Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

Fußball-Bundesliga: Wenn der Druck zu groß wird

Fußball-Bundesliga

Wenn der Druck zu groß wird

    • |
    Rald Rangnick zog 2011 die Notbremse und trat beim FC Schalke 04 wegen eines Burnout zurück.
    Rald Rangnick zog 2011 die Notbremse und trat beim FC Schalke 04 wegen eines Burnout zurück. Foto: dpa

    Dass ihm diese Entscheidung schwergefallen ist, gibt Ralf Rangnick unumwunden zu. Bei Schalke 04 besaß er einen langfristigen Vertrag, der ihn reich machte; mit dem Bundesligisten erlebte er erfolgreiche Stunden, wurde Vizemeister; und in der Fußballszene wurde Rangnick als einer der modernen Konzepttrainer gefeiert. Der gebürtige Schwabe sprühte vor Energie, vor Tatendrang. Im Spätsommer 2005 war das. Es folgten erfolgreiche Jahre in Hoffenheim und ein zweites Engagement beim FC Schalke. Halbfinale der Champions League. Pokalsieger.

    Doch Rangnick fiel in ein Loch. Ein ziemlich tiefes Loch. Rangnick beschreibt, er sei damals irritiert gewesen, wusste nicht so recht, was mit ihm los war. "Ich stand morgens auf und hatte überhaupt keinen Antrieb, irgendetwas zu machen." Rangnick war erschöpft und ausgebrannt, das Tagesgeschäft als Bundesligatrainer, der Leistungsdruck und die Erwartungshaltung hatten ihn seelisch überfordert. Bei Schalke 04 warf er hin. Rangnick ist nicht der einzige Protagonist, dem dies widerfuhr, ebenso fühlte sich Ottmar Hitzfeld irgendwann leer. Womöglich war der Leistungsdruck auch ein Grund für die Depressionen Sebastian Deislers und Robert Enkes.

    An der Branche sind diese Fälle nicht spurlos vorübergegangen. Sie werden thematisiert, wenn man sich trifft und miteinander netzwerkt – wie gestern beim Fußballkongress im Businessbereich der Augsburger Arena. Jürgen Marks, stellvertretender Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, moderierte launig die Podiumsdiskussion, obwohl das Thema so gar nicht lustig ist.

    Alle müssen liefern: Spieler, Trainer, Sportdirektoren

    Die Fußballprofis krümmen heutzutage keinen Zeh, ohne dabei beobachtet zu werden. Nicht nur Medien berichten ausufernd über die Mannschaften. Vereine bauen stetig ihre Kommunikation aus, versorgen die Anhänger über alle möglichen Kanäle mit Infos. Die heranwachsenden Stars fahren teure Autos, verdienen Millionen und bekommen von hunderttausenden Followern vorgelebt, sie seien wichtig. Andererseits gehen sie das Risiko ein, noch rasanter abzusteigen, als sie aufgestiegen sind, werden in sozialen Netzwerken beleidigt und im Stadion von Tausenden ausgepfiffen. In dieser Gemengelage müssen alle liefern: Spieler, Trainer oder Sportdirektoren. Für Menschlichkeit bleibt da selten Raum.

    Rangnick und Co. werden fortwährend damit konfrontiert. "Wir bewegen uns in einem Arbeitsbereich, in dem es um viel Geld geht. Du wirst jeden Tag aufs Neue bewertet, Woche für Woche wird anhand der Tabelle abgerechnet und Bilanz gezogen." Rainer Holzschuh, Herausgeber des Kicker, wählt drastische Worte, vergleicht den Fußball mit einem "Moloch". Wer dem Druck nicht gewachsen sei, der versinke darin, meint der Sportjournalist. Für Stefan Reuter, Manager des FC Augsburg, hat sich seit dem Tod Enkes in der öffentlichen Wahrnehmung wenig verändert. Jährt sich die Tragödie, am 10. November ist das der Fall, kehrt sie in die Köpfe zurück. Wenig später verschwindet sie wieder.

    Der FCA versucht, frühzeitig Hilfe anzubieten. Ein mentales Tief soll gar nicht erst entstehen. "Wir stellen den Kontakt zu Psychologen her, geben den Spielern Techniken an die Hand", erklärt Reuter. Immerhin: Das Tabu scheint gebrochen. Sich Therapeuten anzuvertrauen, wird nicht mehr als Zeichen der Schwäche gedeutet. DFB und Bundesligisten vertrauen längst Psychologen. Ob Spieler dieses Angebot wirklich nutzen? Reuter meint, jeder müsse seinen Weg finden, Dinge zu relativieren. Er persönlich schaltet beim Joggen im Wald ab. Ralf Rangnick, 58, heute Sportdirektor von RB Leipzig, änderte seine Ernährung, überdachte seine Lebensführung und lernte, mehr auf sich und die Signale seines Körpers zu achten. "Sonst zahlst du irgendwann die Zeche." Er weiß, wovon er spricht.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden