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Olympia 2016: Russland und Doping: Die Chronologie eines Skandals

Olympia 2016

Russland und Doping: Die Chronologie eines Skandals

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    Ein Verfahren gegen Russland wurde eingeleitet.
    Ein Verfahren gegen Russland wurde eingeleitet. Foto: Christophe Karaba (dpa)

    Russland ist eine stolze Sportnation. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London gewannen die Athleten aus dem größten Land der Erde 81 Mal Edelmetall – 24 Plaketten in Gold, 25 in Silber und 32 in Gold. Das bedeutete Rang vier hinter den USA, China und Gastgeber Großbritannien. Beim Winter-Heimspiel zwei Jahre später in Sotschi gewannen die Russen die Nationenwertung und schwelgten in Euphorie. Vom damaligen Glanz ist nichts mehr geblieben, denn nach den Erkenntnissen der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) war der Erfolg auf Lug und Trug aufgebaut.

    Auf 97 Seiten listen die Wada-Ermittler auf, wie im Reich von Präsident Wladimir Putin systematisch betrogen wurde. Das russische Sportministerium habe die Manipulationen „geleitet, kontrolliert und überwacht“, enthüllte der Wada-Chefermittler Richard McLaren Mitte Juli.

    Der Kanadier war von der Wada mit der Untersuchung betraut worden. Er gehörte bereits der unabhängigen Wada-Kommission an, die ein flächendeckendes Dopingsystem in der russischen Leichtathletik nachgewiesen hat. Die Ermittler sehen es als erwiesen an, dass im russischen Spitzensport von Moskau gedecktes Doping betrieben wird. Es seien tausende Daten und Dokumente ausgewertet worden, auch gelöschte Dateien seien wiederhergestellt worden, sagte McLaren.

    Russland soll Doping staatlich gefördert haben

    Die Vorwürfe sind erdrückend: manipulierte Dopingproben, erschwindelte Medaillen und konspirative Hilfe durch den Geheimdienst. Russland hat nach Ansicht der Wada-Ermittler jahrelang Doping im Spitzensport staatlich geschützt und gefördert.

    Zwischen 2012 und 2015 seien 643 positive Doping-Proben russischer Athleten in rund 30 Sportarten verschwunden – und sind damit negativ geworden. Betroffen seien neben den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 auch die Leichtathletik-WM 2013 in Moskau und die Schwimm-WM 2015 in Kasan.

    Der Leichtathletik-Weltverband Iaaf hat deshalb den russischen Verband schon im vergangenen November suspendiert und diese Entscheidung im Juni noch einmal bestätigt. Dagegen klagten die 67 betroffenen Athleten vor dem internationalen Sportgericht CAS. Doch die Juristen sahen keinen Grund, an dem Beschluss des Fachverbands Änderungen vorzunehmen.

    Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sieht jedoch von einem Komplettausschluss Russlands ab. Die Fachverbände sollen mit dem CAS über die Starts der russischen Athleten entscheiden.

    Das ist die Chronik des Russischen Doping-Skandals:

    2014

    3. Dezember - Alles beginnt mit dem Dokumentarfilm „Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“. Das Image des russischen Sports wird durch Enthüllungen der ARD über systematisches Doping, Vertuschung von Kontrollen und Korruption auf schockierende Weise beschädigt. Die Dokumentation präsentiert geheime Aufzeichnungen mit Hinweisen auf ein staatlich unterstütztes Doping sowie auf einen offenbar im Hintergrund wirkenden Betrugs- und Vertuschungsapparat. Sogar die Spitze des Leichtathletik-Weltverbandes mit Ex-Präsident Lamine Diack ist involviert.

    16. Dezember  - Die Anti-Doping-Agentur setzt eine Kommission zur Aufklärung der Vorwürfe gegen den russischen Spitzensport ein. Der frühere Wada-Chef Richard W. Pound führt das dreiköpfige Gremium an, ihm zur Seite stehen Experte Richard McLaren und der deutsche Kriminalbeamte Günter Younger.

