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TSV 1860 München: Löwen werden zum Amateurklub: Was Fans jetzt wissen müssen

TSV 1860 München

Löwen werden zum Amateurklub: Was Fans jetzt wissen müssen

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    Investor Hasan Ismaik zahlte nicht für die Drittligalizenz des TSV 1860 München.
    Investor Hasan Ismaik zahlte nicht für die Drittligalizenz des TSV 1860 München. Foto: Andreas Gebert, dpa

    Die Bombe platzte am Freitag um 15.30 Uhr. Es war der Termin, zu dem beim Deutschen Fußball Bund das Lizenzierungsverfahren für die dritte Liga abgeschlossen sein sollte. Um diese Zeit war klar: Der TSV 1860 München wird keine Lizenz erhalten, im kommenden Jahr in der dritten Liga anzutreten. Investor Hasan Ismaik stellte die erforderliche Summe in Höhe von zehn Millionen Euro nicht bereit. Damit wird der Verein kommende Saison in einer Amateurliga spielen.

    Warum hat Ismaik nicht gezahlt?

    Weil der Hauptverein, neben Ismaik zweiter Gesellschafter der Kapitalgesellschaft für die Profiabteilung (KGaG), dem Forderungskatalog des Jordaniers nicht nachgekommen ist. Allerdings waren einige dieser Forderungen für den Verein schlichtweg nicht erfüllbar. So wollte Ismaik offenbar das Weisungsrecht des Vereins an den Geschäftsführer der KGaA teilweise abschaffen. Dies widerspricht aber den Vorgaben der 50+1-Regel.

    In einer Stellungnahme seines Unternehmens ließ der Jordanier verbreiten: "Die Verantwortlichen des e.V. haben es versäumt, die Probleme zu lösen. Probleme, die bekannt waren. Probleme, die ich seit langem wiederholt angesprochen habe. Probleme, die zum größten Teil in der Verantwortung des e.V. liegen." Laut Süddeutscher Zeitung will Ismaik "gegen 50+1 klagen".

    1860 München und Ismaik: Eine Chronologie des Chaos

    Im Frühjahr 2011 stand 1860 München bereits vor dem Aus - erst Investor Hasan Ismaik bewahrte die "Löwen" durch seinen millionenschweren Einstieg vor der Insolvenz. Der Jordanier erschien in Giesing als strahlender Retter und hatte Visionen von der Rückkehr in die Fußball-Bundesliga und sogar einem Angriff auf die besten Vereine Europas um den Stadtrivalen FC Bayern und den FC Barcelona.

    Das 1860-Drama in sechs Akten:

    2011/12: Euphorisiert vom Einstieg des Geschäftsmannes aus Abu Dhabi werden erste Dissonanzen zwischen Investor und Verein noch großteils wegmoderiert. "Wir haben klar gesagt, dass wir als Team erfolgreich sein wollen", sagt der damalige Geschäftsführer Robert Schäfer. Die Mannschaft unter Trainer Rainer Maurer spielt eine gute Saison, rangiert ab Spieltag drei bis zum Schluss auf einem einstelligen Tabellenplatz und verpasst als Sechster die Aufstiegsränge nur knapp.

    2012/13: Auch die Spielzeit kann sich sportlich sehen lassen, 1860 landet wieder auf Rang sechs. Coach Maurer erlebt das aber schon nicht mehr als Verantwortlicher mit, er muss im November gehen. Nachfolger wird Alexander Schmidt, der international erfahrene Sven-Göran Eriksson soll ebenfalls einsteigen. Als der Schwede überraschend doch absagt, gibt Ismaik dem Präsidenten Dieter Schneider die Schuld. Es ist nicht der erste Angriff Ismaiks auf Schneider, der im März hinwirft. 

