihre Trainerkarriere vorerst mit einem Job, zu dem Sie kamen wie die Jungfrau zum Kinde. Hatten Sie zuvor jemals daran gedacht, dass Sie mit 66 Jahren noch einmal Frauen-Bundestrainer werden?

    Hrubesch: Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Die Verbindung zu den Frauen war seit Olympia 2016 da. Dort habe ich die Männer betreut und die Mädels haben uns viele Ratschläge gegeben, wie das bei Olympia so läuft. Als ich dann den Sportdirektor-Posten von Hansi Flick übernommen hatte, war ich beteiligt an der Entscheidung, nicht mehr mit Steffi Jones weiterzumachen. Als wir die Lösung, wie wir sie wollten, nicht bekommen haben, dachte ich, bevor da jemand anders eine komische Idee hat, mache ich es lieber selbst.

    Manuel Neuer hat Sie mal so beschrieben: „Dieser Trainer war ein Freund, er hat uns angeschnauzt und direkt wieder aus dem Dreck gezogen.“ Haben Sie diese Art auch bei den Frauen beibehalten, oder haben Sie sich angepasst?

    Hrubesch: Natürlich habe ich mich angepasst. Aber das habe ich immer in meiner Karriere. Seitdem ich mit fünf Jahren mit dem Fußball begonnen habe, hat sich ständig etwas geändert. Ich war immer offen, den Weg mitzugehen, habe dabei immer alles hinterfragt, aber die entscheidenden Werte habe ich immer mitgenommen.

    Was haben die Frauen Ihnen mitgegeben?

    Hrubesch: Besonders überrascht hat mich, wie offen der Umgang mit den Fans ist. Das ist Fußball zum Anfassen und den habe ich in meiner Karriere auch immer verkörpert. Dazu kommt die Professionalität. Egal, was die Mädels machen, sie machen es mit 100 Prozent. Im Sport ist Eigenverantwortung das Wichtigste. Dass man dafür sorgt, dass man genügend Schlaf bekommt, das Gewicht stimmt und man vernünftig zum Training geht – darin sind die Mädels vorbildlich. Da könnten sich die Männer ’ne Scheibe abschneiden.

    Woran liegt das?

    Hrubesch: Die Mädels sind zwar Profis, aber viele sind im Studium, in der Ausbildung oder im Job. Sie arbeiten und gehen trainieren. Da muss man gut organisiert sein. Ich glaube, einige von ihnen denken auch, sie müssen immer noch beweisen, dass sie gut sind. Aber das müssen sie gar nicht mehr!

    Trainer Horst Hrubesch übt Kritik an der Jugendarbeit des Deutschen Fußball-Bundes.
    Trainer Horst Hrubesch übt Kritik an der Jugendarbeit des Deutschen Fußball-Bundes. Foto: Marcel Kusch (dpa)

    Apropos Eigenverantwortung: Zuletzt wurde Kritik laut an den Nachwuchsleistungszentren. Werden die jungen Spieler da wirklich zu sehr verhätschelt?

    Hrubesch: Die Jungs stehen ganz schön unter Dampf. Wir konnten uns damals entwickeln, sind erst mit 19, 20 Jahren in die Bundesliga gekommen. Diese Jungs sind mit 13 in den Leistungszentren. Dort gehen sie teilweise um sieben Uhr aus dem Haus zur Schule, wo sie schon ein oder zwei Trainings haben, nachmittags dann das nächste Training – und das vier bis fünfmal die Woche. Sie sollen überragend spielen, nie schlecht, dazu Vorbilder sein, und, und, und. Da denke ich manchmal: Vielleicht wäre an der einen oder anderen Stelle weniger mehr.

    Wenn Sie da was ändern könnten…

    Hrubesch: …dann ginge es nur, wenn alle sich einig sind und an einem Strang ziehen. Abgesehen davon, schauen Sie sich doch mal an, was wir seit 2000 im Nachwuchsbereich für einen tollen Weg gegangen sind, was da alles bei rumgekommen ist.

    Unter anderem der WM-Titel 2014. Zuletzt aber das Aus in der WM-Vorrunde. Hat Joachim Löw den Umbruch verpasst?

    Hrubesch: Die Frage ist doch: Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Umbruch? Es ist immer schwer, einen zu machen, wenn du erfolgreich bist. Das war schon früher so: Ich bin damals beim HSV mit Lars Bastrup ausgeschieden und Wolfram Wuttke und Dieter Schatzschneider kamen. Danach ist es nicht mehr gelaufen. Da haben alle gefragt, warum um Himmels willen haben sie die zwei denn gehen lassen? Aber so was kann man nie vorher wissen.

    Die meisten der Jungs, die gerade nachdrängen, sind durch Ihre Hände gelaufen. Sollte Joachim Löw aus Ihrer Sicht noch mutiger auf sie setzen?

    Hrubesch: Jogi stand doch immer dafür, viele junge Spieler einzusetzen. Im letzten Spiel gegen Frankreich hatten wir vier Zwanzigjährige vorne rumlaufen – und einige auf der Bank sitzen. Und nur mit der Jugend wird es auch nicht gehen. Ein gewisses Gerüst musst du schon behalten.

    Franz Beckenbauer hat mal gesagt, ich verstehe nicht, dass der HSV nie darauf gekommen ist, Horst Hrubesch als Trainer zu verpflichten.

    Hrubesch: Ob er nie darauf gekommen ist, weiß ich nicht. Für mich war das nie ein Thema.

    Und wird es auch nie eins sein?

    Hrubesch: Nein! Nein, nein, nein.

    Was machen Sie denn, wenn Sie aus Neuseeland zurückkommen?

    Hrubesch: Ganz ehrlich: Zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich es nicht. Und genau das wollten meine Frau und ich. Bis Weihnachten haben wir alles verplant, im Januar stürzen wir uns in einen Englisch-Kurs. Wobei wir bislang auch ganz mutig mit unserem selbstverfasstem Englisch durch die Welt gekommen sind. Wenn wir zurückkommen, dann mache ich mir Gedanken über die Zukunft. Vorher nicht.

    Aber Rentner ist doch nichts für Sie, haben Sie immer gesagt.

    Hrubesch: Ach, wissen Sie, ich habe in meinem Leben nie etwas geplant. Ich habe Fußball gespielt, dann hieß es: Sturm kann der nicht. Aber ich habe die Tore gemacht. Als ich Trainer wurde, haben sie wieder gesagt: Was will der denn da? Ich habe mich immer durchgebissen und vieles dabei war Zufall. Jetzt will ich es mal genießen, dass ich auch mal ’ne Woche zu Hause sein kann. Keine Termine. Keiner ruft an. Zur Not setze ich mich ins Auto, nehme meine Frau und meinen Hund mit und dann fahren wir einfach los – Vogelfluglinie nach Schweden, nach Norwegen und über Dänemark zurück nach Hause. Diese Freiheit will ich endlich mal haben. Darauf freue ich mich jetzt. Interview:

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