    2015

    16. Juli - Aufgrund von Doping-Ermittlungen zieht der russische Leichtathletik-Verband vorläufig sein komplettes Geher-Team von internationalen Wettkämpfen zurück. Die WM findet Ende August in Peking ohne die mit Abstand erfolgreichste Geher-Nation statt.

    4. November - Diack wird Bestechlichkeit und Geldwäsche vorgeworfen. Die französische Justiz erhebt Anklage gegen den 82-Jährigen. Diack soll in seiner Amtszeit mehr als eine Million Euro für die Vertuschung positiver Doping-Proben kassiert haben, erklärt eine französische Staatsanwältin.

    Das russische Team ist bei Olympia in Rio angesichts des Doping-Skandals deutlich reduziert.
    Das russische Team ist bei Olympia in Rio angesichts des Doping-Skandals deutlich reduziert. Foto: Yuri Kochetkov (dpa)

    9. November - Die unabhängige Wada-Kommission um Pound legt ihren ersten Bericht vor, der ein Schreckensbild der Doping-Praktiken in der russischen Leichtathletik zeigt. Die Kommission empfiehlt, Russland aus der Iaaf auszuschließen.

    10. November - Die Wada entzieht dem Doping-Kontrolllabor in Moskau vorläufig die Akkreditierung. Das Internationale Olympische Komitee suspendiert das IOC-Ehrenmitglied Lamine Diack.

    13. November - Die Iaaf suspendiert den gesamtrussischen Leichtathletik-Verband Araf angesichts der gravierenden Dopingvorwürfe.

    18. November - Die Wada suspendiert Russlands Anti-Doping-Agentur Rusada, weil sie die Regeln nicht eingehalten hat.

    2016

    7. Januar - Die Ethikkommission der Iaaf sperrt im Zuge des Dopingskandals den Sohn von Ex-Präsident Diack, Papa Massata, den ehemaligen IAAF-Schatzmeister Walentin Balachnitschjow und Russlands Ex-Cheftrainer Alexej Melnikow lebenslang. Der frühere Anti-Doping-Chef Gabriel Dollé wird für fünf Jahre gesperrt.

    14. Januar - Bei der Präsentation des zweiten Berichts wirft die unabhängige Wada-Kommission der Iaaf „ein komplettes Versagen im Kampf gegen Doping und Korruption“ vor. Hauptverantwortlicher für die „Organisation und Ermöglichung der Verschwörung“ sei der frühere Iaaf-Präsident Diack.

    Diego Maradona: Argentiniens Fußball-Held ist für seine Drogen-Eskapaden bekannt. Im Jahr 1991 wurde ihm der Konsum von Kokain nachgewiesen, der Weltfußball-Verband schloss ihn für 15 Monate vom Spielbetrieb aus. Wegen Besitzes und Weitergabe von Kokain wurde er außerdem zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
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    Im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte wurde zahlreichen Sportlern Doping nachgewiesen. Hier einige prominente Beispiele.

    6. März - Das angeblich große Reinemachen in der russischen Leichtathletik wird durch neue Vorwürfe gegen die Sport-Weltmacht erschüttert. Eine neue TV-Dokumentation präsentiert im WDR Belege für Verstöße von Russlands Leichtathletik gegen Auflagen vom Weltverband Iaaf und der Welt-Anti-Doping-Agentur.

    7. März - Die russische Weltklasse-Spielerin Maria Scharapowa ist bei den Australian Open im Januar positiv auf Meldonium getestet worden. Das gibt sie selbst bekannt. Bis Mitte April verzeichnet die Wada mehr als 170 Positiv-Tests auf Meldonium, das erst seit Jahresanfang auf der Liste der verbotenen Mittel steht. Da unklar ist, wie lange Meldonium nachweisbar ist, lockert die Wada ihre Richtlinien.

    Insider: Positive Doping-Proben auf staatliche Anordnung gemeinsam mit Geheimdienst vertuscht

    12. Mai - Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors, Gregori Rodschenkow, behauptet in der New York Times, dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der Anti-Doping-Agentur Rusada sowie dem Geheimdienst auf Anordnung vom Staat vertuscht habe. 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen. US-Justiz, das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Wada nehmen Ermittlungen auf.

    17. Mai - Bei Nachkontrollen zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking werden 31 Sportler positiv getestet. Darunter sollen 14 russische Sportler sein, offenbar auch zehn Medaillengewinner. Eine davon ist Hochsprung-Olympiasiegerin Anna Tschitscherowa. Gleichzeitig setzt die Wada eine Untersuchungskommission wegen der Sotschi-Vorwürfe ein.

    27. Mai - Bei Nachkontrollen zu den Olympischen Spielen 2012 in London sind 23 Sportler positiv getestet worden. Hinzu kommt eine weitere positive Probe von den Sommerspielen 2008 in Peking. Acht russische Sportler sind betroffen.

    Spektakuläre Dopingfälle im internationalen Sport

    1988: Der kanadische Sprinter Ben Johnson gewinnt bei den Olympischen Spielen in Seoul zwar das 100-Meter-Finale gegen seinen großen Rivalen Carl Lewis (USA), muss seine in der Weltrekordzeit von 9,79 Sekunden gewonnene Goldmedaille später jedoch zurückgeben. Er war mit dem anabolen Steroid Stanozolol gedopt.

    1992: Katrin Krabbe, Doppel-Weltmeisterin von Tokio 1991, wird das unerlaubte Doping-Mittel Clenbuterol nachgewiesen. Die einjährige Sperre durch den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) wird vom Weltverband IAAF auf zwei Jahre verlängert. Münchner Gerichte erkennen einen Schadenersatzanspruch der Sprinterin gegenüber der IAAF in Höhe von 1,2 Millionen D-Mark an.

    1994: Dem argentinischen Superstar Diego Maradona wird bei der Fußball-Weltmeisterschaft die verbotene Substanz Ephedrin nachgewiesen. Er wird vom Turnier ausgeschlossen.

    1998: Bis dahin größter Tour-de-France-Skandal: Bei Festina-Team- Betreuer Willy Voet werden massenhaft unerlaubte Substanzen zum Dopen gefunden. Es folgen Razzien der Polizei, ein flächendeckendes Doping- System im Radsport wird enttarnt.

    2006: Nach einer Doping-Razzia im Turiner Olympia-Quartier flieht der österreichische Skitrainer Walter Mayer. Bei der Durchsuchung werden Spritzen, Medikamente und Geräte zur Bluttransfusion sichergestellt. Vier Langläufer und zwei Biathleten werden vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) auf Lebenszeit von Olympischen Spielen ausgeschlossen.

    2006: Zwei Tage vor dem Start der Tour de France werden neun Fahrer, darunter Jan Ullrich und der Italiener Ivan Basso, von der Rundfahrt ausgeschlossen. Sie sollen mit dem mutmaßlichen spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes zusammengearbeitet haben. US-Profi Floyd Landis wird positiv auf Testosteron getestet. 14 Monate später wird er für zwei Jahre gesperrt. Der Tour-de-France-Sieg wird ihm aberkannt. Im Mai 2010 gibt er Doping zu.

    2007: Die Radprofis Jörg Jaksche, Bert Dietz, Christian Henn, Udo Bölts, Brian Holm, Rolf Aldag, Erik Zabel und Bjarne Riis, der Tour- Sieger von 1996, gestehen Blutdoping. Die Sportärzte Lothar Heinrich, Andreas Schmid und Georg Huber werden von der Universitätsklinik Freiburg suspendiert.

    2007: Im Oktober räumt die dreimalige Olympiasiegerin Marion Jones (USA) im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ein, jahrelang gedopt zu haben. Die Olympiasiege werden der Sprinterin im Dezember 2007 vom IOC aberkannt. Die Medaillen hatte sie bereits zurückgegeben.

    2009: Am 3. Juli erklärt die Internationale Eislauf-Union (ISU), dass die fünfmalige Olympiasiegerin Claudia Pechstein gesperrt worden ist. Einen positiven Doping-Befund gibt es nicht. Pechstein wurde aufgrund von Indizien gesperrt, ihr Blutprofil zeigte nach ISU-Angaben Auffälligkeiten.