    2013/14: Nun probiert sich Gerhard Mayrhofer an der Spitze des TSV und wird von Ismaik erstmal als "Profi durch und durch" gelobt. In der Geschäftsleitung soll Markus Rejek als Finanzfachmann für neue Impulse sorgen, kurz vor Saisonende wird Gerhard Poschner für die sportliche Seite und vor allem Spielertransfers verpflichtet. Trainer Schmidt wird schon vor Herbstbeginn gefeuert und durch Friedhelm Funkel ersetzt. Als der seinen Weggang zum Saisonende verkündet, wird er im April freigestellt. Co-Trainer Markus von Ahlen übernimmt bis zum 34. Spieltag und führt die Münchner auf den siebten Platz.

    2014/15: Die Ränge sechs, sechs und sieben sind Ismaiks Sechzigern zu wenig, also soll der Niederländer Ricardo Moniz endlich für den Aufstieg sorgen. "Wir werden Meister", tönt er. Doch der sportliche Niedergang nimmt Fahrt auf. Schon im September ist Moniz' Zeit vorbei, nach ihm versuchen sich erneut von Ahlen und ab Februar U21-Trainer Torsten Fröhling. Statt Aufstieg steht der Kampf gegen den Abstieg im Fokus, am Ende retten sich die "Löwen" erst in der Relegation gegen Holstein Kiel durch ein Tor in der Nachspielzeit des Rückspiels. Ismaik wird immer ungeduldiger, auch weil Poschners Transferpolitik grandios scheitert. Am Saisonende hört Präsident Mayrhofer auf, genervt vom "Kasperltheater" und der "Katzbuckelei" vor Ismaik, wie er sagt.

    2015/16: Jetzt probiert es Interimspräsident Siegfried Schneider und geht auf Ismaik zu. Dessen Cousin Noor Basha, ein gelernter Apotheker, darf sogar Sport-Geschäftsführer werden und neben Finanzmann Rejek die Geschicke der Profis leiten. Neuer Manager wird Oliver Kreuzer. Auch Neu-Präsident Peter Cassalette wählt einen Kuschelkurs mit Ismaik. Sportlich läuft es wieder katastrophal: Die vier verschiedenen Trainer Fröhling, Benno Möhlmann, Daniel Bierofka und Denis Buschujew kriegen es wenigstens hin, als 15. nicht in die Relegation zu müssen.

    2016/17: Cassalette ist inzwischen voll auf Ismaiks Linie eingeschwenkt und wirkt wie ein Erfüllungsgehilfe, ein Contra erscheint ihm offenbar zwecklos. Als Manager schafft Thomas Eichin bis zu seiner Beurlaubung gerade mal dreieinhalb Monate und wird ersetzt von einem gewissen Anthony Power, seines Zeichens Maschinenbauer und Ismaik-Vertrauter.  Zwischendurch sorgt der Verein mit einem Presseboykott für Aufsehen. Mit dem Liverpool-Manager Ian Ayre hofft Ismaik ab April endlich auf internationales Flair, doch Ayre wirft nach zwei Monaten hin. Wieder verbraucht 1860 in einer Saison vier Trainer: Unter dem einstigen Champions-League-Coach Vitor Pereira steigt 1860 aus der 2. Liga ab.

    Was macht Ismaik jetzt?

    Für viele Löwen-Fans ist es eine Schreckensvorstellung: Er bleibt. In der Stellungnahme hieß es: "Herr Ismaik wird dem Klub auch in der 4. oder 5. Liga unterstützen und notwendige Veränderungen vorantreiben." Wie diese Unterstützung aussehen soll, ist völlig offen. Auf seiner Facebook-Seite schrieb Ismaik am Freitag: "Die Leute müssen aufwachen und verstehen, dass der Klub sich ändern muss, um zu überleben. Ich nehme meine Verantwortung für den Verein sehr ernst und ich hoffe, dass die Verantwortlichen in dem e.V. dies auch tun."

    In welcher Liga spielt 1860 jetzt?

    Entweder in der Regionalliga Bayern oder der Bayernliga. Die Lizenzierungsverfahren für beide Ligen sind zwar eigentlich schon abgeschlossen. Präsident Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbands BFV, sagte aber bereits, "dass wir gegebenenfalls auch Platz für eine 19. Mannschaft in der Regionalliga hätten". Die Vorteile für 1860: Die Lizenz für die Regionalliga ist nicht direkt an finanzielle Vorgaben gebunden. Gefordert werden zum Beispiel ein Stadion, das getrennte Eingänge für Gästefans hat, einen VIP-Bereich oder eine gewisse Anzahl an Medienarbeitsplätzen sowie einen festen Pressesprecher.

    Möglich wäre es etwa, dass 1860 die Regionalligalizenz der zweiten Mannschaft übernimmt. Die Mannschaft von Trainer Daniel Bierofka belegte in der vergangenen Saison in der Regionalliga den zweiten Platz, musste aber wegen des Abstiegs der ersten Mannschaft zwangsweise absteigen. Die Frage ist, ob sich 1860 die Regionalliga leisten will. In der Bayernliga wären die Vorgaben noch weiter gelockert – dort ist nicht einmal ein separater Eingang für Gäste- und Heimfans vorgeschrieben.

    Wer läuft künftig für 1860 auf?

    Die kostensparendste Lösung: Die bisherige zweite Mannschaft wird zur ersten Mannschaft und ein Spielrecht wird aufgegeben.

    Bleibt es bei der Allianz-Arena?

    Eigentlich sind die Löwen vertraglich immer noch dazu verpflichtet, in der Allianz-Arena zu spielen. Allerdings scheint die Vorstellung, dass Regionalliga- oder Bayernligaspiele in der 75.000 Mann fassenden Arena ausgetragen werden, absurd. Einem Auszug des TSV 1860 müsste der FC Bayern als Eigentümer zustimmen. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hatte bereits angekündigt, dem Verein bei einem Umzug in das Grünwalder Stadion behilflich sein zu wollen.

    Droht nun die Insolvenz?

    Sobald Ismaik weg ist: Ja. Das Szenario nach dem Abstieg hat deutlich gemacht, wie sehr 1860 am Tropf des Investors hängt. In dem Moment, in dem er den Verein verlässt, gehen endgültig die Lichter aus. Immerhin: Eine Insolvenz würde keinen Zwangsabstieg bedeuten. Ein Spielbetrieb könnte auch bei Insolvenz weitergehen – allerdings droht dann ein Punktabzug.

    Das Personal-Chaos beim TSV 1860 München

    Seit dem Abstieg des TSV 1860 München von der ersten in die zweite Bundesliga im Jahr 2004 hat der Verein mit einem beispiellosen Führungs-Chaos zu kämpfen.

    Das lässt sich allein an der Zahl der Trainer (22!) festmachen:

    Gerald Vanenburg (4/04-6/04)

    Rudi Bommer (7/04-12/04)

    Reiner Maurer (12/04-1/06)

    Bernhard Trares (1/06)

    Walter Schachner (1/06-3/07)

    Marco Kurz (3/07-2/09)

    Uwe Wolf (2/09-5/09)

    Ewald Lienen (5/09-6/10)

    Reiner Maurer (6/10-11/12)

    Alexander Schmidt (11/12-8/13)

    Markus von Ahlen (8/13-9/13)

    Friedhelm Funkel (9/13-4/14)

    Markus von Ahlen (4/14-6/14)

    Ricardo Moniz (6/14-9/14)

    Markus von Ahlen (9/14-2/15)

    Torsten Fröhling (2/15-10/15)

    Benno Möhlmann (10/15-4/16)

    Daniel Bierofka (4/16-5/16)

    Denis Buschujew (5/16-6/16)

    Kosta Runjaic (7/16-11/16)

    Daniel Bierofka (11/16-12/16)

    Vitor Pereira (seit 1/17)

    Und auch die Präsidenten (9) wechselten häufig:

    Karl Auer

    Alfred Lehner

    Albrecht von Linde

    Rainer Beeck

    Dieter Schneider

    Hep Monatzeder

    Gerhard Mayrhofer

    Siegfried Schneider

    Peter Cassalette

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