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Steffi Jones droht der Tabubruch

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Steffi Jones droht der Tabubruch

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    Bielefeld Für den Abschluss eines ziemlich missratenen Länderspieljahres hat sich die deutsche Frauen-Nationalmannschaft eine Residenz ausgesucht, die in Fußballerkreisen als Kraftquelle in Krisenzeiten gilt: die Klosterpforte in Marienfeld. Die aufbauende Wirkung der ostwestfälischen Wohlfühloase wird Steffi Jones brauchen, geht es im Freundschaftsspiel gegen Frankreich am Freitag (17.58 Uhr/ARD) in Bielefeld doch um nicht weniger als ihren Job.

    Die Forderung von Reinhard Grindel an die Bundestrainerin ist eindeutig: Der DFB-Präsident will vor Ort gegen den WM-Ausrichter 2019 einen Leistungsnachweis erleben – und sprach von „einem Gradmesser“. Jones findet die Forderung legitim: „Er hat gesagt, dass er eine Weiterentwicklung sehen will. Und die will ich auch sehen.“ Funktionäre wie Fans – aber auch Jones-Vorgängerin Silvia Neid – sind regelrecht entsetzt, was aus den als Olympiasieger 2016 übergebenen DFB-Frauen geworden ist: ein verunsichertes Ensemble, das erst ein EM-Viertelfinale (1:2 gegen Dänemark), dann ein WM-Qualifikationsspiel (2:3) gegen Island in den Sand setzte. „Die Ampel steht auf Rot“, bekannte Jones hernach selbst.

    Nun beteuerte die 44-Jährige: „Man wird eine ganz andere Körpersprache sehen. Die Mannschaft ist motiviert und fokussiert.“ Die gebürtige Frankfurterin weiß, dass ihr auf der Alm eine Art Endspiel bevorsteht, was sie so aber natürlich nicht formuliert: „Es geht um die Sache. Alles andere spielt keine Rolle.“ Nach der vermasselten EM 2017 wäre eine verpasste WM 2019 ein Worst-Case-Szenario, das unbedingt vermieden werden muss. Dann spielt es auch nur eine untergeordnete Rolle, dass Jones’ Vertrag nach einer EM-Aufarbeitung im Eiltempo bis 2019 mit Option bis 2020 ausgedehnt wurde.

    Vieles erinnert an die Situation, die einst im Männerbereich Jürgen Klinsmann vor der WM 2006 durchmachte, als auf einmal ein Testspiel gegen die USA im Frühjahr 2006 über sein Reformprojekt entschied. Gelingt auch Jones solch ein Befreiungsschlag? Menschlich wäre es der Sympathieträgerin zu wünschen. Aber wie konnte die seltsame Gemengelage in ihrer kurzen Amtsperiode entstehen?

    Die Powerfrau wollte vom ersten Tag an zu viel verändern. Kommunikativer und authentischer im Umgang zu sein, flexibler in der Spielweise zu werden: Das klanggut, klappte indes in der Praxis nicht. Mit dem Schlingerkurs in personellen und taktischen Fragen fiel ihr die fehlende Trainererfahrung krachend auf die Füße. Sollten die spielstarken Französinnen eine Lektion erteilen, droht ein Tabubruch: der erste Trainer-Rauswurf beim Frauen-Nationalteam.

    Für den DFB sind Krisen im Frauenfußball weitgehend unbekanntes Terrain. Das weibliche Aushängeschild gewann Titel in Serie, ohne dass sich die Männerfraktion groß einmischen musste, weil speziell unter der heutigen Scouting-Direktorin Neid immer zum richtigen Zeitpunkt die nächsten Erfolge heraussprangen. Was gäbe es jetzt überhaupt für Alternativen? Viele hielten Ralf Kellermann, der seit dieser Saison nur noch als Sportlicher Leiter und nicht mehr als Cheftrainer beim VfL Wolfsburg arbeitet, für einen prädestinierten Kandidaten.

    Der 49-Jährige hat mit seiner Titelsammlung auf Vereinsebene seine Befähigung nachgewiesen – und wäre eine Autorität in Fachfragen. Dass Kellermann demonstrativ dieser Tage den Vertrag mit der überraschend von Jones ausgebooteten Führungsspielerin Lena Goeßling verlängerte, ist bezeichnend. Der Verzicht auf die 31-Jährige, mit deren Konterfei im Vorfeld die Frankreich-Partie beworben wurde, wirkt im Nachhinein noch unverständlicher, weil nunmehr mit Melanie Leupolz, Simone Laudehr, Lina Magull oder Hasret Kayikci wichtige Spielerinnen ausgefallen sind.

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