    2010: Tour-de-France-Sieger Alberto Contador wird positiv auf die verbotene Substanz Clenbuterol getestet. Im Februar 2012 wird der spanische Radprofi vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) zu einer Zweijahressperre bis August 2012 verurteilt, zudem werden ihm seine Ergebnisse seit Juli 2010 aberkannt.

    2012: Der deutsche Ex-Radprofi Jan Ullrich wird vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne wegen Dopings schuldig gesprochen und bis August 2013 gesperrt. Zudem werden ihm alle Ergebnisse seit Mai 2005 aberkannt.

    2013: Nach jahrelangem Leugnen gibt der frühere US-Radprofi Lance Armstrong laut Medienberichten in einem Fernsehinterview Dopingmissbrauch zu. Zuvor war der siebenmalige Tour-de-France-Sieger von der US-Anti-Doping-Agentur USADA mittels Zeugenaussagen überführt worden. Seine Gesamterfolge bei der Frankreich-Rundfahrt wurden ihm aberkannt, Armstrong ist lebenslang gesperrt.

    8. Juni - Scharapowa wird für zwei Jahre wegen ihres positiven Tests auf Meldonium gesperrt.

    15. Juni - Die Wada erhebt erneut schwere Vorwürfe. So sollen zwischen dem 15. Februar und 29. Mai insgesamt 736 geplante Dopingkontrollen nicht durchgeführt worden sein. Kontrolleure seien in Russland von Athleten massiv behindert und von Beamten des russischen Geheimdienstes FSB eingeschüchtert worden.

    17. Juni - Einstimmig bestätigt das Council der Iaaf die Sperre für die russischen Leichtathleten. Damit dürfen sie bei den Olympischen Spielen in Rio nicht starten. Es gibt jedoch einen Kompromiss. Einzelne Athleten können unter neutraler Flagge teilnehmen, sofern sie nicht im russischen Doping-System involviert sind. So erhält Weitspringerin Darja Klischina eine Ausnahmegenehmigung von der IAAF.

    Ist für zwei Jahre gesperrt worden, weil sie mir Meldonium gedoped haben soll: die russische Tennis-Spielerin Maria Sharapova
    Ist für zwei Jahre gesperrt worden, weil sie mir Meldonium gedoped haben soll: die russische Tennis-Spielerin Maria Sharapova Foto: ANDREW GOMBERT, epa, dpa

    3. Juli - Russland legt Einspruch gegen den Olympia-Ausschluss seiner Leichtathleten vor dem CAS ein.

    11. Juli - Der CAS verschiebt ein Urteil im Fall Maria Scharapowa auf September. Damit ist sie bei Olympia nicht dabei.

    18. Juli - Die Welt-Anti-Doping-Agentur legt ihren Ermittlungsbericht zu den Doping-Anschuldigungen rund um die Winterspiele in Sotschi gravierende Belege für staatlich gesteuertes Doping in Russland vor. Im Moskauer Dopinglabor seien über Jahre hinweg positive Proben verschwunden, das russische Sportministerium habe die Manipulationen überwacht, hieß es in dem in Toronto vorgestellten Report. Eine Empfehlung für Sanktionen wie einen Olympia-Ausschluss gab er aber nicht.

    Es geht um den schutz der ehrlichen Athleten

    21. Juli - Russische Leichtathleten dürfen bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro nicht starten. Der Internationale Sportgerichtshof CAS weist in Lausanne den Einspruch von 68 russischen Athleten gegen ihren Olympia-Ausschluss zurück.

    24. Juli - Das IOC-Exekutivkomitee sieht nach einer Telefonkonferenz von einem Komplettausschluss Russlands ab. Die internationalen Sommersportverbände sollen alle Einzelfälle prüfen und dann in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Sportgerichtshof CAS darüber befinden, welche russische Athleten in welchen Sportarten antreten dürfen. Sportler, denen schon einmal Doping nachgewiesen werden konnte, sind von vornherein raus. „In diesem Sinne schützen wir saubere Athleten, weil wir strenge Kriterien für russische Sportler festgelegt haben“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach.

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